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Schere geht auseinander

19. März 2009

Die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen in Deutschland hat sich in den vergangenen 15 Jahren weiter geöffnet, anstatt sich zu schließen. Im EU-Vergleich schneidet Deutschland schwach ab.

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Frauen am Arbeitsplatz (Foto: DW-TV)
Frauen machen oft die gleiche Arbeit, verdienen aber weniger als ihre männlichen KollegenBild: dw-tv

In Deutschland klaffen die Löhne zwischen Männern und Frauen weiterhin deutlich auseinander. Die Unterschiede sind dabei größer als in den meisten anderen europäischen Staaten. "Die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern hat sich gegenüber dem Stand vor 15 Jahren kaum verändert", stellen das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und die Universität Konstanz am Donnerstag (19.03.09) in einer Studie fest.

Während im EU-Durchschnitt das Gefälle der Stundenlöhne von Männern und Frauen von 1996 bis 2006 von 17 auf 15 Prozent gesunken sei, habe es in Deutschland von 21 auf 22 Prozent zugenommen, sagte IAB-Forscher Hermann Gartner. EU-weit liegt Deutschland damit an siebtletzter Stelle. Zwischen West- und Ostdeutschland gibt es drastische Unterschiede, die sich aus der unterschiedlichen Entwicklung in der DDR und der BRD erklären. Im Osten verdienen die Frauen sechs Prozent weniger als die Männer, im Westen sind es sogar 24 Prozent weniger.

Von der Leyen setzt auf neues Computerprogramm

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen. (Foto: AP)
Zeigte sich enttäuscht von der Studie: Bundesfamilienministerin von der LeyenBild: AP

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen rief die deutschen Unternehmen dazu auf, ihre Gehaltstrukturen zu überprüfen und offenzulegen. Das Familienministerium entwickle derzeit eine Software, mit dessen Hilfe Betriebe feststellen können, ob sie Männer und Frauen für gleiche Arbeit unterschiedlich bezahlen, sagte sie. Im Sommer werde dieses Programm allen Firmen kostenlos zur Verfügung stehen. "Kluge Unternehmen werden dies zu ihrem Vorteil nutzen", sagte die Ministerin. Wenn eine Firma nachweisen könne, dass bei ihr allein die Qualität zähle und jeder gleiche Chancen habe, sei dies ein hoher Werbefaktor.

Frauen häufig im Niedriglohnsektor beschäftigt

Als Grund für die Lohnungleichheit gilt vor allem das Wachsen des Niedriglohnsektors. Da Frauen nach Angaben des IAB überdurchschnittlich häufig zu Niedriglöhnen arbeiten, wirke sich das immer stärkere Auseinanderklaffen der Einkommensschere bei ihnen besonders deutlich aus. Ganz zentral sei allerdings, dass Frauen noch immer die Hauptlast bei der Familienarbeit tragen. Frauen unterbrechen und reduzieren ihre Erwerbstätigkeit für die Kindererziehung. Nur etwa 30 Prozent der Mütter mit Kindern unter drei Jahren seien erwerbstätig, jedoch 85 Prozent der Väter, sagte von der Leyen. Durch die langen Ausfallzeiten wegen der Kindererziehung kämen Frauen auf weniger Berufsjahre als Männer. Zudem spiele die Berufswahl eine große Rolle: Frauen seien in den besser bezahlten Branchen, Berufen und Karrierestufen seltener anzutreffen als Männer, und zusätzlich seien typische Frauenberufe weniger gut bezahlt als typische Männerberufe. So würden Altenpflegerinnen schlechter bezahlt als Gabelstapelfahrer.

Vielzahl von Gründen

Berufstätige Frau mit Kind auf dem Arm (Foto: Bilderbox)
Familie und Beruf, das ist für viele Frauen schwierig unter einen Hut zu bringenBild: Bilderbox

Frauen fordern der Studie zufolge in individuellen Gehaltsverhandlungen zudem weniger als Männer. Deren Gehälter steigen daher schneller, und sie werden eher befördert. Ein weiterer Grund ist, dass Männer häufiger als Frauen Überstunden machen und damit die längere tatsächliche Arbeitszeit einen Teil der Gehaltsunterschiede erklärt. Ein weiterer Faktor sind Hierarchien innerhalb der Berufe: Männer würden häufiger Gruppen- oder Teamleiter und in der Folge dann auch besser bezahlt.

Die unterschiedliche Bezahlung wirkt sich im Laufe eines Berufslebens immer stärker aus. Während der Unterschied bei 25- bis 30-jährigen Männern und Frauen 8,5 Prozent beträgt, liegt er bei 50- bis 59-jährigen Berufstätigen bei 29 Prozent. Zudem klafft die Lohnlücke mit steigender Qualifikation weiter auseinander. (al/mas/fw/afp/ap/dpa/rtr)