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Frauen in Afghanistan wehren sich

15. April 2009

Im Streit um ein neues Ehegesetz für die afghanischen Schiiten ist es in Kabul zu Zusammenstößen gekommen. Das zurzeit vorläufig gestoppte Gesetz räumt Männern massive Verfügungsgewalt über ihre Frauen ein.

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Demonstrierende Frauen in Kabul (Foto: AP)
Frauen demonstrieren gegen das geplante EhegesetzBild: AP

Rund hundert meist junge Frauen, die am Mittwoch (15.04.2009) vor der Universität in der afghanischen Hauptstadt Kabul gegen das Gesetz protestierten, wurden von rund 1000 Gegendemonstranten umstellt. Vereinzelt seien Steine auf die Frauen geworfen worden, berichtete ein Reporter der Deutschen Presseagentur.

Polizistinnen bilden eine Kette zum Schutz der Demonstrantinnen (Foto: AP)
Polizistinnen schützen die demonstrierenden FrauenBild: AP

Die Frauen kritisierten, das Ehegesetz beleidige die Würde der Frau. Sie wurden als "Abtrünnige und Sklaven der Christen" beschimpft. Polizistinnen bildeten eine Kette, um die Frauen zu schützen.

Wilde Beschimpfungen

Ein AP-Korrespondent beobachtete, wie ein Mann eine junge Frau mit Kopftuch verbal attackierte, die ein Transparent mit der Forderung hochhielt: "Wir wollen kein Taliban-Recht". Der Mann brüllte: "Du bist eine Hündin, du bist keine schiitische Frau". Die Demonstrantin habe entgegnet: "Das ist mein Land und mein Volk".

Eine 14-Jährige sagte dem Reporter, sie sei mit ihren Eltern und ihrer Schwester zu der Frauendemonstration gekommen, weil sie sich Sorgen um ihre Zukunft mache: "Wir wollen unsere Rechte, wir wollen nicht, dass Frauen einfach benutzt werden."

Scharfe Kritik aus dem Westen

Bundeskanzlerin Merkel und Verteidigungsminister Jung bei ihrem Besuch bei der Bundeswehr im afghanischen Kundus am 6. April (Foto: AP)
Bundeskanzlerin Merkel und Verteidigungsminister Jung bei ihrem Besuch der Bundeswehr in Kundus am 6. AprilBild: AP

Im Westen wurde das schiitische Ehegesetz scharf kritisiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte deswegen mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai. Dieses Gesetz widerspreche der Gleichberechtigung von Mann und Frau grundlegend und entspreche nicht den westlichen Wertvorstellungen, betonte Merkel.

Angesichts der Proteste hatte Karsai Anfang April das von ihm bereits unterzeichnete Gesetz gestoppt. Der Präsident kündigte an, der Justizminister werde den Text prüfen, ihn gegebenenfalls in Absprache mit islamischen Würdenträgern ändern und dem Parlament erneut vorlegen.

Das Gesetz würde nur für die schiitische Minderheit in Afghanistan gelten, die etwa 15 bis 20 Prozent der mehrheitlich sunnitischen Bevölkerung stellt. Die Verfassung sichert den Schiiten eine eigene Rechtsprechung zu. In der Verfassung ist aber auch die Gleichberechtigung von Frauen und Männern festgeschrieben. Zugleich müssen aber alle Gesetze konform mit dem islamischen Rechtssystem sein.

Ehemann hat die Macht

Das Ehegesetz sieht unter anderem vor, dass Frauen nur in Notfällen ohne Erlaubnis des Ehemanns das Haus verlassen dürfen. Außerdem - so der Hauptvorwurf von Kritikern - erlaube das Gesetz die Vergewaltigung in der Ehe. Nach einer dpa-Übersetzung der Fassung, die Karsai unterzeichnet hatte, heißt es in Artikel 132 unter anderem: "Der Ehemann ist, wenn er nicht reist oder krank ist, dazu verpflichtet, jede vierte Nacht Geschlechtsverkehr mit seiner Ehefrau zu haben. Die Frau ist verpflichtet, positiv darauf zu reagieren."

Politische Beobachter in Kabul gehen davon aus, dass Karsai mit dem Gesetz versuchen wollte, sich vor der Präsidentschaftswahl im August die Stimmen der Schiiten zu sichern. Er habe deshalb einfach die Forderungen der konservativen schiitischen Kleriker akzeptiert.

(wl/ako/ap/dpa/afp)