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Grüne Versäumnisse

Torsten Schäfer, Bonn19. Mai 2008

Bei der UN-Naturschutzkonferenz feiert sich Deutschland als umweltpolitisches Musterland. Dennoch gibt es Mängel, über die kaum diskutiert wird. Vor allem die Bundesländer wollen lieber schweigen statt zu handeln.

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Themenbild Kommentar (Grafik: DW)
Bild: DW

Luchs, Lachs, Wolf, Seeadler, Biber, Bär und viele mehr - die Liste der Tierarten, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland zurückgekehrt ist, ist beeindruckend. Es scheint, als ob sich die Natur rasant erholt hat. In der Tat haben Schutzprogramme dafür gesorgt, dass es vielen Arten und Lebensräumen wieder besser geht. Der Scheint trügt aber auch: Noch immer geht das Artensterben weiter. Der Rückgang von Feldlerche und Mausersegler ist eben keine Schlagzeile wert. Jede Wolfsbeobachtung dagegen schon. Es gibt Erfolgsgeschichten, aber es sind noch immer zu wenige.

Schuld daran ist auch der zu selten thematisierte Flächenverbrauch: Ein Land, was trotzt seiner starken Besiedlung täglich 105 Hektar zubaut, kann Lebensräume nicht so erhalten, wie es nötig wäre - und gerne behauptet wird. Eigentlich muss man von Ländern sprechen. Sie sind die Hauptakteure der deutschen Naturschutzpolitik, weil die Bundesländer vor Ort entscheiden, welche Schwerpunkte gesetzt werden und wohin die Gelder fließen.

Finanzchaos mit politischen Folgen

Geld ist das heikelste Thema. Zweifelsohne wird in der Bundesrepublik für den Naturschutz mehr ausgegeben als in vielen anderen Ländern. Ob die Mittel allerdings effizient eingesetzt werden, wohin sie fließen und wie viel insgesamt investiert wird, kann niemand sagen. Die Länder erfassen ihre Naturschutzausgaben völlig unterschiedlich. Einige tun dies akribisch, die meisten aber nicht. Und selbst wenn Haushaltstitel den gleichen Namen tragen, werden unter ihnen teils ganz andere Posten zusammengefasst. Transparenz gibt es kaum, Chaos dafür um so mehr. Wie widersprüchlich die Naturschutzausgaben im Einzelnen sind, hat die Zeitschrift "GEO" gerade mit einer Umfrage bei den Landesregierungen gezeigt.

Das Finanzchaos hat Folgen: Es ist unmöglich, die Leistungen der Länder zu vergleichen, Vorbilder auszumachen und zu zeigen, wo Gelder verschwendet werden. In der Schweiz sind die Naturschutzausgaben ein wichtiger umweltpolitischer Frühindikator, weshalb sie auf allen Ebenen systematisch erfasst werden. In Deutschland haben die Bundesländer kein Interesse daran, sich abzustimmen. Niemand will sich eine Blöße geben. Dass es aber um die Frage geht, wie nachvollziehbar Steuergelder verwendet werden, die für den Schutz eines öffentlichen Gutes, ausgegeben werden, ist den Umweltministern ziemlich egal.

Massive Personaleinsparungen

Man kann den Eindruck gewinnen, dass den Ländern der Naturschutz viel gleichgültiger ist, als sie oft bekunden. Sicher: Bund und Länder mussten im vergangenen Jahrzehnt überall einsparen; die Umweltpolitik traf es besonders: Zwischen 1996 und 2007 sanken die gesamtstaatlichen Umweltausgaben um 22 Prozent, wie ein Gutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen von 2007 zeigt. Im Naturschutz wurde aber besonders stark gekürzt: Fast alle Landesverwaltungen haben massiv Personal eingespart. Besonders hervorgetan hat sich Nordrhein-Westfalen.

Es gibt auch juristische Probleme: Der Bund kaufte sich bei der Föderalismusreform Kompetenzen von den Ländern zurück, indem er andere abgab - zum Beispiel im Naturschutz. Undurchdringlicher als jeder Regenwald sei das deutsche Naturschutzrecht nun, klagen Umweltrechtler. Auch das 2002 verabschiedete Bundesnaturschutzgesetz konnte die Situation nicht grundlegend ändern. Darin steht zum Beispiel, dass einmal zehn Prozent der Landesfläche als Schutzgebiet ausgewiesen sein sollen. Bindend sind solche Vorgaben für die Länder aber nicht, sie entscheiden selbst über die Prioritäten.

Glaubwürdigkeit geht schnell verloren

Klare Vorschriften gab es hingegen bei der Umsetzung der Natur-2000-Richtlinie der EU, die bereits 1992 beschlossen wurde. Jeder Mitgliedstaat muss für ein EU-weites Netzwerk von Schutzgebieten Flächen ausweisen. Anfang 2008 hat die Bundesrepublik endlich ihre Berichtspflichten erfüllt. Die EU musste Deutschland dafür aber wiederholt vor den Europäischen Gerichtshof zerren – weil die zuständigen Bundesländer ihre Hausaufgaben nicht machten und lange Zeit keine Gebiete auswiesen.

Eigentlich müssten die Landesregierungen wegen fehlenden Willens zur Zusammenarbeit in mehreren Bereichen und offenkundigen Widersprüchen zwischen Wort und Tat lange nachsitzen. Doch bei der UN-Naturschutzkonferenz in Bonn (19.-30.5.2008) klopfen sich die Politiker auf die Schulter. Auch die Gesandten der Länder werden Loblieder anstimmen. Anpacken wäre die besser Antwort, wenn Deutschland den eigenen Ansprüchen im Naturschutz gerecht werden will. Glaubwürdigkeit geht schnell verloren. Gerade die Länder treiben den Verlust derzeit voran.