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"Wie Wölfe im Wald"

Jochen Faget16. Januar 2009

Der Dialog zwischen den Religionen wird häufig gefordert. Aber nicht immer gelingt das. Wie zum Beispiel in Portugal: Dort gab es jetzt wenig sensible Äußerungen - ausgerechnet von einem bekannten Kirchenfürsten.

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Symbolbild Christentum/Islam (Quelle: AP)
Können Christentum und Islam friedlich nebeneinander existieren?Bild: AP Graphic / DW-Fotomontage

Ein solches Donnergrollen hatte niemand von Lissabons Kardinal José Policarpo erwartet. Ausgerechnet bei einer eher seichten Talkrunde im Casino des verschlafenen Strandbads Figueira da Foz gab er Portugals Frauen tiefgründigen Nachhilfeunterricht in Sachen Heiraten. „Denkt zweimal nach, bevor ihr einen Muslim heiratet! Denkt genau nach! Ihr lasst euch auf Probleme ein, von denen nicht einmal Allah weiss, wo sie aufhören“, sagte er.

Portugal war das Tor zu Europa für den Islam

José Policarpo(22.02.2001/AP)
In der Kritik: Kardinal José PolicarpoBild: AP

Starker Tobak für einen Patriarchen, der bisher sogar als eher liberal, feinsinnig und intellektuell galt. Schliesslich war Kardinal Policarpo vorher Rektor der angesehenen Katholischen Universität, wurde während des letzten Konklaves sogar als Papstkandidat gehandelt. Doch es kam noch schlimmer: „Einen Dialog kann man nur mit dem führen, der das auch will. Und mit unseren muslimischen Brüdern ist das sehr schwer“, donnerte Kardinal Policarpo weiter

Dabei ist ausgerechnet Portugal stolz auf seine auch vom Islam stark beeinflusste Geschichte. Alle Parteien haben immer stolz auf das friedliche und harmonische Zusammenleben zwischen der fast ausschließlich katholischen Bevölkerung und den geschätzten 40.000 Muslimen im Land verwiesen. Seit dem siebten Jahrhundert sei der Islam in Portugal präsent und das Land sei das Tor zu Europa für die Religion gewesen, erklärt Bubacar Baldé vom portugiesischen Islamforschungsinstitut. „Seit damals gibt es starke islamische Einflüsse in der portugiesischen Kultur.“

Portugal ist wie eine Arche Noah

Alte Straßenbahn im Stadtteil Bairro Alto von Lissabon (29.10.2003)
Portugal ist stolz auf das friedliche Miteinander verschiedener ReligionenBild: picture-alliance/ dpa

Mag schon sein, scheint Kardinal Policarpo sich zu sagen. Aber letztendlich ginge es den Muslimen doch nur um eines: unter dem Deckmäntelchen des religiösen Dialogs ihren Glauben zu verbreiten. „Sie machen das wie die Wölfe im Wald, sie markieren ihr Revier.“ Muslime akzeptierten nur ihren Glauben als den einzig wahren, sagte Kardinal Policarpo und entfachte damit einen Sturm der Entrüstung.

„Die Wortwahl des Patriarchen von Lissabon hat uns tief verletzt“, heißt es in einer Presseerklärung von Abdool Vaikil, dem Vorsitzenden der islamischen Gemeinde von Lissabon. Schließlich lebten Katholiken und Muslime in Portugal problemlos zusammen, sagt Vaikil. “Portugal ist wie eine Arche Noah. Die Menschen und die Gemeinschaften sind integriert. Und auch die Integrationspolitik ist korrekt“, sagt auch Raúl Braga Pires von der Universität Porto.

Dem sonst so taktvollen Kardinal ist es mit seiner Gardinenpredigt im Casino gelungen, viel böses Blut zu schaffen. Und ganz Portugal rätselt, woher die Eingabe kam, die ihn dazu veranlasst hat.