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Merkel bei Katholiken

25. März 2009

Mit einem kritischen Ratschlag an den Papst hatte Angela Merkel viele ihrer Christdemokraten vor den Kopf gestoßen. Jetzt hielt sie eine Rede bei der Katholischen Akademie in Berlin - und die Neugier war groß.

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Angela Merkel (Archivbild), (Foto: dpa)
Angela Merkel (Archivbild)Bild: picture-alliance/ dpa

Es hatte sich einiges an Unmut zusammengebraut bei Angela Merkels Parteifreunden. Sie verprelle konservative Stammwähler der Union, so hörte man in den letzten Wochen viele Politiker aus der CDU und der bayerischen CSU grummeln. Gründe für diese Sorge bot die Kanzlerin und CDU-Chefin zuletzt einige.

Von Steinbach bis Benedikt

Da war einmal die Sache mit Erika Steinbach. Der Bund der Vertriebenen wollte seine Chefin in den Beirat einer neuen Stiftung entsenden, die an die Vertreibung von Millionen Deutschen und anderen Europäern aus ihrer Heimat im vergangenen Jahrhundert erinnern soll. Nach massiven polnischen Angriffen auf Steinbach blockierte Merkels sozialdemokratischer Regierungspartner diese Entsendung. Viele Parteifreunde machten der Kanzlerin daraufhin den Vorwurf, nicht für Steinbach gekämpft zu haben. Immerhin gibt es unter den Heimatvertriebenen besonders viele treue CDU-Wähler.

Dann fürchteten viele in der Union, Merkel werfe bei der Bekämpfung der Finanzkrise marktwirtschaftliche Prinzipien der Christdemokraten über Bord. Hauptanlass dafür war das Gesetz, das die Verstaatlichung der angeschlagenen Immobilienbank Hypo Real Estate ermöglicht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel schüttelt Papst Benedikt XVI. bei ihrem Rom-Besuch 2006 die Hand (Foto: AP)
Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Papst Benedikt XVI. bei ihrem Rom-Besuch 2006Bild: AP

Und schließlich Merkels Umgang mit dem Papst. Zwar bestürzte auch treue katholische Kirchgänger, dass unter den Bischöfen der erzkonservativen Pius-Bruderschaft, die Benedikt XVI. wieder in die katholische Kirche aufnahm, der Holocaust-Leugner Richard Williamson war. Aber musste die Kanzlerin deshalb öffentlich den Papst zu einer klaren Distanzierung von Williamson auffordern? Dass sie als deutsche Regierungschefin keine Leugnung des Holocaust dulden könne, diese Rechtfertigung Merkels wollten viele in ihrer Partei nicht gelten lassen. Die Form ihrer Äußerung sei dem Umgang mit einem Papst nicht angemessen gewesen, kritisieren sie.

Zum Papst kein Wort

Nun also ihre Rede am Dienstagabend (24.03.2009) in den überfüllten Räumen der Katholischen Akademie am Rande des Berliner Regierungsviertels. Eine Woche zuvor hatte Merkel schon beim Bund der Vertriebenen gesprochen, um den Schulterschluss mit dieser wichtigen Gruppe wieder herzustellen. Dann lud sie sich in eine Fernseh-Talkshow am Freitag ein, um sich kritischen Fragen zur Bewältigung der Finanzkrise zu stellen. Was lag also näher als die Annahme, die Kanzlerin wolle jetzt auch noch diejenigen, die wegen ihrer Papst-Kritik irritiert sind, zurückgewinnen.

Doch der Direktor der katholischen Akademie, Joachim Hake, erwähnte gleich zu Anfang, dass die Rede bereits seit Anfang Januar vereinbart sei. Das allgemeine Schmunzeln erübrigte weitere Erläuterungen: Bischof Williamson war damals noch völlig unbekannt. Dann, in Merkels Rede, kein Wort zum Papst, geschweige denn zu ihrem umstrittenen Umgang mit ihm. Und auch in der anschließenden Fragerunde griff erstaunlicherweise niemand das Thema auf.

