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Atomstreit bremst Erdgas-Export

Benjamin Braden23. Dezember 2008

16 Gas exportierende Länder wollen am Dienstag ein Kartell wie die OPEC gründen. Auch wenn die größten Exporteure Iran und Russland sich enger abstimmen wollen, bleiben sie auf dem europäischen Markt Konkurrenten.

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Erdgasförderung im Iran (Quelle: dpa)
Europas zukünftiger Gaslieferant? Erdgasförderung im IranBild: picture-alliance/ dpa
Rohr der Ostseepipeline (Quelle: AP)
Verlegung der Ostsee-Pipeline bei GreifswaldBild: AP

37 Prozent der deutschen Gas-Importe stammen aus Russland. In anderen europäischen Ländern sieht es ähnlich aus. Russland gilt zwar grundsätzlich als zuverlässiger Lieferant, aber dieser einseitige Bezug ist nie ein ganz sicheres Geschäft. "In der Vergangenheit haben wir es ja öfter erlebt, dass es zumindest Irritationen in der Belieferung mit russischem Gas gab, ganz einfach weil Russland mit seinem Erdgas auch eine gewisse Machtpolitik ausübt", sagt Rainer Wiek vom Energieinformationsdienst in Hamburg. Die europäischen Staaten möchten sich aus dieser Abhängigkeit lösen und suchen deshalb in der ganzen Welt neue Gasquellen.

Iran will sein Erdgas in Europa verkaufen

Iranisches Gas ist für Europa als Ausgleich für die russischen Lieferungen attraktiv. Teheran besitzt nach Russland die zweitgrößten Erdgasvorräte der Welt und ist selbst am Gasgeschäft mit Europa interessiert. Der Erdgas-Export nach Europa wäre eine alternative Einnahmequelle zur Erdöl-Ausfuhr, zudem wären die europäischen Länder zuverlässige Geschäftspartner mit einer funktionierenden Erdgas-Infrastruktur. Für den Iran drängt außerdem die Zeit: Denn das arabische Katar und der Iran haben beide Zugriff auf ein großes Gasfeld im Persischen Golf. Je länger auf iranischer Seite ein Großabnehmer fehlt, desto weniger Erdgas bleibt für den Iran übrig.

Uranaufbereitungsanlage in Isfahan (Quelle: AP)
Der Atomstreit behindert Irans Erdgas-GeschäfteBild: AP

Sowohl der Iran als auch Europa haben also ein Interesse an gemeinsamen Gasgeschäften. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit steht der Streit um das iranische Atomprogramm. Um Teheran zu Zugeständnissen im Atomstreit zu bewegen, haben die Vereinten Nationen Sanktionen gegen den Iran verhängt. Die USA setzen seit Jahren Firmen massiv unter Druck, die mit dem Iran Geschäfte machen. Die großen Energieversorger Europas halten sich deshalb zurück und erklären, dass sie nicht mit Teheran zusammenarbeiten würden. Der Iran-Experte Johannes Reissner von der Stiftung Wissenschaft und Politik geht allerdings davon aus, dass die Unternehmen weiterhin mit Iran im Gespräch sind.

Europa steckt in einer Zwickmühle

Ein Thema dieser mutmaßlichen Gespräche könnte die Nabucco-Pipeline sein. Deren Bau plant derzeit ein Konsortium von sechs europäischen Energieversorgern, unter anderem eine Tochterfirma des Essener Energiekonzerns RWE. Die Gaspipeline soll auf über 3000 Kilometern von der Türkei über Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Wien führen. Geplant ist, ab 2013 durch die Nabucco-Pipeline Gas aus dem Raum Aserbaidschan und Kasachstan nach Westeuropa zu pumpen, also Russland zu umgehen. Daran hat Moskau jedoch kein Interesse und setzt die potentiellen Gaslieferanten unter Druck. Laut Rainer Wiek mit Erfolg: "Es macht den Anschein, dass immer mehr dieser Lieferländer abspringen könnten. Insofern wird natürlich auch der Faktor Iran in Bezug auf die Nabucco immer wichtiger." Damit wächst die Versuchung für Europa, vom iranischen Erdgas zu profitieren.

Wären direkte Verhandlungen mit Teheran eine Lösung?

Geschäfte mit Erdgas kosten viel Geld und benötigen eine sichere Planung. Wenn die europäischen Energieversorger mittelfristig Erdgas aus dem Iran beziehen möchten, müssten sie dies heute entscheiden. Johannes Reissner plädiert deshalb für eine offene Diskussion in Europa darüber, dass sich Europa in einer Zwickmühle befindet. "Wir wollen keine iranische Bombe, haben aber ganz elementare europäische Eigeninteressen, und die kann man nun nicht einfach völlig außer Acht lassen." Vor allem gegenüber der neuen amerikanischen Administration sollte Europa deshalb für direkte Verhandlungen über das iranische Atomprogramm eintreten, so Reissner. "Es ist nun mal einfach so, dass Europa im Unterschied zu den Amerikanern langfristig gesehen auf iranisches Gas viel eher angewiesen ist."