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Merkel im Abseits

Judith Hartl8. Dezember 2008

In London fand ein EU-Krisengipfel mit Nicolas Sarkozy und Gordon Brown statt – aber ohne Angela Merkel. Vielleicht merkt die Kanzlerin jetzt, dass sie in der Finanzkrise zu zögerlich ist, kommentiert Judith Hartl.

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Bild: DW

Nein, ein Affront sei das nicht. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm schüttelt da energisch den Kopf. Und versichert den Journalisten in Berlin, dass das Treffen in London wirklich nichts weiter sei als ein bilaterales Gespräch zwischen Großbritannien und Frankreich – schon länger geplant – so etwas gäb‘s ja öfter - Angela Merkel sei ja auch informiert gewesen – und überhaupt – bei der Bundesregierung messe man dem Sarkozy-Brown-Treffen weit weniger Bedeutung zu als das die europäischen Medien tun.

Die Kanzlerin schweigt

Judith Hartl (Quelle: DW)
Judith Hartl

Hoppla, das hört sich nach klein reden an – wenn da nicht der ein oder andere Unterton wäre. So wies der deutsche Regierungssprecher mindestens zwei, dreimal darauf hin, dass letztendlich der Europäische Rat immer noch einstimmig entscheiden müsse, dass Europa nur gemeinsam erfolgreich sein könne und dass – autsch, Grüppchenbildungen so gar nichts bringen.

Die Kanzlerin fuchst es offensichtlich doch, dass Deutschland, immerhin der größte Nettozahler der EU, nicht eingeladen wurde, EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso nachträglich aber doch, und Merkel ärgert sich auch über die offenen Sticheleien des französische Präsidenten. Aber sie sagt das nicht laut. Wehrt sich nicht, schweigt, kein Kommentar.

Motor ohne Sprit

Noch bis vor kurzem hätte solch ein Krisengipfel ohne Merkel zu offenem Streit geführt. Und es ist genau diese irritierende Stille, die Merkel in Europa plötzlich so schwach erscheinen lässt. Dass der Eindruck entsteht, Deutschland sei als Motor der EU plötzlich der Sprit ausgegangen. Merkel zögert und zaudert. Und das ausgerechnet angesichts der größten Bewährungsprobe ihrer Kanzlerschaft.

Rezessionsgefahr, dramatischer Konjunktureinbruch, Banken- und Finanzkrise, aber Merkel tut so gut wie nichts. Schnürt ein halbherziges Konjunkturpaket, lehnt aber alle zusätzlichen – auch sinnvollen - Forderungen mit stoischer Sturheit ab. Ja, man möchte sie an den Schultern packen und durchschütteln: "Hallo Angela, aufwachen, es ist kurz vor zwölf. Deine Glaubwürdigkeit in Deutschland, Europa und der Welt sinkt. Und Deine Bedeutung auch."

Wo bleibt Merkels Kampfgeist?

Zwar war Angela Merkel noch nie eine Politikerin, die polternd und marktschreierisch die Hemdsärmel aufkrempelt, was beispielsweise der französische Präsident Sarkozy bis zur Perfektion beherrscht. Dadurch wirkte Merkel bislang seriös, besonnen und glaubwürdig.

In der jetzigen Krisensituation aber wirkt sie fast resigniert, so als habe sie von sich aus ihren Anspruch auf die Führung in Europa aufgegeben. Aber vielleicht war die Nicht-Einladung nach London ja der Donnerschlag, der Merkels Kampfgeist wieder weckt.