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Quadratisch, praktisch, gut!

19. März 2009

Weimar ist seit jeher die Stadt der Dichter und Denker mit den Aushängeschildern Goethe und Schiller. Doch nicht nur die Klassiker haben die Stadt geprägt: Vor 90 Jahren wurde hier das sogenannte "Bauhaus" gegründet.

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Bauhausgebäude Dessau (Foto: dpa)
Das Bauhausgebäude in DessauBild: picture-alliance/ dpa

Wenn in den 20er Jahren die Kinder nicht gehorchten, dann hieß es: "Wenn du nicht artig bist, kommst du ins Bauhaus". Den Weimarer Bürgern war das Bauhaus unheimlich. Bei den Festen der "künstlerischen Lehranstalt" zogen merkwürdige als Figurinen verkleidete Studenten durch die Straßen, und die geometrischen Formen, die bei Kunstobjekten als Gestaltungselement vorherrschten, entsprachen so gar nicht dem Geschmack der Zeit.

Die Einheit von Kunst und Handwerk

Buchgestaltung Bruno Adlers 'Utopia: Dokumente der Wirklichkeit', gestaltet von Margit Téry
Bild: Foto: Bibliothek der Bauhaus-Universität Weimar

Der Jugendstil-Architekt Henry van de Velde, Leiter der Kunstgewerbeschule in Weimar, hatte den Architekten Walter Gropius als seinen Nachfolger empfohlen. Gropius gründete 1919 das staatliche Bauhaus, das die Kunstgewerbeschule und die Kunstakademie zusammenführte. Kunst und Handwerk sollten eine Einheit bilden, Meister und Schüler gemeinsam an einer Art "Gesamtkunstwerk" arbeiten, ähnlich dem Gedanken der mittelalterlichen "Bauhütten". Es war die Idee von einer Kunstbewegung, die die Lebensbedingungen der Menschen verbessern sollte.

UNESCO Welterbe

1996 hat die UNESCO die Bauhausbauten und die Ideen der Bauhäusler unter ihren Schutz gestellt und zum Weltkulturerbe erklärt. Zu den Gebäuden gehören die Bauhaus-Universität in Weimar, die Stiftung Bauhaus in Dessau und einige der sogenannten "Meisterhäuser", in denen die Künstler selbst lebten. Doch bis heute hat es das Bauhaus in der Goethestadt Weimar schwer. "Leider ist es schon 1999 nicht gelungen, Weimar ein neues kulturelles Image zu geben, das Image einer Kulturstadt, die weit über die Klassik hinausreicht", bedauert der Leiter des Weimarer Bauhaus-Museums, Michael Siebenbroth.

Die Hygiene war wichtig

Bauhaus Dessau, Gropiuszimmer
Das Gropiuszimmer: Einfache Form, glatte OberflächenBild: Foto: Nathalie Mohadjer

Dabei waren am Bauhaus so berühmte Künstler wie den Künstler und Bühnenbildner Oskar Schlemmer, die Maler Wassily Kandinsky, Paul Klee, Lyonel Feininger oder László Moholy-Nagy beteiligt. Sie alle sollten dazu beitragen, im Nachkriegsdeutschland neue Lebensentwürfe für eine humane Gesellschaft zu schaffen, mit klaren Formen und funktionalen kostengünstigen Produkten. Durch die Industrialisierung hatten sich die Lebensumstände geändert. Frauen arbeiteten in den Fabriken, deshalb ging es auch darum die Hausarbeit zu erleichtern. "Das Hygienische war ja auch in der Zeit ganz wichtig", betont Michael Siebenbroth. Möbel aus einfachen Formen mit glatten Oberflächen, ohne dekorative Schnörkel, ließen sich einfach besser reinigen.


Freiraum für das Leben!

Bauhaus Dessau, Haus am Horn
Nicht gemütlich, sondern rationell: Das 'Haus am Horn'Bild: Bauhaus-Universität Weimar

Architektonisch konnten die Bauhäusler in Weimar nur das sogenannte "Haus am Horn" verwirklichen. Es ist ein weißer, quadratischer Bungalow, der wie ein Tempel auf einer Anhöhe tront. Auffallend sind die Oberlichter im Wohnraum, der über die umliegenden Räume hinausragt. Im Inneren des Hauses drängt sich der Eindruck einer Amtsstube auf. Marlis Grönwald hat zu DDR-Zeiten einige Jahre im Haus am Horn, das heute Museum ist, gewohnt. Schon damals, sagt sie, sei es nicht um Gemütlichkeit gegangen, sondern darum, rationell zu wohnen. "Eine sparsame Ausstattung, die viel Freiraum für das Leben lässt, war der Hintergedanke."

Technik ist Kunst

Bauhausgebäude Dessau, Heizkörper im Haupttreppenhaus
Technik an der Wand: Heizkörper im Treppenhaus des GebäudesBild: Katja Simon 2007, Stiftung Bauhaus Dessau

Weil in Weimar die finanziellen Zuschüsse unter einer rechtskonservativen Regierung gekürzt wurden, suchte das Bauhaus eine neue Heimat und fand sie 1925 in Dessau. Die aufstrebende Industriestadt suchte nach neuen architektonischen Lösungen für die vielen Arbeiter. Hier konzipierte Gropius unter anderem das heutige Arbeitsamt und einige Wohnhäuser. Berühmt geworden ist das eigentliche Bauhaus-Gebäude mit seiner Glasfront, die durch senkrechte Stahlstreben unterteilt wird und dem Gebäude eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Alles im Inneren ist geometrisch in Winkeln aufeinander abgestimmt. Die Technik ist bewusst sichtbar, so wie die schnarrenden Kettenzüge, mit denen sich die Fenster mechanisch öffnen lassen oder die Heizungen, die hoch an der Wand hängen, wo eigentlich ein Kunstwerk Platz hätte. "Die Technik", so erläutert Katja Szymczak, die Besucher durch das Gebäude führt, "wird hier selbst zum Kunstwerk".

Konsumgeist kontra Bauhaus

Bauhausgebäude Dessau, Blick von der Werkstatt zur Brücke
Technik am Fenster: Kettenzug zur mechanischen ÖffnungBild: Jutta Stein 2005, Stiftung Bauhaus Dessau

1928 übernahm Hannes Meyer die Leitung des Bauhauses, zwei Jahre später gefolgt von dem Architekten Mies van der Rohe. Doch schon 1932 wurde das Bauhaus in Dessau als "undeutsche Schule" geschlossen. Nach dem zweiten Weltkrieg erfuhr die Kunstbewegung eine widersprüchliche Rezeption. In Zeiten des kalten Krieges lehnte die DDR Regierung die ihrer Meinung nach "kosmopolitisch imperialistische" Ausrichtung ab. So wurden viele der Bauhaus-Gebäude in Weimar und Dessau erst ab Mitte der 70er Jahre restauriert.

Massenproduktionen und der Konsumgeist der 60er Jahre überholten die einst sozialen Ideen der Bauhäusler. Einige Ideen in Architektur und Design haben jedoch sichtbar überlebt. Das Gebäude ist heute Sitz der Stiftung Bauhaus, die sich mit Forschung und Gestaltung befasst. Seit März wird die Stiftung von Architekturprofessor Philipp Oswalt geleitet, der immer wieder Bauhaus-Ideen im heutigen Alltag entdeckt: "Wenn Sie heute in das Möbelhaus Ikea oder in den Baumarkt gehen, dann ist doch einiges zu finden, was auf Dinge zurückzuführen ist, die im Bauhaus entwickelt wurden."

Autorin: Gaby Reucher
Redaktion: Aya Bach