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Gewalt auf Guadeloupe

18. Februar 2009

Die zweite Nacht in Folge ist es auf der französischen Karibikinsel Guadeloupe zu Krawallen gekommen. Ein Gewerkschafter wurde von bewaffneten Jugendbanden erschossen. Frankreich befürchtet einen Flächenbrand.

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Polizisten hinter einer brennenden Barrikade (Foto: dpa)
Mit Straßenbarrikaden versuchten die Demonstranten, die Zugangswege zu blockierenBild: picture-alliance/ dpa
Festnahmen bei gewaltsamen Demonstrationen auf Guadeloupe (Foto: dpa)
Polizisten versuchen, der Lage auf Guadeloupe Herr zu werdenBild: picture-alliance / dpa

Der seit vier Wochen andauernde Generalstreik auf der französischen Karibikinsel Guadeloupe ist in Gewalt umgeschlagen. In der Nacht zum Mittwoch (18.02.2009) kam es bereits die zweite Nacht in Folge zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei. Nach Behördenangaben sind bei Schießereien ein Mann getötet und sechs Polizisten verletzt worden. Der Mann, der als Gewerkschafter zuvor an einer Kundgebung teilgenommen hatte, wurde an einer Straßensperre in der Hauptstadt Pointe-à-Pitre von bewaffneten Jugendbanden erschossen, wie der Krisenstab der Präfektur mitteilte. Mehrere Geschäfte wurden von Randalierern geplündert und in Brand gesetzt. Rund 50 Personen wurden bisher festgenommen.

Am Dienstag waren die Proteste in Pointe-à-Pitre, der Hauptstadt der Antilleninsel, erstmals eskaliert. Demonstranten errichteten Barrikaden, steckten Autos in Brand und feuerten Schüsse auf Sicherheitskräfte ab. Außerdem wurden mehrere Geschäfte geplündert und Schaufenster eingeworfen. Die Polizei ging mit Tränengas gegen die Randalierer vor.

Demonstranten fordern mehr Lohn

Randalierer greifen die Polizei mit Wurfgeschossen an (Foto: dpa)
Randalierer liefern sich Straßenschlachten mit der PolizeiBild: picture-alliance / dpa

Der Zorn der Menschen richtet sich vor allem gegen die hohen Lebenshaltungskosten auf der Insel. Die Preise für Lebensmittel oder Benzin sind zum Teil wesentlich höher als in Frankreich. Die Gewerkschaften machen dafür die Geschäftsleute und Unternehmen verantwortlich. Ein Teil der Demonstranten kritisiert zudem die Machtverteilung. Unter den Arbeitgebern sind viele Nachkommen früherer Sklavenhändler oder Einwanderer vom französischen Festland. Die schwarze Mehrheit auf Guadeloupe lebe noch immer wie zu Zeiten der Sklaverei, kritisierte etwa der Gewerkschaftsführer Elie Domota in einem Zeitungsinterview.

Eine Gruppe von rund 50 Gewerkschaften und Vereinigungen verlangt unter anderem 200 Euro pro Monat mehr für Geringverdiener. Die Arbeitgeber wollen ihrerseits eine geringerere Steuer für ihre Firmen, um dies bezahlen zu können. Die Dachorganisation "Kollektiv gegen die Ausbeutung" (LKP), die den Generalstreik in dem französischen Überseegebiet anführt, hatte am Montagabend zu stärkeren Protesten aufgerufen. Der Druck müsse erhöht werden, bis die Forderungen erfüllt seien. Unterdessen hat sich aber auch eine Gegenbewegung auf Guadeloupe gebildet, die den Generalstreik ablehnt.

Sarkozy befürchtet Flächenbrand

Karte Guadeloupe, Dominica und Martinique (Quelle: DW)

Paris verweigerte bislang eine finanzielle Unterstützung. Der Staatssekretär für die Überseegebiete, Yves Jégo, setzt weiter auf Verhandlungen unter den Sozialpartnern. Wegen des bisher fehlgeschlagenen Krisenmanagements wurde Jégo von Staatspräsident Nicolas Sarkozy gerügt. Sarkozy lud die führenden Vertreter der französischen Überseegebiete für Donnerstag in Paris zu Gesprächen ein, um den "Stand der Dinge" zu klären. Bereits Ende vergangener Woche hatte er angekündigt, er werde einen ministerienübergreifenden Rat einsetzen, der sich mit der Überseepolitik befassen soll.

Nach Informationen der Zeitung "Libération" hat die französische Regierung zusätzliche Polizei-Einheiten nach Guadeloupe verlegen lassen. Sarkozy befürchtet einen Flächenbrand. Mittlerweile hat sich die Protestbewegung auf die Schwesterinsel Martinique ausgeweitet. Und auch im Übersee-Département Réunion im Indischen Ozean riefen die Gewerkschaften zum Generalstreik auf. Die Sozialisten in Paris warnten, es könne auch auf dem Festland zu Demonstrationen kommen.

In Guadeloupe und auf der Nachbarinsel Martinique ist das öffentliche Leben praktisch lahmgelegt. Schulen, Geschäfte, Banken, Ämter und Tankstellen bleiben größtenteils geschlossen. Auch die Müllabfuhr hat ihre Arbeit eingestellt. Wegen der angespannten Lage haben rund 10.000 Touristen ihre Urlaubsbuchungen auf beiden Inseln storniert. Der Hotelverband bezeichnete den Verlust der Reisebranche als katastrophal. Die Karibikinseln sind gerade während der derzeitigen Winterferien ein beliebtes Urlaubsziel der Franzosen. (kis)