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Interview mit Jo Leinen, Europaparlamentarier

19. Februar 2009

Die Abgeordneten des tschechischen Parlaments haben am Mittwoch (18.02.2009) in Prag dem EU-Reformvertrag zugestimmt. Jetzt muss noch der Senat zustimmen. Im Interview ist der Europaabgeordnete Jo Leinen.

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Quelle: Photo Thierry Monasse +++(c) dpa - Report+++
Jo Leinen, Sozialdemokratischer Europa-AbgeordneterBild: picture-alliance / dpa
DW : Sind Sie erleichtert über die Zustimmung des tschechischen Parlaments?

Jo Leinen : Ja sicher. Tschechien hat die Präsidentschaft der EU und es ist kein gutes Aushängeschild, dass ausgerechnet dieses Land sich noch nicht über den Reformvertrag geäußert hatte. Wir haben da lange darauf gewartet. Am Mittwochmorgen (18.02.2009) war es dann soweit und ich glaube, alle sind erleichtert, dass im Parlament, in der ersten Kammer, jetzt ein „Ja“ zum Lissabon-Vertrag vorhanden ist.


DW: Irland hatte den Vertrag in einem Referendum schon abgelehnt – und ausgerechnet die Tschechen sollen jetzt mit den Iren eine neue Lösung aushandeln. Wie erfolgreich kann das überhaupt sein?

Jo Leinen :Wir hatten in der Tat kritisiert, dass das Land, was selbst noch gar keine Ratifizierung durchgeführt hat, einem anderen Land sagen soll, wie es die Ratifizierung unter Dach und Fach bringt. Das ist ein Mangel an Glaubwürdigkeit und mit der Abstimmung kann man jetzt mehr Zuversicht haben, dass Premierminister Topolanek, der EU-Ratspräsident ist, diesen Vertrag wirklich will und sich mit allen Kräften dafür einsetzt, dass er in diesem Jahr auch wirklich kommt.

DW: Irland hat aber schon Bedingungen gestellt, es will zum Beispiel einen eigenen Kommissar. Wird damit nicht die Reformidee verwässert?

Jo Leinen :Wir zahlen einen hohen Preis an Irland. Die Reform der Kommission ist damit mehr oder minder kaputt, denn es war ja vorgesehen, weniger Kommissionsmitglieder als Mitgliedsländer zu haben - insbesondere mit Blick auf die künftigen Erweiterungen der Länder Ex-Jugoslawiens, die ja noch anstehen. Und wenn man sieht, dass auch Island EU-Mitglied werden will, kann man sich vorstellen, dass die EU in einigen Jahren mehr als 30 Mitglieder haben wird und 30 Kommissare, das ist ja schon ein ganzer Bus voll. Das ist jetzt leider geplatzt, aber der Reformvertrag hat so viel Gutes und Neues, dass er es trotzdem wert ist, jetzt auch umgesetzt zu werden.

DW: Irland plant ein neues Referendum im Herbst. Was bedeutet das im Hinblick auf die Europawahlen im Frühjahr?

Jo Leinen: Wir würden uns wünschen, dass die irische Regierung, auch angesichts der Finanzkrise und den doch schweren Folgen für alle europäischen Länder, noch vor den Europawahlen Klarheit über diesen neuen EU-Vertrag schafft. Die Opposition in Irland hat sich auch in den letzten Tagen zu Wort gemeldet. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir das Referendum doch noch vor der Sommerpause bekommen. Wir wüssten dann, wo wir dran sind, und die Bürger wüssten, wo es lang geht. Der Herbst hat überhaupt keine Vorteile, er hat nur Nachteile. Von daher habe ich noch immer die Hoffnung, es kommt vielleicht noch vor den Europawahlen.

DW: Am Donnerstag (19.02.2009) spricht der tschechische Präsident Vaclav Klaus vor dem Europaparlament. Welche Erwartungen haben Sie an diese Rede?

Jo Leinen: Ehrlich gesagt keine großen Erwartungen, weil wir die Meinung von Herrn Klaus kennen. Nachdem aber sein Parlament mit drei Fünftel der Abgeordneten „Ja“ gesagt hat, ist jede kritische Anmerkung und ein „Nein“ des Präsidenten auch nicht mit großer Legitimation behaftet. Ich glaube, die Rede hat durch das „Ja“ im tschechischen Parlament die Hälfte ihres Wertes verloren, soweit er sich gegen die EU ausspricht.