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Teures Nass

Günther Keiffenheim18. August 2008

Marode Leitungen, der Klimawandel und steigende Rohstoffpreise verschärfen den Wassernotstand in Pakistan. Vor allem die Armen leiden darunter - die Reichen können sich nach wie vor Trinkwasser in Flaschen leisten.

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Auf Müll sitzendes Mädchen gibt Baby die Flasche (Quelle: AP)
Sauberes Wasser ist in Pakistan teuerBild: AP

Wenn Rehman in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad den Wasserhahn aufdreht, kommt das wertvolle Nass oft nur tropfenweise oder als schmutzig braune Brühe. Es herrscht akuter Trinkwassernotstand im Lande. Das hat mehrere Gründe: Die Wasserleitungen sind veraltet und undicht. Viel sauberes Wasser versickert, bevor es die Menschen erreicht. Elektrisch betriebene Wasserpumpen der Wasserwerke sind jeden Tag nur stundenweise in Betrieb, weil das Land unter Energieproblemen leidet und der Strom in Islamabad für mehrere Stunden täglich abgeschaltet wird. Das Wasser von Flüssen und Bächen wird durch sorglose Abfallentsorgung gefährlich verunreinigt.

Lebensgefährlicher Durchfall

Trinken darf Rehman das Wasser aus seiner Leitung auf keinen Fall. "Das Wasser, das aus den Leitungen kommt, ist nicht sauber. Es ist kontaminiert. Immer wieder ist es einfach ungereinigt und nicht mit Chlor behandelt – und dann voll von Escherichia Coli", sagt Asif Tauseef. Er ist Spezialist für Krankheiten, die von schmutzigem Trinkwasser verursacht sind.

Das Bakterium Escherichia Coli führt zu lebensgefährlichem Durchfall, sagt er: "Häufige Erkrankungen betreffen den Magen-Darm-Trakt. Durchfälle, Würmer und noch dazu Hepatitis belasten vor allem Kinder und junge Mädchen am meisten." Vor allem die Würmer seien ein Problem, sie könnten sogar zu Blinddarmentzündungen führen.

Filter oft defekt

Bauern beim Reisanbau (Quelle: AP)
Klimawandel gefährdet die pakistanische Landwirtschaft, die auf Wasser dringend angewiesen istBild: AP

Die Stadtverwaltung sieht das anders. "Heute ist unser Wasser sauber", beteuert Gulfaraz Ahmed, der für den Trinkwasserturm im Stadtviertel G-9 in Islamabad verantwortlich ist. Mehr als 20.000 Menschen bekommen von seiner Station ihr Trinkwasser. "Früher, als es noch ungefiltert aus den Staudämmen hierher kam, war es nicht gut", sagt Ahmed. "Aber seit wir Filter haben, ist es gut und sehr viele Menschen kommen zu unserer Abfüllstation und holen ihr Wasser."

Die Filter können Schmutz aus dem Wasser holen, aber selbst glasklares Wasser kann mit gefährlichen Krankheitserregern belastet oder verseucht sein. Der UV-Filter, der Bakterien wie Escherichia Coli abtötet, ist zwar vorhanden, braucht aber Strom – der wegen steigender Energiepreise teuer ist und im Übrigen oft auch nicht vorhanden. Tausende von Kindern sterben in Pakistan alljährlich an Durchfallerkrankungen.

Ausbleibende Regenfälle

Einen anderen Grund für Islamabads und Pakistans Trinkwassernotstand kann kein Filter der Welt beheben: Seit Jahren nimmt die absolute Regenmenge ab und konzentriert sich auf die Monsunzeit ab Anfang September. Von Dezember bis August fällt kaum noch Regen und das Wasser im Rawal-See, dem Wasserreservoir Islamabads, fließt nur noch spärlich.

Frauen holen Wasser (Quelle: AP)
Frauen holen frisches WasserBild: ap

"Der Klimawandel", so sagt Aisha Khan, Gletscherspezialistin und Umweltaktivistin, "bedroht die Wasserversorgung des ganzen Landes". Es regnet weniger und die Gletscher des Himalajas verschwinden mehr und mehr – und damit das größte Süßwasserreservoir des indischen Subkontinents. Es drohe die Katastrophe für Pakistan: "Ohne Wasser gibt es keine Landwirtschaft und das in einem Land, das vom Ackerbau lebt. Das führt zu akutem Nahrungsmangel, einer Zunahme an Krankheiten, Hunger und Armut."

Löchrige Leitungen

Wenn es im Frühjahr doch einmal regnet und die Menschen sich über die Abkühlung freuen, dann schadet auch das wieder der Reinheit des Trinkwassers, warnt Asif Tauseef. Schuld sind diesmal die maroden Wasserleitungen der Stadt: "Das Wasser aus den Abwasserleitungen wird mit dem Trinkwasserversorgungsleitungen vermischt. Als die Kapazität der Abwasserleitungen nicht mehr reichte, wurden die Regenwassersiele als Abwasserleitung genutzt und kontaminiert. Die liegen aber dicht bei den oft undichten Versorgungsleitungen."

Pakistan ist und bleibt noch auf lange Zeit ein Entwicklungsland mit zahlreichen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Problemen, die einander permanent zu einer Gesamtkrise hochschaukeln. Energiekrise, Regen- und Schmelzwasserkrise, durch Finanzkrisen marode Leitungssysteme: Am Ende leidet die Bevölkerung Pakistans unter schmutzigem Trinkwasser. Die Reichen können sich teures Trinkwasser in Flaschen leisten, die Armen nicht. Dabei haben Experten ausgerechnet, dass für jeden Dollar, der in sanitäre Grundversorgung investiert wird, neun Dollar zurückfließen. Leider nicht an den direkten Investor, sondern als gesellschaftlicher Gewinn in Form von höherer Produktivität, besserer Bildung und weniger Arbeitsaufall durch Krankheit.