1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Per Mausklick durch die Welt von 2500 Sprachen

Ricarda Otte25. Februar 2009

Schwarz heißt "ausgestorben". In der interaktiven Datenbank des UNESCO-Welt-Atlas kann man sich per Mausklick durch 2500 Sprachen klicken. Viele von ihnen wird es bald nicht mehr geben.

https://p.dw.com/p/GyFd
Der Nordwesten von Südamerika gehört zu den Regionen der Welt mit der höchsten Dichte an bedrohten SprachenBild: UNESCO

Über 6000 Sprachen gibt es momentan über den Erdball verteilt, die meisten von ihnen mit diversen Dialekten. Eine beeindruckende Zahl? Könnte man meinen. Doch sie relativiert sich, sobald man erfährt, dass etwa 2500 davon vom Aussterben bedroht sind. Die UNESCO-Datenbank führt allein für den deutschsprachigen Raum 13 bedrohte Sprachen auf, zum Beispiel das Jiddische und das Sorbische. Auf der entsprechenden Landkarte erscheinen vor allem weiße und gelbe Stecknadelköpfe, was für die Sprachen so viel bedeutet wie "unsicher" und "definitiv bedroht". Nur um das Nordfriesische und das Saterfriesische ist es bei uns schlechter bestellt, sie sind orange – "stark bedroht".

Zwei Movima-Sprecher sehen sich Bild- und Videoaufnahmen von sich an
Sprache wird nicht nur für Wissenschaftler dokumentiert, sondern vor allem für die Sprecher und ihre Familien wie hier in BolivienBild: Katharina Haude

Schwarz heißt "ausgestorben"

In der Datenbank kann nach den Kriterien Land oder Region, Zahl der Sprecher, Name der bedrohten Sprache und Stadium der Bedrohung (hier gibt es fünf zur Auswahl) gesucht werden. Als Ergebnis erscheint eine von Google Maps generierte Landkarte, in der die Sprachen mit farbigem Stecknadelkopf verzeichnet sind. Ein Mausklick bringt die gewünschten Details – die manchmal etwas absurd wirken. Sucht man nach Movima, einer Sprache, die im bolivianischen Amazonagebiet gesprochen wird, spuckt die Datenbank bei Sprecherzahl "1452" auf. Solche Zahlen sind zwar exakt, sind aber nur eine Momentaufnahme.

Christine Ahwon aus Amanbidji im Norden Australiens hilft bei der Übersetzung von Ngarinyman-Aufnahmen
Muttersprachler wie hier in Australien können den Linguisten dabei helfen, Aufnahmen und Dokumente zu übersetzenBild: Eva Friederike Schultze-Berndt

Linguistisches Mammut-Projekt

Grundlage für die Datenbank ist die dritte Auflage des "UNESCO Atlas of the World’s Languages in Danger" in Buchform. Anlässlich des 10. Internationalen Tags der Muttersprache am 21. Februar wurde er von der UNESCO in Paris vorgestellt. Der Atlas soll – wie auch schon seine Vorgänger in den Jahren 1996 und 2001 – darüber aufklären, warum Sprachen und Dialekte verschwinden, welche Regionen der Welt besonders betroffen sind und was zum Spracherhalt getan werden kann. Herausgegeben wurde dieses Mammut-Projekt vom australischen Linguisten Christopher Moseley.

Bedrohte Sprachen Arikapú Rio Branco Reservat, Rondônia, Brasilien
Nazaré und Mamoa Arikapú - die zwei letzten Sprecher der Arikapú-Sprache im Rio Branco Reservat in BrasilienBild: Hein van der Voort

Tradition verliert sich

"In den vergangenen drei Generationen sind bereits 200 Sprachen ausgestorben", sagt Moseley. 2008 etwa verschwand die aus Alaska stammende Sprache Eyak mit dem Tod der letzten Sprecherin Marie Smith Jones. Die häufigsten Gründe für das Aussterben von Sprachen sind Krieg und Vertreibung. Aber auch Einwanderer, die mit ihren Kindern nur noch die Sprache der neuen Heimat sprechen, um ihnen die Integration zu erleichtern, tragen zum Verschwinden bei. Sobald die Eltern ihre Muttersprache nicht mehr an ihre Kinder weitergeben, wird es kritisch.

Bedrohte Sprachen Beaver Sprecher Dominic Habitant
Dominique Habitant ist einer der noch etwa 150 Menschen in British Columbia und Alberta, die die Sprache Beaver beherrschenBild: Gabriele Müller

Multimedialer Hunger

Die UNESCO-Datenbank weckt Neugier, man will wissen, wie Movima, Arikapú oder Beaver klingen. Nach Multimediadaten muss man allerdings woanders suchen. Zum Beispiel auf der Seite des Projekts "Dokumentation bedrohter Sprachen" (DoBeS), die vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen gepflegt und von der VolkswagenStiftung finanziert wird. Hier stehen Videos, Audios und Fotos zu etwa 30 Projekten weltweit. Entstanden sind sie auf Feldforschungsreisen zu Menschen wie dem Geschichtenerzähler Dominique Habitant, der noch die Indianersprache Beaver spricht.