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Die olympische Fackel auf dem Everest – ein Politikum

Stefan Nestler 30. April 2008

Chinesische Bergsteiger sollen in den kommenden Tagen die olympische Fackel von der tibetischen Nordseite aus auf den Gipfel des Mount Everest tragen. Stefan Nestler kommentiert.

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Bild: DW

Die olympische Fackel hat auf dem Gipfel des Mount Everest genauso wenig zu suchen wie die Chinesen in Tibet. Zunächst wurde der Fackellauf auf den höchsten Punkt der Erde von den meisten als PR-Gag gewertet. Schließlich war das olympische Feuer in früheren Jahren auch schon im Weltall, in der Arktis oder unter Wasser. Inzwischen dürfte wohl auch dem Letzten klar geworden sein, dass PR in diesem Fall nicht für Public Relations sondern für Propaganda steht.

Tibet ist seit fast einem halben Jahrhundert ein besetztes Land. Die Menschenrechte der einheimischen Bevölkerung werden nicht erst seit diesem Frühjahr mit Füßen getreten. Seit Jahren werden auf dem Hochplateau im Himalaya in großer Zahl Han-Chinesen angesiedelt. Die Tibeter sind inzwischen zur Minderheit in ihrer eigenen Heimat geworden. Ihre Klöster wurden größtenteils zerstört. Bilder des Dalai Lama sind verboten. Die Chinesen lassen keinen Zweifel daran, dass sie die Herren im Lande sind.

Der heilige Berg der Tibeter wird entweiht

Und so verwundert es auch nicht, dass sie sich nicht um die Gefühle der Tibeter bezüglich des Mount Everest scheren. Chomolungma, Göttin-Mutter der Erde, nennen die einheimischen Buddhisten den Everest. Für sie ist er ein heiliger Berg, auf dem Jomo Miyo Lang Sangma wohnt, eine der fünf "Schwestern des langen Lebens", eine Göttin, die die Menschen mit Nahrungsmitteln versorgt.

Nicht genug damit, dass der Mount Everest Jahr für Jahr durch Hunderte von Bergsteigern entweiht wird, die sich dem Gipfel nicht mit der gebotenen Ehrfurcht nähern. Jetzt degradieren ihn die Besatzer Tibets auch noch für ihre Propaganda-Zwecke: Seht her, der Mount Everest ist unser Berg, ein chinesischer Berg!

Nichts überlässt Peking dem Zufall. Die tibetische Nordseite ist in diesem Frühjahr für Expeditionen gesperrt. Westliche Journalisten wurden in einer Hauruck-Aktion ins Basislager geschafft, um angeblich frei über den Fackellauf am Everest zu berichten. Stattdessen kämpfen sie wegen fehlender Akklimatisierung gegen die Höhenkrankheit und außerdem gegen die Willkür ihrer chinesischen Aufpasser.

Bewaffnete Polizisten im Hochlager

Auf der nepalesischen Südseite des Bergs wird es ebenfalls keine Störungen geben. Bewaffnete Polizisten wachen in Lager zwei auf 6400 Metern darüber, dass kein Bergsteiger weiter aufsteigt, ehe nicht die Fackel am höchsten Punkt war. Chinesische Gesandte haben sich vor einigen Tagen im Basislager davon überzeugt, dass die nepalesischen Behörden die Vorgaben aus Peking auch umsetzen.

Nach offizieller Lesart Pekings zeigt der olympische Fackellauf Chinas "Streben nach Frieden und einer besseren Welt". In Wahrheit beweist gerade die Aktion am Chomolungma, dem heiligen Berg der Tibeter, dass die chinesische Führung unter Frieden die Abwesenheit von Kritik versteht. Und eine bessere Welt darf nur so aussehen, wie Peking sie sich vorstellt. Hoffentlich bläst die Göttin-Mutter der Erde am Gipfel einfach die Fackel aus.