1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kulturkampf im Klassenzimmer

Constanze Kretzschmar11. Februar 2009

Evolution oder Schöpfung – in amerikanischen Schulen ist diese Frage noch nicht entschieden. Evangelikale Christen versuchen auch 200 Jahre nach Charles Darwins Geburt seine Theorien aus dem Biounterricht zu verdrängen.

https://p.dw.com/p/GrQR
Charles Darwin - der Begründer der EvolutionstherieBild: AP Graphics

Wenn Biologielehrer in den USA Charles Darwins Theorie über die Ursprünge des Lebens unterrichten wollen, müssen sie bis ins kleinste Detail vorbereitet sein. Denn Schüler kommen inzwischen mit komplizierten Fragen in den Unterricht, die in Internetforen verbreitet werden. Zusammengestellt hat sie ein Wissenschaftler, der die Ursprünge des Lebens in der Schöpfungslehre verortet und den Evolutionsunterricht in Frage stellen will. Das heißt – falls dieser Unterricht überhaupt stattfindet. „Ein sehr großer Anteil der Biologielehrer gibt in Umfragen zu, die Evolutionslehre nur kurz oder gar nicht zu behandeln, obwohl sie ein Grundpfeiler der modernen Wissenschaft ist“, sagt Barry Lynn von „Americans United for Separation of Church and State“, einer Organisation für die Trennung von Kirche und Staat. „Knapp die Hälfte der Amerikaner weigert sich, die Beweise für die Evolution anzuerkennen – und die Lehrer wissen, dass sie ihr Umfeld gegen sich aufbringen, wenn sie die Evolution lehren.“

Dabei ist die Rechtslage klar: Amerikanische Gerichte urteilen immer wieder zu Gunsten von Darwins Lehren. So zwang ein Gericht in Dover (Pennsylvania) 2005 die örtliche Schulbehörde, einen Hinweis aus dem Lehrplan zu entfernen, nach dem die Evolutionslehre kontrovers sei und auch Intelligent Design gelehrt werden sollte. Und an Intelligent Design glauben immerhin 84 Prozent der Amerikaner. Eine Anhängerin, Wendy Wright, beschreibt es so: „Ich glaube, dass ein Schöpfer alles Leben geschaffen hat.“ Wright ist die Vorsitzende von „Concerned Women for America“, einer Bürgerrechtsgruppe konservativer Frauen. Sie ist davon überzeugt, dass es für Intelligent Design wissenschaftliche Beweise gibt, „zum Beispiel, dass das Leben ja von irgendetwas anderem gekommen sein muss.“ Schon das zeige, dass jemand oder etwas dieses Leben geschaffen haben müsse.

Amerikaner nehmen Religion ernster

Portrait Barry Lynn
Barry Lynn, Vorsitzender der US-Organisation Americans United for Separation of Church and State: "Die Evolutionslehre ist ein Grundpfeiler der modernen Wissenschaft."Bild: privat

Entsprechend hält Wright einen Biologieunterricht, in dem nur die Darwinsche Evolutionstheorie gelehrt wird, für falsch – auch wenn Intelligent Design die Evolutionslehre eigentlich nicht ausschließt. Schließlich könnte auch ein Schöpfer die Entwicklung des Lebens in Gang gesetzt haben. Doch selbst das bezweifelt immerhin die Hälfte der Amerikaner. Sie sind Kreationisten und nehmen die Bibel wörtlich – sie glauben also, dass die Welt vor höchstens 10.000 Jahren von Gott geschaffen wurde und dass es keine Evolution gegeben hat.

Die Amerikaner nähmen Religion ernster als Bürger anderer Staaten, erklärt Michael Ruse. Der Philosophieprofessor an der Florida State University hat ein Buch über den Konflikt zwischen Evolutionisten und Kreationisten in den USA geschrieben. „Dies ist eine Debatte zwischen zwei Kulturen“, sagt er, „die in den USA in den letzten zehn bis zwanzig Jahren verstärkt ausgetragen wird.“ Sie tobe zwischen republikanisch orientierten, konservativen evangelikalen Christen im ländlichen Süden und Westen und der moderneren, der Naturwissenschaft gegenüber offen eingestellten Bevölkerung an Ost- und Westküste.

In der Geschichte verankert

Seine Wurzeln habe der Konflikt in der Zeit nach dem amerikanischen Bürgerkrieg in den 1860er Jahren. Damals besiegte der Norden den Süden und die Sklaverei wurde in den gesamten USA verboten. Doch auch nach der Niederlage behielten die Menschen im Süden ihre früheren Wertvorstellungen bei – mit Hilfe des sich nun verbreitenden evangelikalen Christentums. „Diese Christen nahmen die Bibel wörtlich – womit man etwa die Unterdrückung von Schwarzen legitimieren kann“, sagt Michael Ruse. „Die Evolutionslehre wurde für sie zum Symbol für all das, was sie ablehnten.“

Zudem habe es in den vergangenen Jahrzehnten in den USA einen viel geringeren Bedarf an kulturellem Wandel gegeben als etwa in europäischen Ländern. So musste sich Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg neu erfinden. Auch Großbritannien musste nach der Aufgabe der Kolonien ein neues Selbstbild entwickeln. Amerika hingegen sei in der Lage gewesen, sich zu isolieren, sagt Ruse: „Als größtes und mächtigstes Land hat es sich vom Rest der Welt abgetrennt.“

Keine Unterstützung von den Schulbehörden

BdT deutsch 28.05.2007 Kreationisten Museum öffnet in den USA
Kreationisten-Museum in den USA: "Der Schöpfer hat alles Leben geschaffen."Bild: Answers in Genesis (Creation Museum)

Die konservative Politik des Ex-Präsidenten George W. Bush habe den Konflikt in den vergangenen Jahren zusätzlich geschürt, meint Ruse. Bush hatte etwa direkt nach seinem Amtsantritt die Stammzellforschung gestoppt und Gelder für Regierungsprogramme eingefroren, die in der Dritten Welt über Empfängnisverhütung aufklären sollten. „Er hat polarisiert“, erklärt Ruse. „Bush hat sich der konservativen Ecke angebiedert.“

Die US-Biologielehrer stehen vor einem weiteren Problem: Die Schulbehörden unterstützten sie oft nur wenig, beklagt Kreationismus-Kritiker Barry Lynn. Denn häufig seien die Mitglieder dieser lokalen Behörden selbst Anhänger von Intelligent Design oder der Schöpfungslehre. „In vielen Staaten wollen sich die Schulbehörden nicht für einen qualitativ hochwertigen Biologieunterricht einsetzen, wenn das bedeutet, dass sie die Evolutionslehre unterstützen müssen“, sagt Lynn.

So auch in Texas: Im März stimmt dort ein Gremium des Schulministeriums über einen Antrag ab, ob Biologielehrer die naturwissenschaftliche Evolutionstheorie kontrovers nennen müssen. Bisher haben sich sieben der 15 Mitglieder des Gremiums für den Darwin-kritischen Antrag ausgesprochen. Die Entscheidung des Gremiums könnte Konsequenzen für die gesamten USA haben, weil Schulbuchverlage in den USA sich an den Richtlinien der größten Bundesstaaten orientieren, zu denen Texas gehört.

Für Biologielehrer allerdings würde es noch schwerer, ihren Schülern die Evolutionslehre näher zu bringen, wenn die Zweifel an Darwins Theorie schwarz auf weiß in den Schulbüchern stünden.