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"Das Problem weitet sich aus"

Das Interview führte Klaus Jansen2. Februar 2009

Papst Benedikts Entscheidung, den Holocaust-Leugner Richard Williamson wieder in die Kirche aufzunehmen, hatte für heftige Kritik und Proteste gesorgt. Pfarrer Lutz Nehk erklärt im Interview, wie es dazu kam.

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Papst Benedikt XVI. besucht Wallfahrtsort Mariazell im September 2007 (dpa)
Papst nun in der Kritik: Viele halten die Entscheidung des Papstes für fragwürdig (dpa)Bild: picture-alliance/ dpa

DW-WORLD.DE: Wie groß ist das Problem für die katholische Kirche?

Lutz Nehk: Das Problem ist sehr groß und es weitet sich offensichtlich auch immer mehr aus. Es kommen immer mehr Stellungnahmen dazu. Aber gleichzeitig wird auch deutlich, worum es letztendlich geht. Einmal um die Frage: Wie wird sich das Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum entwickeln? Und die andere Frage ist: Wie kam es überhaupt dazu, dass so ein Zusammenhang zwischen der Aufhebung der Exkommunikation und der Holocaust-Leugnung durch Bischof Williamson zusammengekommen ist.

Wie ist das Handeln des Papstes überhaupt zu erklären? Warum hat er so gehandelt?

Er hat deswegen so gehandelt, weil er von der Holocaust-Leugnung überhaupt keine Information hatte.

Der britische Bischof Richard Williamson steht auf dem Rhein/Main-Flughafen in Frankfurt (Archivfoto vom 28.02.2007)
Der britische Bischof Richard Williamson (Archivfoto/ dpa)

Wie professionell ist denn diese zuständige Abteilung im Vatikan überhaupt, wenn es darum geht?

Diese Abteilung hätte prüfen müssen, wie die Kandidaten sich öffentlich äußern. Und da ist die Frage: Hätte man bei Bischof Williamson darauf kommen können, dass er schon mehrfach den Völkermord an den Juden geleugnet hat – und das ist offensichtlich der Fall.

Der Hamburger Erzbischof Thissen spricht da von Schlamperei in Bezug darauf, wie dieser Kommunikationsweg im Vatikan vorangeschritten ist. Würden Sie sich dem anschließen?

Schlamperei, ja – das kann der Erzbischof so sagen. Es gibt vielfach Kritik an den Verfahren, besonders dass man sagt: Man hätte besser über die Kandidaten recherchieren müssen. Das wird allgemein gerügt, dass Rom wahrscheinlich über bestimmte Sachen hinweggegangen ist.

Jetzt gibt es schon einige Bischöfe, die sich vom Handeln des Papstes distanziert haben, die gesagt haben, diesen Schritt hätten sie nicht gemacht. Ist dadurch die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche oder des Papstes ein bisschen zerstört?

Der Papst hat immer deutlich gemacht, dass es ihm darum geht, Kirchenspaltungen zu überwinden. Das hat er mit diesem Schritt auch tun wollen und angefangen zu tun. Er hat dabei allerdings nicht diesen Hintergrund beachtet und die Empfindlichkeit, die in der Kirche darüber herrscht. Die Äußerungen der Bischöfe und anderer zeigen, wie sensibel dieses Thema der Wiederaufnahme von den Lefèvre-Bischöfen in die Kirche ist. Vielleicht war die Zeit noch nicht reif dafür.

Wenn jetzt so erzkonservative Kreise wieder in die katholische Kirche aufgenommen werden, kann man sich die Frage stellen: Wohin geht die Reise? Weg von der Moderne, hin zur Tradition und zu erzkonservativen Werten in der katholischen Kirche?

Sie haben insofern Recht, dass in äußeren Erscheinungsformen, die wir zurzeit beobachten, doch mehr der Trend zum Traditionellen ist. Aber: Es gibt immer solche Bewegungen hin und her zwischen Tradition und Fortschritt. Mal schlägt das Pendel zur einen Seite aus und mal zur anderen. Da hat man wieder von den modernen Sachen die Nase voll und dann kommt das Konservative – und dann hat man davon die Nase voll und es geht wieder in die andere Richtung. Da muss man vielleicht in größeren Zyklen denken.

Wie groß ist denn schließlich das Problem des Antisemitismus in der katholischen Kirche? Der römische Oberrabbiner Riccardo Di Segni hat erzählt, es sei kein Einzelfall, was hier jetzt ans Tageslicht gekommen sei. Wie schätzen Sie das ein?

Kardinal Lehmann hat ja selbst davon gesprochen, dass es einen gewissen antisemitischen Bodensatz in der Kirche gibt und benennt damit sicherlich auch ein Problem, wo man sagen muss: Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, alles, was fremd ist, wirkt für viele Gläubige sehr bedrohlich und deshalb sind sie dagegen. Er weist aber auch darauf hin, dass es in der Kirche eigentlich gar keinen anderen Weg als den der Versöhnung zwischen den Kulturen und Religionen gibt. Das heißt, es wird immer eine Aufgabe der Kirche bleiben, den Gläubigen das zu vermitteln zu machen und diesen Weg zu gehen.

Wird es denn jetzt irgendwelche Konsequenzen geben, wird es interne Untersuchungen geben oder Erhebungen, wer sich antisemitisch geäußert hat, damit es in Zukunft nicht mehr vorkommen kann?


Ich weiß nicht, ob es jetzt eine Untersuchung oder Arbeitsgruppe gibt, die sich damit beschäftigt. Aber auf jeden Fall macht das Problem deutlich, dass man auch in der katholischen Kirche sensibler mit solchen Themen umgeht. Und wichtig ist auch, dass man über das Ergebnis spricht: Welche Rolle spielt denn Antisemitismus in der Kirche? Welche Rolle spielen die Traditionen der Kirche? Welche Rolle spielen solche sehr konservativen Gruppen in der Kirche und wie gehen wir damit um?