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Russland Gas

Das Gespräch führte Wladimir Sergejew12. Februar 2009

Leonid Grigorjew leitet das russische Institut für Energetik und Finanzen. Er ist überzeugt, Russland braucht die Gaskunden in Europa. Umleitungen nach Asien seien teuer und unnötig.

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Leonid GrigorjewBild: DW

DW-RADIO/Russisch: Herr Grigorjew, während des russisch-ukrainischen Gasstreits konnte kein russische Gas mehr durch ukrainische Pipelines nach Westen fließen. Dies hatte den Förderstopp an mehreren russischen Gasfeldern zur Folge. Hätte Russland das Gas nicht einfach Richtung Osten exportieren können?

Leonid Grigorjew: Russland liefert fast 100 Prozent seines Gases nach Europa. Aber Russland baut auch den Export nach Fernost aus. So wird am 18. Februar das erste Flüssiggas aus Sachalin nach Japan geliefert. Das ist neues Gas aus dem neuen Kowyktinsk-Feld. Das liegt im Gebiet Irkutsk, das von Europa und den USA etwa gleich weit entfernt ist. Es ist also sehr weit weg von Europa und viel näher an Japan. Die Felder wird man früher oder später erschließen. Das Gas wird man über eine Pipeline nach China oder an das Ufer des Stillen Ozeans transportieren.

Ist es realistisch, dass Russland für Europa bestimmtes Exportgas einfach nach Asien umleiten kann?

Dies wurde in Zeitungen berichtet, aber in Wirklichkeit hat niemand eine Umleitung von Europa nach Asien ernsthaft in Betracht gezogen. Das wäre sehr teuer und absolut unnötig. Das macht keinen Sinn. Europa war immer die Hauptrichtung. Wir haben es dort mit großen Mengen und den besten Preisen zu tun. Hinzu kommt, dass Russland durch sein Territorium große Mengen zentralasiatischen Gases durchleitet. Eigentlich fließt das gesamte zentralasiatische Gas nach Europa, wenn man die Ukraine und Belarus dabei einbezieht. Erst in naher Zukunft werden Kasachstan und Turkmenistan Lieferungen nach China aufnehmen. Die Verträge sind geschlossen und die Pipelines nach Osten werden gebaut. Aus Russland fließt bislang fast das gesamte Gas nach Europa.

Deutschland hängt zu 30 bis 40 Prozent von russischen Gaslieferungen ab. Wenn nun Russland – wie Sie sagen – praktisch zu 100 Prozent von Lieferungen nach Europa abhängig ist, dann ist die Abhängigkeit auf russischer Seite größer?

Absolut. In Europa werden einige amerikanische, europäische und russische Vertreter zitiert, die von einer Abhängigkeit von Russland sprechen. In Russland sagen manche auch: Ihr hängt von uns ab! Aber in Wirklichkeit diskutiert niemand in Russland irgendeine Abhängigkeit. Man ist sich bewusst, dass man Gas verkaufen und die Einnahmen in den Aufbau der Wirtschaft investieren muss.

Experten, die der russischen Staatsmacht kritisch gegenüber stehen, erklären: Die Gaswirtschaft in Russland sei in den vergangenen zehn Jahren vernachlässigt worden, was zu Lieferengpässen bei Gasprom führen könnte.

Bis zum Jahr 2004 führten die niedrigen Inlandstarife und die vergleichsweise niedrigen Gaspreise auf dem Weltmarkt dazu, dass Gasprom über geringe finanzielle Ressourcen verfügte, abgesehen davon, dass sich so mancher auch noch etwas in die eigene Tasche steckte. Deswegen waren die Investitionen in jener Zeit gering. Heute nehmen sie stark zu. Gas gab es immer genug und gibt es auch genug. Es liegen offizielle Statistiken dazu vor. Russland stützte sich bisher auf sozusagen sowjetisches Gas. Es gibt heute gewaltige Schwierigkeiten bei der Erschließung neuer Gasvorkommen, man muss investieren und unabhängige Untenehmen hinzuziehen. In Russland werden bereits mehr als 100 Milliarden Kubikmeter nicht von Gasprom gefördert, sondern von anderen Unternehmen.

Kann Europa die Abhängigkeit von russischem Gas überwinden?

Das ist teuer und eigentlich absurd, wenn man normale Beziehungen zu Russland unterhält. Es werden Gaspipelines aus Nigeria gebaut, man verhandelt über die Nabucco-Pipeline aus Zentralasien. Aber so schnell wird man die Ströme des Gases nicht ändern können.