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Integration in Deutschland bleibt schwierig

26. Januar 2009

Laut einer Studie hat ein Drittel der türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland keinen Bildungsabschluss. Andere Einwanderergruppen sind wesentlich besser integriert. Arbeit und deutscher Pass scheinen zu helfen.

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Eine Frau mit Kopftuch hält das Dokument in der Hand: Endlich Deutsche - die Einbürgerungsurkunde machts möglich (Foto: dpa/Archiv)
Endlich Deutsche - die Einbürgerungsurkunde macht es möglichBild: picture-alliance/ ZB

Die Integration von Zuwanderern gestaltet sich in Deutschland weiterhin problematisch. Der am Montag (26.1.2009) vorgestellten Studie "Ungenutzte Potenziale" des Berlin-Instituts zufolge haben etwa 30 Prozent der türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland keinen Bildungsabschluss. Sie sei damit die am schlechtesten integrierte Einwanderergruppe in Deutschland, sagte Institutsdirektor Reiner Klingholz. "Erstaunlich gut" integriert sei demgegenüber die Gruppe der Aussiedler, darunter etwa Deutschstämmige aus Russland.

Manche finden ihre ökonomischen Nischen

Das Institut beobachte zudem, dass trotz eines niedrigen Bildungsstandards Zuwanderer aus Griechenland und Italien inzwischen "erfolgreich ökonomische Nischen" in Deutschland besetzten. Anders als die Mehrheit der Zugewanderten aus der Türkei oder dem ehemaligen Jugoslawien hätten Migranten aus fernöstlichen Ländern ihren Platz auf dem Arbeitsmarkt gefunden.

Alltag auf deutschen Straßen, zum Beispiel in Duisburg: mehrere muslimische Frauen mit Kopftüchern warten an einer Bushaltestelle (Foto: AP/Archiv)
Duisburg: Hier ist die Arbeitslosigkeit unter türkischstämmigen Migranten hochBild: AP

Der türkischstämmige Bevölkerungsteil mit deutschem Pass sei in der Bundesrepublik dabei wesentlich besser integriert als der ohne, sagte Klingholz weiter. "Der deutsche Pass erleichtert anscheinend die Eingliederung." Zudem sei der Bildungsstand der hier Geborenen besser als der der zugewanderten Eltern. Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kolat Kenat, verwies darauf, dass die türkischstämmige Bevölkerung vor allem als angeworbene Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sei. In die USA oder die Schweiz hingegen seien vor allem hoch qualifizierte Arbeitskräfte eingewandert.

Merkel: "Auf kein Talent verzichten"

Angesichts des schlechten Bildungs- und Integrationsniveaus der Türken in Deutschland hat Kanzlerin Angela Merkel vor voreiligen Schlüssen gewarnt. "Ich bitte alle, die vielleicht im ersten Atemzug wegen der harten Botschaft erschrocken waren, das ganze positiv zu wenden", sagte Merkel am Montag auf einem Integrations-Symposium in Berlin. Es werde viel getan. "Wir können auf kein einziges Talent in unserem Land verzichten", betonte die CDU-Politikerin. Integration sei "eine der Zukunftsfragen in der Bundesrepublik Deutschland", so die Bundeskanzlerin weiter.

Wie gut Menschen in Deutschland integriert seien, hänge massiv vom regionalen Angebot an Arbeitsplätzen ab, sagte der Sozialwissenschaftler am Berlin-Institut, Steffen Kröhnert am Montag. Dort, wo klassische Industriebereiche wie Kohle, Stahl oder Schiffbau lange eine wichtige Rolle gespielt hätten, sei der Anteil meist gering ausgebildeter ehemaliger Gastarbeiter groß. Viele von ihnen seien heute ohne Arbeit und dementsprechend schlecht integriert. Demgegenüber stünden in München, Bonn, Frankfurt am Main und Düsseldorf rund 70 Prozent aller Menschen mit Migrationshintergrund dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Hier seien vergleichsweise viele Migranten in so genannten Vertrauensberufen oder selbstständig tätig.

Industriell geprägte Großstädte als Schlusslichter

Schlusslichter des Städtevergleichs seien von klassisch geprägten Industrien geprägte Großstädte. Dabei schnitten die fränkische Industriemetropole Nürnberg und die Ruhrgebietsstädte Bochum, Herne, Dortmund und Duisburg am schlechtesten ab. Hier sei die Arbeitslosigkeit groß, entsprechend ausgeprägt seien die sozialen Probleme unter den Migranten.

Im Regionenvergleich sei für Zuwanderer besonders das Rhein-Main-Gebiet attraktiv, sagte Kröhnert. Hier verfügten 28 Prozent der Migranten mit Berufsqualifikation über einen Hochschulabschluss. Der Anteil der Kinder an Gymnasien sei zwischen Migranten und Einheimischen ungefähr gleich hoch. Hamburg, die Stadt mit den meisten Migranten in Deutschland, habe sogar einen Akademikeranteil unter den Migranten von 29 Prozent. Gleichzeitig gebe es jedoch in Hamburg mit 14 Prozent und Hessen mit zwölf Prozent einen hohen Anteil an Einwanderern ohne schulische oder berufliche Bildung. Schlusslicht bilde das Saarland mit 15 Prozent der Migranten ohne Bildungsabschluss und der bundesweit geringsten Akademikerquote.

Ex-DDR: wenige Zuwanderer, aber die mit hoher Bildung

Die ostdeutschen Bundesländer haben mit rund fünf Prozent den geringsten Anteil von Zuwanderern. Zudem profitieren sie nach Ansicht der Autoren von positiven Nachwirkungen der Migrationspolitik der DDR-Zeit, als hochmotivierte Menschen nach Ostdeutschland kamen. Nur sechs Prozent der Zuwanderer hätten keinen Schul- oder Berufsabschluss. 43 Prozent besäßen die Hochschulreife - der höchste Wert aller Bundesländer.

Unter den Migranten bilden der Studie zufolge die so genannten Aussiedler mit rund vier Millionen die größte Gruppe in Deutschland. Sie wird gefolgt von der Gruppe der türkischstämmigen Bevölkerung mit 2,8 Millionen Menschen. Die kleinste Einwanderergruppe bilden mit 502.000 Menschen aus Afrika.

Ein Fünftel der Bevölkerung hat Wurzeln woanders

Die Autoren der Studie messen die Integration anhand von 20 Kriterien wie etwa dem Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft, Ehen mit Deutschen, Bildungsniveau, Erwerbslosen- und Hausfrauenquote oder dem Anteil der Beschäftigten mit ausländischen Wurzeln im öffentlichen Dienst. Erstmals werden einzelne Migrantengruppen inklusive der Zuwanderer mit deutschem Pass verglichen. Ausgewertet wurde der Mikrozensus des Jahres 2005 mit 800.000 Befragten. Danach haben fast 20 Prozent der Bevölkerung in Deutschland ihre Wurzeln im Ausland - das sind gut 15 der 82 Millionen Einwohner. (kap)

Aussiedler gelten laut Studie als besonders gut integriert: Alte Frauen in einem Betsaal, eine hat ihren Enkel auf dem Arm (Foto: dpa/Archiv)
Aussiedler gelten laut Studie als besonders gut integriertBild: dpa