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Verbände und Opposition kritisieren Familienreport

17. Februar 2009

Die Geburtenrate in Deutschland ist nach dem Familienreport der Bundesregierung leicht gestiegen. Von einem Baby-Boom kann jedoch keine Rede sein. In anderen Ländern der EU kommen deutlich mehr Kinder zur Welt.

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Kinder in Kostümen von oben
Die durchschnittliche Kinderzahl je Frau liegt bei 1,37Bild: AP

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hält den weiteren Ausbau der staatlichen Familienförderung in Zeiten der Wirtschaftskrise für unverzichtbar. Wenn die Politik jetzt weiter Kurs halte, werde die Krise sich nicht so stark auf die Geburtenentwicklung auswirken, wie dies von vielen befürchtet werde, sagte sie am Montag (16.02.2009) bei der Vorstellung des Familienreports 2009 in Berlin.

Von der Leyen im Profil
Bundesfamilienministerin Ursula von der LeyenBild: AP

Die CDU-Politikerin vermerkte einige positive Trends der vergangenen Jahre. So schätzt das Statistische Bundesamt die Gesamtzahl der Geburten 2008 auf bis zu 690.000. Das wären rund 5000 mehr als 2007, als es bereits einen Zuwachs um 12.000 gegeben hatte. Die Geburtenquote habe sich seit 2004 immerhin von 1,33 auf 1,37 Kinder je Frau erhöht. Von der Leyen schrieb dies auch ihrer Familienpolitik zu, unter anderem dem 2007 eingeführten Elterngeld.

Mehr Sterbefälle als Geburten

Der Familienforscher Hans Bertram verwies bei der Vorstellung des Berichts darauf, dass in skandinavischen Staaten wie Schweden und Norwegen, die bereits in den 70er Jahren ihre Familienpolitik massiv umgestellt hätten, auf eine Frau 1,8 Geburten kommen. In Frankreich, das in der EU bei der Familienförderung derzeit als Musterland gilt, liegt die Geburtenrate sogar bei 1,9. Bevölkerungswissenschaftler halten nach Bertrams Angaben Werte von 1,6 bis 2,1 Kindern pro Frau für nötig, um den Verlust durch Sterbefälle auszugleichen. Wann solche Werte in Deutschland erreicht werden könnten, sei nicht vorherzusagen, sagte Bertram.

"Wahlkampfgeklingel"

Familienverbände und die Opposition haben den Familienreport als oberflächlich und geschönt kritisiert. Der Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt und das Zukunftsforum Familie sprachen von "Wahlkampfgeklingel", das an den konkreten Problemen der Familienpolitik vorbeigehe. Sie verwiesen auf drei Millionen Kinder in Armut und alljährlich 80.000 Jugendliche, die ohne Schulabschluss blieben.

Der Familienbund der Katholiken führte den im Report verzeichneten Geburtenanstieg auf die geburtenstarken Jahrgänge der 60er Jahre zurück. Er widersprach damit der Einschätzung von der Leyens, die dies auf die Familienpolitik der Koalition zurückführte.

Fünf Babies (AP)
Babies auf einer SäuglingsstationBild: dpa

Die FDP-Familienexpertin Ina Lenke nannte die familienpolitische Bilanz ernüchternd. Sie verlangte stärkere finanzielle Entlastungen für Familien. Die Steuergesetze müssten so geändert werden, dass etwa Gehaltserhöhungen erwerbstätiger Eltern nicht durch steigende Steuersätze geschmälert würden. Der einmalige Kinderbonus von 100 Euro pro Kind im Konjunkturprogramm II falle bei vielen Eltern bei der Einkommenssteuererklärung 2009 wieder an den Staat zurück, monierte die FDP-Politikerin.

Die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Ekin Deligöz, warnte vor einer einseitigen Sichtweise. "Frau von der Leyen konzentriert sich vor allem auf die, die eigentlich auf der Sonnenseite des Lebens stehen", sagte Deligöz im Norddeutschen Rundfunk. Stattdessen müsse die Familienministerin verstärkt Kinder aus Migrantenfamilien und einkommensschwachen Haushalten fördern. Es reiche bereits, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel effektiver ausgegeben würden. Als Beispiele nannte Deligöz eine Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder und Jugendliche sowie eine bessere Unterstützung von Alleinerziehenden.

Unvereinbarkeit von Familie und Beruf

Rund 40 Prozent der alleinerziehenden Eltern in Deutschland leben laut dem Familienreport von Hartz IV. Dies sind etwa 660.000 Mütter oder Väter mit rund einer Million Kindern. Von der Leyen sagte, bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Alleinerziehende gebe es noch erheblichen Handlungsbedarf. Bei einer Befragung gaben 43 Prozent von ihnen an, dass sie für eine Arbeitsaufnahme Kinderbetreuung benötigten - aber nur drei Prozent hätten bei der Jobsuche entsprechende Betreuungsangebote erhalten. Das Ministerium habe deshalb mit der Bundesagentur für Arbeit sowie dem Bundesarbeitsministerium ein Hilfsprojekt gestartet. (mas)