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Journalisten oft in tödlicher Gefahr

22. Januar 2009

Journalisten und Oppositionelle werden bedroht, überfallen und sogar ermordet. Das berichtet in Berlin der Chefredakteur der "Nowaja Gaseta", Dmitrij Muratow. Auch Brüssel zeigt sich besorgt über die Lage in Russland.

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Am Tatort des Doppelmordes in MoskauBild: RIA Novosti

Nach den Morden an dem russischen Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow und der Journalistin Anastassija Baburowa hat der Chefredakteur der regierungskritischen russischen Zeitung "Nowaja Gaseta", Dmitrij Muratow, die russischen Behörden zur lückenlosen Aufklärung des Verbrechens aufgefordert. Baburowa, die seit drei Monaten bei der "Nowaja Gaseta" beschäftigt war, wurde zusammen mit Markelow am 19. Januar im Zentrum Moskaus erschossen. Markelow hatte als Anwalt auch die 2006 ermordete Journalistin Anna Politkowskaja von der "Nowaja Gaseta" vertreten. Muratow bezeichnete die jüngsten Morde als "erneutes politisches Verbrechen".

Misstrauen gegenüber den Behörden

"Ich wünsche mir, dass das Rechtssystem und die bis an die Zähne bewaffneten Spezialeinrichtungen endlich ihre Aufgaben wahrnehmen, den Mörder finden und solche Taten in Zukunft verhindern", sagte Muratow vor Journalisten in Berlin, wo er sich auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung aufhielt. Die Morde auf offener Straße seien "zynisch und frech" und schadeten dem Ruf des Landes. "Die Staatsmacht hat Möglichkeiten, die Morde aufzuklären. Ich weiß aber nicht, ob sie das will", kritisierte er und wies darauf hin, dass bereits bei früheren Morden keine Aufklärung erfolgt sei.

Unabhängige Journalisten gefährdet

Muratow berichtete, für ihn und seine Kollegen werde es immer schwieriger, in Russland zu arbeiten. Unabhängige Journalisten würden sich viele Feinde machen. In der Zeit zwischen der Recherche und der Veröffentlichung eines Themas seien seine Mitarbeiter besonders gefährdet. Die "Nowaja Gaseta" versuche deshalb, regierungskritische Artikel zum Schutz der Journalisten so schnell wie möglich zu veröffentlichen. Zudem würden besonders kritische Texte nicht mit dem Namen des Autors gedruckt, sondern im Namen der gesamten Redaktion. Muratow sagte weiter, seine Zeitung würde Morddrohungen nicht verheimlichen.

Rückschritte im Rechtsbereich

Der Russlandbeauftragte der deutschen Bundesregierung und stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff, hatte Muratow zu der Pressekonferenz im Reichstag eingeladen. Schockenhoff sagte, seine Fraktion verurteile die erneuten Verbrechen aufs Schärfste. Diese Morde auf offener Straße trügen Züge einer Lynchjustiz und beleuchteten genau jenen "Rechtsnihilismus", den Präsident Medwedjew in Russland eigentlich bekämpfen wolle. Leider seien aber gerade im Rechtsbereich, den der russische Präsident zur "Chefsache" erklärt habe, seit seinem Amtsantritt weitere Rückschritte zu verzeichnen. Dabei brauche Medwedjew gerade unabhängige Journalisten und mutige Anwälte, um Korruption und staatliche Willkür zu bekämpfen, erklärte Schockenhoff.

Russland muss Zweifel ausräumen

Diese Entwicklung wirft Schockenhoff zufolge Zweifel an der Fähigkeit des russischen Staates auf, Recht und Ordnung durchzusetzen. Immer stärker entstehe der Eindruck, dass die mangelnde Strafverfolgung politisch gedeckt oder zumindest hingenommen werde. Der russische Staat und insbesondere Präsident Medwedjew müssten dafür sorgen, dass diese Zweifel durch eine lückenlose Aufklärung und eine Verurteilung der Schuldigen - auch der Hintermänner - in unabhängigen und fairen Gerichtsverfahren ausgeräumt würden.

Brüssel fordert Aufklärung

Auch die Europäische Kommission hat nach dem Moskauer Doppelmord Besorgnis geäußert. Der Sprecher von Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte, die EU-Kommission sei "schockiert über diesen Vorfall". Er unterstrich, "Menschen, die sich für die Menschenrechte engagieren, Journalistinnen und Journalisten, die kritisch berichten, müssen das in Sicherheit und ohne Gefahr für Leib und Leben tun können". Deswegen erwarte die EU-Kommission die unverzügliche Aufklärung solcher Verbrechen, hieß es in Brüssel. (mo)