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Rettungsschirm

6. Februar 2009

Großer Popularität erfreut sich momentan das Wort Rettungsschirm. Gemeint sind damit die Maßnahmen, mit denen uns die Regierung vor den Auswirkungen der internationalen Krise schützen will.

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Der Schriftsteller Burkhard SpinnenBild: privat

Nun ist es ganz natürlich und auch sinnvoll, wenn sich für ein komplexes Gebilde politischer Maßnahmen rasch eine Metapher oder vielleicht sogar ein Markenname einbürgert. Man hat dann alles in einem Wort. Man spart viele Relativsätze und damit eine Menge Zeit. Mit anderen Worten: Ich habe nichts gegen "Rettungsschirm". Aber ich frage mich: Warum so und nicht anders? Andere Metaphern hätten zur Verfügung gestanden. Warum zum Beispiel nicht "Hilfspaket" oder "Krisenwall"? Nun, die Antwort liegt nicht fern: Offenbar ist die Vorstellung von einem Absturz der Wirtschaft aus großer Höhe und ihrem tödlichen Aufschlag am Boden so stark, dass sich als eine Art Heilsbild jenes vom Fallschirm aufdrängte, mit dem man den Sturz abfedern und sein Leben retten kann.

Die richtige Metapher?

Doch stimmt die Metapher eigentlich? Steht die Sache so schlimm, dass wir bereits damit zufrieden sind, das nackte Leben zu retten? Das kann doch nicht sein. Dauernd höre ich, wir sollen gestärkt aus der Krise hervorgehen. Und ist denn einer gestärkt, wenn er auf dem Acker neben seinem Rettungsschirm sitzt, während sein Vogel in die Bäume knallt? Da stimmt doch was nicht.

BdT Deutschland Wetter Regen in Frankfurt Regenschirm
Ein Rettungsschirm?Bild: AP

Und mir scheint, auch die meisten Benutzer des Wortes "Rettungsschirm" wollen das anders sehen. Denn immer wieder höre ich, man wolle sich unter den Rettungsschirm flüchten. Womit ein ganz anderer Schirm gemeint ist, kein Fallschirm, an dem man zu Boden gleitet, sondern eine Art Regenschirm, der einen vor dem Unwetter schützen soll. Und diese Metapher würde ja auch besser funktionieren, denn nach dem Regen klappt man den Schirm einfach zu und ist darunter der Alte geblieben.

Modewort umgeschneidert

Wir haben es hier also mit einem Modewort zu tun, das die Kundschaft zwar gekauft, sich aber leicht verändert auf den Leib geschneidert hat. Das zeugt von allgemeiner Spracharbeit. Bravo! Doch leider muss ich sagen: Ganz glücklich bin ich mit dieser Änderungsschneiderei nicht. Denn der neue "Rettungsschirm" macht aus der Krise ein Naturereignis – und das ist sie nicht. Menschen wie du und ich haben schwere Fehler gemacht. Die Lawine hat sich nicht einfach gelöst, sie ist losgetreten worden. Und das sollten wir nicht vergessen oder in einem Schlagwort verdrängen.

Burkhard Spinnen, geboren 1956 in Mönchengladbach, lebt in Münster. Er schreibt Romane, Kurzgeschichten, Glossen und Jugendbücher. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet. Spinnen ist Vorsitzender der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises.