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Sommer in Mailand: die Stadt verwandelt sich

Kirstin Hausen18. August 2008

Der August ist der traditionelle Ferienmonat in Italien. Statt zu arbeiten räkelt man sich am Strand. Während Orte wie Rimini aus allen Nähten platzen, kommt das Leben in Großstädten wie Mailand fast zum Erliegen.

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Der Mailänder Dom im Abendlicht
Mailand wäre trotz der Touristen ohne Migranten so gut wie ausgestorbenBild: picture-alliance / Rolf Kosecki

Der Lebensmittelhändler, der Bäcker und der Friseur hängen Schilder an ihre verriegelten Läden: wegen Urlaub geschlossen. Mailand wäre so gut wie ausgestorben, wenn da nicht die vielen Immigranten wären. Sie nutzen die Ferienzeit, um dort einzuspringen, wo Ersatz für die italienischen Beschäftigten auf Urlaub gesucht wird und machen das Beste aus ihrem "Sommer in der Stadt".

Salsa als Urlaubersatz

Tango tanzendes Paar (17.08.2007/AP)
Salsatanzen ist günstiger als UrlaubBild: AP

Eine Ablenkung ist der Salsa Unterricht im Stadtpark. Die Arme über dem Kopf, die rechte Hüfte vorgeschoben wirbelt Sabrina um die eigene Achse, trippelt vor und zurück.. Sabrina ist 16 Jahre alt und in El Salvador geboren. Sie lebt seit acht Jahren mit ihren Eltern Maddalena und Patricio in Mailand. "Nur wenige von uns können sich Urlaub erlauben. Wir nehmen unsere freien Tage lieber im Dezember, um in unsere Herkunftsländer zu fahren," erzählt sie.

Maddalena und Patricio sehen zufrieden aus, auch wenn sie im August mehr arbeiten als in jedem anderen Monat des Jahres, weil die Italiener in den Urlaub fahren und die Immigranten sie ersetzen. Patricio ist Lagerarbeiter, Maddalena putzt nachts Büros. Beide mögen den Sommer in Mailand, denn zu keiner anderen Zeit im Jahr können die Südamerikaner so unbekümmert ihren Lebensstil pflegen.

Urlaub in der Stadt

Der Mailänder Stadtpark ist im August nicht wiederzuerkennen: Im Schatten der Bäume stapeln sich Bierkisten und Kühltaschen, die Mülleimer quellen über. Dutzende südamerikanische Familien scharen sich um mitgebrachte Grills, auf denen dicke Fleischstücke über dem Feuer zischen. Sie sind scharf gewürzt wie es Brauch ist in vielen Ländern Südamerikas.

"Hier können wir unsere Muttersprache sprechen und mit unseren Kindern spielen", sagt Sara, eine junge Kolumbianerin mit hochgestecktem Haar. Zu essen gibt es reichlich. Kaltes Huhn, Reis, Salate aller Art. Und natürlich wird auch getanzt.

Des einen Freud, des anderen Leid

Geduldig wartet ein Mann in Berlin darauf, dass sein Lamm am Spies fertig wird (24. Mai 2001/AP)
Auf mitgebrachten Grills, zischen dicke Fleischstücke über dem FeuerBild: AP

Die Ur-Mailänder sind von dieser Verwandlung ihrer Stadt nicht begeistert. "Was soll man dazu sagen? Sie sind im Moment die Besitzer der Stadt", sagt der 54-järhige Rentner Ernesto Perini. Er meidet die Parks im August, die in diesem Monat voller Menschen sind, die nicht aus Mailand stammen.

Sogar den Sonntagsspaziergang über den Domplatz, sonst ein Muss für jeden Mailänder, lässt Signor Perini im August ausfallen. Statt Bankern in schicken Freizeitanzügen begegnet man dort Rumänen. "Die Mailänder sind weg, jetzt sind wir dran" sagt Irina mit einem grimmigen Lachen und drückt damit ein Gefühl der Unterlegenheit aus, das viele Immigranten in Italien kennen.

Vergiftetes Klima

Nicht zuletzt die Hetze der ausländerfeindlichen Regionalpartei Lega Nord, die seit April in der Regierung sitzt und unter anderem den Innenminister stellt, hat das gesellschaftliche Klima vergiftet und Ressentiments gegenüber Immigranten geschürt. Italien, vor allem Norditalien, braucht billige Arbeitskräfte, aber auf Menschen mit anderem kulturellem Hintergrund und Lebensstil ist das Land und seine Bevölkerung nicht wirklich eingestellt.