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Amerikas nützliche Helfer

9. April 2009

Der Bundesnachrichtendienst hat jahrelang irakische Flüchtlinge ausgefragt und kriegswichtige Informationen an die USA weitergeleitet – trotz Gerhard Schröders klarem "Nein!" zu einer deutschen Beteiligung am Irak-Krieg.

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Karte vom Irak, Foto: dpa
Durch die Informationen des BND konnten die Amerikaner Ziele im Irak genauer bestimmenBild: picture alliance / dpa

"Unter meiner Führung wird sich Deutschland an einer Intervention im Irak nicht beteiligen," sagte Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder noch im September 2002 bei einer Rede in Hannover. Damals herrschte Wahlkampf in Deutschland – und es war vor allem dieses kategorische "Nein!" zum Irak-Krieg, das dem SPD-Politiker die nötigen Stimmen für seine Wiederwahl zum Bundeskanzler verschaffte. Noch vier Jahre später erklärte Außenminister Frank-Walter Steinmeier, dass auch "der BND und jeder seiner Mitarbeiter […] selbstverständlich an die politische Grundsatzentscheidung gebunden und eine aktive Unterstützung von Kampfhandlungen ausgeschlossen" war.

Bundeskanzler Gerhard Schröder gestikuliert bei seiner Regierungserklaerung zum Irak-Krieg, Foto: AP
Bundeskanzler Gerhard Schröder bei seiner Regierungserklärung zum Irak-KriegBild: AP

Informationen aus der Nachbarschaft

Doch mittlerweile ist klar: ganz so eindeutig hat sich die Bundesrepublik wohl doch nicht aus dem Irak-Krieg herausgehalten. Schon im Oktober 2001, kurz vor dem amerikanisch-britischen Feldzug gegen Saddam Hussein, hat der Bundesnachrichtendienst intensiv irakische Flüchtlinge in Deutschland befragt. "Das fing meistens ganz harmlos an," erklärt Christian Fuchs, freier Journalist der Berliner Tageszeitung "taz". Er hat nach monatelangen Recherchen mehrere irakische Flüchtlinge in Deutschland ausfindig gemacht, die ihm von ihren Gesprächen mit dem BND berichteten. In diesen sollten die irakischen Asylbewerber zunächst ihre Heimatstadt und die Gebäude in ihrer Nachbarschaft beschreiben. "Wenn der BND gemerkt hat, dass das interessante Menschen waren, weil sie zum Beispiel in einer Ölraffinerie gearbeitet haben oder selbst beim irakischen Staat angestellt waren, wurden die Fragen immer konkreter," erzählt Fuchs. So brachte der BND etwa in Erfahrung, wo sich beispielsweise Militärkrankenhäuser, Quartiere der Republikanischen Garden oder Versammlungsstätten von Saddam Husseins Baath-Partei befanden.

"Schützenhilfe" für die Amerikaner

"Interessant waren natürlich vor allem Ziele, die die Amerikaner im Krieg nutzen konnten, um sie zu bombardieren," stellt Christian Fuchs fest – auch wenn der BND noch 2006 behauptete, "dass den kriegsführenden Parteien keinerlei Zielunterlagen oder Koordinaten für Bombenziele zur Verfügung gestellt worden sind". Nach eigenen Angaben kann Christian Fuchs in mindestens zwei Fällen nachweisen, dass dies so nicht stimmt. Als im März 2003 in Mossul der Marmorpalast Saddam Husseins, die Quartiere der Republikanischen Garden und das Hauptquartier des irakischen Militärgeheimdienstes bombardiert wurden, sollen die Informationen dazu von einem nach Deutschland geflohenen irakischen Ex-General stammen. Sie wurden vom BND an die Amerikaner übermittelt, sagt Fuchs.

George W.Bush mit Dan Morris auf der Air Base in Tampa, Foto: AP
Im Lagezentrum der MacDill Air Force Base in Tampa - George W. Bush bei einer Besprechung zum Irak-KriegBild: AP

Infos gegen Asyl

Die irakischen Flüchtlinge in Deutschland bildeten so eine besonders wichtige Informationsquelle für die USA. In die Vereinigten Staaten waren verhältnismäßig wenige Iraker geflüchtet. Dagegen kamen zwischen 2000 und 2005 mehr als 46.000 irakische Flüchtlinge nach Deutschland. Als Gegenleistung für ihre Informationen konnten die Iraker mit Vergünstigungen rechnen: So versprach man ihnen, ihre Familien nach Deutschland nachzuholen oder das Asylverfahren deutlich zu beschleunigen. Teilweise wurde bereits nach wenigen Wochen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt, auf die andere Flüchtlinge oft mehrere Jahre warten mussten. Diese Praxis der Informationsgewinnung wurde auch nach dem Ende des Irakkrieges nicht eingestellt, sagt Fuchs.

Keine Konsequenzen

Seit 2006 untersucht der BND-Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestages die Rolle des deutschen Geheimdienstes während des Krieges im Irak. Doch der Ausschuss hat seine Arbeit fast beendet und schreibt mittlerweile schon an seinem Abschlussbericht. Die Rechercheergebnisse von Christian Fuchs werden jedoch in diesen Bericht nicht mehr einfließen. Auch vor dem Ausschuss haben die Vertreter der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung eine aktive Beteiligung Deutschlands am Irak-Krieg vehement bestritten. Aber für Christian Fuchs ist klar: "Spätestens nach diesen Erkenntnissen muss man sagen: Das war immer eine Lüge."

Autor: Thomas Latschan
Redaktion: Diana Hodali