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"Wir haben uns gegenseitig Mut zugesprochen"

Petra Tabeling26. September 2002

Einst bot es Literaten, die vor den Nationalsozialisten flüchteten, eine Heimat - das PEN-Zentrum deutscher Autoren im Ausland. Ein DW-WORLD-Interview mit dem Präsidenten Fritz Beer über die drohende Auflösung.

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Für die Freiheit des Wortes

Für Bert Brecht, Anna Seghers und viele andere Schriftsteller war diese Organisation eine Zuflucht nach der Emigration: Das PEN-Zentrum deutscher Autoren im Ausland. 1934 von Heinrich Mann und Alfred Kerr gegründet, wurde der Verband seitdem zur wichtigsten Vertretung deutscher Schriftsteller im Exil. Lethargie und Passivität haben dem Club das Aus gebracht, so der Vorsitzende Fritz Beer gegenüber DW-WORLD. Das sagt das älteste Mitglied des Vereins nicht ohne Wehmut.

PEN. und seine Geschichte

Das berühmte Kürzel P.E.N. steht für "Poets, Essayists and Novelists". Der englische Schriftsteller John Galsworthy gründete 1923 die Vereinigung. Andere internationale Schriftsteller wie Gorki, Hamsun oder Hauptmann traten bei. Weitere Verbände gründeten sich auch in Paris, Spanien oder Norwegen. Auch in Deutschland gab es einen Ableger. Doch nur für zehn Jahre: Er wurde 1933, ein halbes Jahr nach der Bücherverbrennung, wieder verboten.

Eine deutsche Stimme auch im Exil

Verfolgte Schriftsteller wie Heinrich Mann und Alfred Kerr gründeten dann 1934 einen "Exil-PEN." in London. Während des zweiten Weltkriegs schlossen sich viele Schriftsteller dem Verband an. So wurde der Internationale Exil-PEN zu einem Hort heimatloser Autoren. Und zum Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland. Für viele war das PEN-Zentrum die einzige Möglichkeit, auch im politischen Exil den Kontakt zu Deutschland nicht zu verlieren. Aber auch nach 1945 weigerten sich viele Autoren in ein Land zurückzukehren, in dem Auschwitz möglich geworden war.

Fritz Beer war seit 1940 Mitglied im Exil-PEN und zuletzt ihr Vorsitzender. Der ehemalige Journalist wurde 1911 in Brünn geboren und flüchtete 1939 nach England. In PEN traf er auf Gleichgesinnte: Alfred Kerr, John Heartfield und Oskar Maria Graf waren seine Wegbegleiter. Der PEN-Club war in den Anfangsjahren im Krieg überlebenswichtig: "Die Stimmung war niedergeschlagen. Aber wir haben uns gegenseitig Mut zugesprochen, auch den nächsten Morgen zu erleben. Die Bekenntnisse einer freien Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Das ist uns, meine ich, gelungen", sagte der letzte Präsident im Gespräch mit DW-WORLD.

Der Tscheche hatte selbst mit einem Abnabelungsprozess zu kämpfen: Schließlich war er vor der Emigration nach England zehn Jahre lang Mitglied in der kommunistischen Partei. "Ein Konflikt zwischen Gewissen und Moral", sagt er heute. Problematisch waren auch die Umstände der Auflösung des Schriftsteller-Verbandes. Seine zuletzt 103 Mitglieder seien zu "lethargisch" gewesen. Nur 14 Antworten erhielt Beer nach der Umfrage zur Auflösung des eigenen Vereins. Und die hatte er sich gut überlegt: Alle Bemühungen den Club in den letzten Jahren wiederzubeleben, scheiterten. "Aber wir hielten es für falsch, eine Kraft darzustellen, die nicht mehr war", daher hätte Beer eine Auflösung bereits im letzten Sommer vorgeschlagen.

Für das freie Wort kämpfen

Auch Diskrepanzen mit dem sogenannten "Dachverband", dem Internationalen PEN, waren schuld. Beer ist der Überzeugung, dass das Ansehen der internationalen Vereinigung allgemein gelitten habe. Sie sei nicht mehr politisch unabhängig und übe keine intellektuelle Schärfe aus, so der 90jährige. Sein Verband habe dagegegen gehalten. Jetzt ist der Club nicht mehr. Eine Alternative? Eine andere Organisation von deutschen Autoren im Ausland sei ihm zumindest nicht bekannt, sagt der älteste "Heimatlose". Aber man müsse trotzdem weiterhin für die Integrität des Wortes eintreten und gegen den Mißbrauch. Die letzte Tat in diesem Sinne: Beer stiftete den Rest des Vermögens an die Organisation "Writers in Prison".