Aber dennoch hatte es natürlich seinen Grund, warum die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende gerade zu diesem Zeitpunkt eine Grundsatzrede an einer katholischen Institution halten wollte. Denn länger schon, als die aktuelle Papst-Kontroverse andauert, halten sich Vorwürfe, Merkels Politik sei beliebig und habe kein klares Fundament an Prinzipien. Diesem Vorwurf wollte sie entgegentreten, bevor es in die Wahlauseinandersetzung geht.

Deutliches Bekenntnis zum Christentum

Angela Merkel tat es mit einem so deutlichen Bekenntnis zu christlichen Kernaussagen, wie man es bisher öffentlich noch nicht von ihr gehört hatte. Zwar hat sie bisher noch auf jeder Parteitagsrede das christliche Menschenbild als Grundlage der CDU-Politik beschworen, aber derart mit Begriffen aus der Glaubenslehre unterlegt hat sie es noch nie. Jeder Mensch sei von Gott geschaffen, sagte sie, als sein Ebenbild, und deshalb sei jeder Mensch in seiner Würde unantastbar. Über menschliche Unvollkommenheit, Sünde und Vergebung sprach sie und auch davon, dass wahre Toleranz gegenüber Andersdenkenden voraussetzt, zu den eigenen Überzeugungen zu stehen.

Von diesem Fundament leitete sie dann die Grundprinzipien ihrer Politik ab. Der Gottesbezug, wie er auch in der deutschen Verfassung niedergelegt ist, stehe dafür, "dass die Politik nicht allmächtig ist". Er schütze in der Politik ebenso vor Beliebigkeit wie vor menschenverachtender Ideologie.

Das Bild vom Menschen als freiem, würdevollem Wesen führe zu einer Politik, die den Menschen möglichst viel Freiraum für eigene Entscheidungen lässt. Allerdings, so Merkel, müsse aus christlicher Sicht "jede Gesellschaftsordnung abgelehnt werden, die Freiheit als grenzen- und bindungslos darstellt." Das Verhalten vieler Akteure in den Finanzmärkten benannte Merkel als Beispiel für einen unverantwortlichen Umgang mit der Freiheit. In der Finanzkrise sei "das Gemeinwohl partiell auf der Strecke geblieben".

Nicht völlig bibelfest

Die Zuhörer in der Katholischen Akademie zeigten sich durchaus beeindruckt von den Ausführungen der Kanzlerin. Allerdings schien dann doch einmal durch, dass die Theologie nicht das eigentliche Metier der evangelischen Pfarrerstochter ist. Als sie davon sprach, man solle in der politischen Auseinandersetzung deutlicher zu den eigenen christlichen Überzeugungen zu stehen, sagte sie: "Dass wir jetzt nicht sozusagen alttestamentarisch die Wangen hinhalten und noch mal draufschlagen lassen, prima." Nur, das ist neutestamentarisch. Das Jesus-Wort "wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin" gilt gerade als Überwindung des alttestamentarischen "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Doch so ein Lapsus kann passieren, und niemand im Saal nahm ihn der Kanzlerin übel.

Für Angela Merkel kam der Auftritt jetzt sicher zum richtigen Zeitpunkt, um ihr Image in katholischen Kreisen aufzubessern. Für einen allerdings kam er zu spät: Für den Journalisten Volker Resing, dessen frisch erschienenes Buch über "Angela Merkel - Die Protestantin" draußen im Foyer angeboten wurde. Er musste innen im Saal mit anhören, wie Angela Merkel vieles über ihre Religiosität freimütig zum Besten gab, was er mangels klarer Aussagen mühsam hatte zusammenrecherchieren müssen.

Autor: Peter Stützle

Redaktion: Dеnnis Stutе