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Wohnen in Deutschland – Arbeiten in Polen

12. November 2008

Viele Polen wollen nicht in Deutschland arbeiten aber dort wohnen. Ihr Arbeitsplatz ist weiterhin in Polen. Besonders viele Polen leben im Umkreis der Kleinstadt Löcknitz, rund 20 Kilometer von der polnischen Grenze.

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Siedlung in Blankensee bei Löckwitz
In Blankensee bei Löcknitz wohnen viele PolenBild: Justyna Bronska

Vor der Schule in Löcknitz steht eine kleine Frau und sucht in ihrer Ledertasche nach einem Autoschlüssel, dann winkt sie einem Jungen, der auf dem Schulhof steht. Es ist Malgorzata Makarska. Sie hat ihren 7-Jährigen Sohn in die Schule gebracht. Jetzt fährt sie zur Arbeit ins polnische Stettin. 30 Minuten Fahrt sind das. Malgorzata ist Mitte 30 und kommt aus Polen. Dort hat sie bis vor einem halben Jahr auch gewohnt, dann beschloss sie über die Grenze nach Deutschland zu ziehen: „Hier sind die Häuser viel billiger. Ich habe meine Wohnung in Stettin verkauft und dafür habe ich mir hier ein Haus gekauft und dabei ist noch Geld übrig geblieben.“

Knapp 50.000 Euro hat Malgorzata für das Haus in der Nähe von Löcknitz bezahlt. 100 Quadratmeter Wohnfläche, dazu ein großer Garten, ruhige Lage. In ihrer Heimatstadt Stettin müsste sie dafür mindestens das Fünffache ausgeben. Ein echtes Schnäppchen also. Und Malgorzata ist nicht die einzige Polin, die hierher gezogen ist. Niedrige Mieten und Grundstückpreise locken immer mehr Polen nach Ostdeutschland.


Bekannte aus Polen ziehen nach

Die Famile Wozniak
Die Kinder der Familie Wozniak gehen in Löcknitz zur SchuleBild: Justyna Bronska

Hinter Malgorzata läuft eine Frau, im roten Buggy schiebt sie ein kleines Kind vor sich her. Es ist Renata Wozniak und auch sie kommt aus Polen. Renata ist Hausfrau, ihr Mann arbeitet auf einer Baustelle in Stettin. Genau wie Malgorzata hat sich auch Renata entschieden nach Ostdeutschland zu ziehen. „Wir haben von Bekannten gehört, dass man in Deutschland billig wohnen kann“, sagt sie. „Auch im Radio gab es Berichte darüber. Dann haben wir im Fernsehen noch eine Reportage gesehen, in der ein deutscher Bürgermeister, die Polen quasi angeworben hat, in seine Region zu ziehen.“

Renata brauchte etwas Großes, wo fünf Kinder Platz zum Spielen haben. Über den deutschen Immobilenmakler Detlef Horn hat sie unweit von Löcknitz ein Haus mit zwölf Zimmern und einem großen Garten gefunden. Die zwei ältesten hat sie gerade in die Schule gebracht. Jetzt ist sie auf dem Weg zum Makler. Diesmal sucht sie ein Haus für eine Bekannte aus Stettin, die auch hierhin ziehen will.


Vier Fünftel aus Polen

Kein Problem, denn im Umkreis von Löcknitz steht viel Wohnraum leer, sagt Detlef Horn. „Bei uns sind die Dörfer fast ausgestorben. Hier wohnen nur alte Leute, wenig Kinder“, sagt er. „Die jungen Leute mussten alle wegziehen in die westlichen Bundesländer, um Arbeit zu finden und deswegen war es ideal, dass von polnischer Seite so eine Nachfrage herrscht – nach den Häusern.“

Seit 15 Jahren vermittelt Horn Häuser in Deutschland. Noch nie lief sein Geschäft so gut wie heute: „In den letzten 2 Jahren haben wir eindeutig mehr polnische Kunden als Deutsche. Vier Fünftel meiner Kundschaft kommen aus Polen.“

Die Region profitiert

Makler Detlef Horn
Makler Detlef Horn vermittelt viele Häuser an PolenBild: Justyna Bronska

Es ist Montagvormittag und schon der dritte Kunde aus Polen ruft bei ihm an. Der Immobilienmakler bietet seine Häuser auf seiner Internetseite auch auf Polnisch an. Er hat sogar eine Polin eingestellt, denn die meisten seiner Kunden sprechen kein Deutsch. In zahlreichen Ortschaften in Nordwesten Deutschlands gehören die polnischen Einwohner bereits dazu. In Löcknitz beispielsweise kommt jeder zehnte Einwohner aus Polen. Die Einwanderer aus Polen, sie stammen zumeist aus dem Mittelstand, sind jung und ihre Kinder gehen auf deutsche Schulen.

Detlef Horn lehnt sich in seinem schwarzen Lederstuhl zurück. Die Verhältnisse kehren sich total um, sagt er lachend: „Vor dem Beitritt zur EU hatten doch viele polnische Bürger Angst, dass die Deutschen nach Polen kommen, um das Land aufzukaufen – landwirtschaftliche Flächen, Häuser, Wohnblöcke.“ Aber in Wirklichkeit sei es eigentlich andersrum gekommen. Für die für die strukturschwache Region hier im Nordosten Deutschland sind die Polen ein Segen. Sie beseitigen nicht nur den Wohnungsleerstand in Löcknitz, durch ihre Kaufkraft bringen sie auch Aufschwung für die Region.