1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bulgarien will aufs Gaspedal drücken

23. April 2009

Sofia sorgt sich um die Zukunft der Nabucco-Pipeline. Nach dem unfreiwillig frostigen Winter will man dort das Projekt voranbringen. Doch nicht alle Länder in der EU ziehen an einem Strang.

https://p.dw.com/p/Hcf4
Bulgaren wollen Alternative zu russischem Gas

Jeder in Bulgarien weiß mit dem Begriff „Nabucco“ etwas anzufangen: Mit der Gas-Pipeline will man endlich von Russland unabhängig werden. Ein ehrgeiziger Wunsch, denn bislang hängt das Land zu hundert Prozent am russischen Gashahn. Der Wunsch der Bulgaren nach Unabhängigkeit ist noch gewachsen, nachdem im vergangenen Winter viele Bürger während des russisch-ukrainischen Gasstreits frieren mussten.

Für die Bulgaren ist es daher besonders bitter, dass das ehemalige Vorzeigeprojekt der EU lahmt. Der Baubeginn wurde bereits mehrfach verschoben. Dennoch hofft man weiter auf die Pipeline. Sie soll Erdgas aus Aserbaidschan und Zentralasien über Bulgarien bis nach Österreich bringen – ohne über russisches Territorium zu führen. Dimitar Gogov, Chef des bulgarischen Nabucco-Partners „Bulgargaz“: „Wir wollen bis spätestens Ende 2010 über die Finanzierung von Nabucco entschieden haben. Wenn das klappt, beginnen wir 2011 mit dem Bau. Das erste Gas könnte dann Ende 2014 durch die Pipeline fließen.“ Dimitar Gogov legt offensichtlich Zweckoptimismus zur Schau.

Ungleiche Interessenlage

Rund acht Milliarden Euro hat die EU für Nabucco veranschlagt. Die Länge der geplanten Pipeline: 3.300 Kilometer. Die Route soll vom Kaspischen Meer über die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Ungarn führen. Als Förderländer sind neben Aserbaidschan auch Turkmenistan und Kasachstan vorgesehen. Zudem sind Ägypten, der Iran und der Irak im Gespräch. Erklärtes Ziel der Pipeline: Mit ihr will die EU die Abhängigkeit von russischem Erdgas vermindern. Etwa ein Viertel des Erdgases, das in der EU verbraucht wird, stammt aus Russland.

Seit einiger Zeit jedoch wird deutlich, dass Nabucco offenbar vor allem von der EU-Kommission vorangetrieben wurde und nicht in allen EU-Ländern den gleichen Rückhalt findet. So hat zum Beispiel die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel das Projekt wiederholt in Frage gestellt und erklärt, es sei unsicher, ob überhaupt ausreichend Erdgas für Nabucco gefördert werden könne. Ein Einwand, der Dimitar Gogov ärgert: „Das widerspricht allen Hinweisen über neue Gasvorkommen in der Kaspischen Region, im Irak und im Iran. Es werden wieder einmal Politik und Wirtschaft durcheinander gebracht.“

Projekt von der Förderliste gestrichen

EU-Länder, die nicht in gleichem Maße wie Bulgarien von den russischen Erdgaslieferungen abhängig sind, wenden auch ein, dass die vorgesehenen Förderregionen politisch zu instabil seien. Darüber hinaus sei die Finanzierung des Projektes nicht gesichert.

Konkret wurde bisher ein internationales Konsortium mit dem Bau der Gasleitung betraut. Mitglieder sind die Energieversorgungs-Unternehmen in den Transitländern und seit 2008 auch die deutsche RWE. Die Federführung hat der österreichische Mineralölkonzern ÖMV. Die Unzufriedenheit über das Nabucco-Projekt hat inzwischen so weit geführt, dass es von einer Förderliste der EU wieder gestrichen wurde, mit der die Konjunktur angekurbelt werden soll.

EU-Länder uneins in Energiepolitik

Energieexperte Marin Lessenski vom Forschungsinstitut „Open Society“ in Sofia stellt fest, Nabucco zeige vor allem, dass es in der EU kein einheitliches Interesse in der Energiepolitik gebe. Ein Land wie Deutschland, das nur etwa ein Drittel seines Erdgases aus Russland beziehe und darüber hinaus eine vergleichsweise enge Beziehung zum Kreml unterhalte, verfolge ganz andere Ziele als zum Beispiel Bulgarien. „Leider hat die EU nur scheinbar eine gemeinsame Energiepolitik. Länder wie Deutschland und Italien haben bilaterale Verträge abgeschlossen. Es macht für sie keinen Sinn, in Projekte zu investieren, von denen andere profitieren“, so Lessenski.

Sollte das Nabucco-Projekt scheitern, wird es einen Gewinner auf jeden Fall geben: Russland. Kritikern zufolge ziehe das Land alle Register, um das Projekt zu vereiteln und die Vormachtstellung Russlands auf dem europäischen Gasmarkt nicht zu gefährden.

Autor: Dimiter Muftieff

Redaktion: Birgit Görtz