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Eklat in Davos

Manfred Götzke30. Januar 2009

In Davos ist auch der Nahost-Konflikt Thema: Während Israels Präsident den Gaza-Krieg mit flammenden Worten verteidigt, geißelt der türkische Premier den Einsatz als Mord an Palästinensern und verlässt den Saal.

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Erdogan. Quelle: ap
Der türkische Premier Erdogan kritisiert Israel scharfBild: AP

In den diversen Diskussionsrunden auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos herrscht ein manchmal fast öder Konsens: Man ist sich einig über die Ursachen der Finanzkrise, über die Schuldigen, und weitgehend auch darüber, was nun zu tun wäre. Es war vorauszusehen, dass dies bei dieser Diskussion am Donnerstag (29.01.2009) nicht so laufen würde.

Israels Präsident Schimon Peres saß neben Amre Moussa, dem Generalsekretär der arabischen Liga, auf dem Podium, um über den Krieg in Gaza zu sprechen. Mit dabei auch der türkische Premier Erdogan, der an diesem Abend immer wieder hervorhob, zwischen Israel und den Palästinensern vermitteln zu wollen. Vierter in der Runde: UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der erst vor wenigen Tagen den Gaza-Streifen bereist hatte. Er sei erschüttert über die Situation dort: "Alle Schulen sind zerstört, Menschen haben Familienmitglieder und Freunde verloren. Ich bin mit der Erkenntnis nach Hause gekommen, dass man nun schnellstmöglich handeln muss", sagte Ban.

Ban fordert Öffnung der Grenzen

Ban Ki Moon. Quelle: ap
Ban Ki Moon fordert schnelle Hilfe für GazaBild: AP

Eine halbe Milliarde Euro müsse die Internationale Gemeinschaft bereitstellen, um die größte Not der Palästinenser zu lindern, so Ban. Damit die fragile Waffenruhe eine Chance hat, müssten allerdings so schnell wie möglich zwei Dinge geschehen: "Erstens müssen internationale Truppen nach Gaza, zweitens muss Israel alle Grenzen öffnen um den Wiederaufbau zu ermöglichen."

Die Öffnung der Grenzen zum Gazastreifen ist auch für den türkischen Premier die Grundvoraussetzung für einen dauerhaften Waffenstillstand. Die Blockade des schmalen Küstenstreifens durch Israel habe überhaupt erst zu der jüngsten Eskalation geführt, so Erdogan. Er erinnerte an den Juni 2008: Damals einigten sich Israel und Hamas auf einen Waffenstillstand, sechs Monate lang habe keine palästinensische Rakete israelischen Boden erreicht. In dieser Zeit sollten aber auch die Grenzen wieder geöffnet werden. Weil dies nicht geschah, argumentierte Erdogan, schoss Hamas wieder Raketen ab.

"Das war Mord"

Verletztes Kind in Gaza. Quelle: dpa
Tausende Zivilisten tot oder verletzt - die traurige Bilanz des Gaza-KriegesBild: picture-alliance / dpa

Israels Reaktion - den Gaza-Krieg - halte er für völlig unverhältnismäßig. Und das sagte Erdogan mit erstaunlich deutlichen Worten - für jemanden, der eigentlich Vermittler sein wollte: "Den Waffen, die von Israel eingesetzt wurden, stand auf palästinensischer Seite nichts entgegen. Hier geht es um Verbrechen gegen die Menschlichkeit, hier geht es wirklich um Mord."

Dennoch sei es trotz allem wichtig, die Verhandlungen über eine Zwei-Staaten-Lösung wieder aufzunehmen - allerdings mit allen palästinensischen Gruppierungen, forderte Erdogan. Israel müsse auch mit der Hamas verhandeln. Immerhin habe die Gruppierung demokratische Wahlen gewonnen, so Erdogan.

"Hamas ist eine Terror-Gruppe"

Peres (Archiv). Quelle: ap
Israels Präsident will nicht mit der Hamas verhandelnBild: AP

Eine Forderung, die Israels Präsident Peres strikt ablehnte. Für ihn sei Hamas keine demokratische gewählte Partei, sondern eine Terrorgruppe. Auch er blickte einige Monate zurück, um die Militäraktion verständlich zu machen. 5000 Raketen seien in den vergangenen vier Jahren auf Israel abgeschossen worden, sagte er und drehte sich zu seinem Sitznachbarn Erdogan. "Was würden Sie machen, wenn jede Nacht in Istanbul 100 Raketen einschlagen? Wir kämpfen für Frieden. Wir haben keine andere Wahl."

Erdogan verfolgte die Ausführungen von Peres mit versteinerter Miene. Schuld an den Raketenangriffen und an der Reaktion Israels trage allein die Hamas, fuhr Peres fort. Und das sehe nicht nur Israel so: "Wissen Sie, was der PLO-Generalsekretär vor drei Tagen geschrieben hat - und der kennt die Situation als Palästinenser mindestens so gut wie Sie: Hamas hat Schulen zu Kriegsschauplätzen gemacht. Hamas hat Fatah-Anhängern Lebensmittelhilfen verwehrt", sagte Peres mit lauter Stimme.

Auch in Nahost: Hoffen auf Obama

Nach Peres’ flammendem Plädoyer für den Gaza-Krieg wollte Erdogan reagieren. Doch der Moderator brach die Runde aus Zeitgründen ab. Der selbsternannte Vermittler aus der Türkei verließ daraufhin wutentbrannt den Konferenzsaal. Viele in Davos - auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon - hoffen nun, dass ein anderer die Friedensverhandlungen in den nächsten Wochen vorantreibt. Der Mann, von dem hier auch sonst viel erwartet wird: Barack Obama.