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Ein Scherbenhaufen

Thomas Mösch6. Februar 2008

Die jüngsten Entwicklungen im Tschad führen einmal mehr die Fehler der europäischen Politik vor Augen. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich und die EU müssten umdenken, um den Tschad auf Dauer stabilisieren zu können.

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Thomas Mösch
Thomas Mösch
Wieder einmal fällt den Europäern, insbesondere den Franzosen, ihre verkorkste Afrika-Politik vor die Füße. Was jetzt im Tschad passiert, ist keine Überraschung und wird immer wieder passieren, solange die Regierungsmacht im Lande lediglich ein Mittel ist, um bestimmte Interessen einzelner Gruppen oder internationaler Mächte durchzusetzen.

Frankreich hat den Tschad nie wirklich in die Unabhängigkeit entlassen und die Europäische Union hat Paris im verarmten Herzen Afrikas machen lassen, ohne sich viel um demokratische Werte oder gar Menschenrechte zu kümmern. Solange es französischen Interessen dient, wird Präsident Idriss Déby an der Macht bleiben. Für die große Masse der Tschader würde allerdings auch ein mit Waffen erkämpfter Machtwechsel nichts ändern, denn der Konflikt beschränkt sich auf die gleiche Elite, die das Land schon seit Jahrzehnten beherrscht und ausplündert.

Frankreichs zynische Politik

Das beste Beispiel für die zynische Politik Frankreichs ist Déby selbst. Er kam 1990 auf dem gleichen Weg an die Macht, den jetzt seine früheren Verbündeten und heutigen Gegner beschreiten wollten. Später legte sich Déby in Absprache mit Paris ein pseudo-demokratisches Gewand zu. Letzte Zweifel an seinen wahren Absichten zerstreute er vor knapp drei Jahren, als er die Verfassung so ändern ließ, dass er erneut zu den dann wieder manipulierten Wahlen antreten konnte.

Der Tschad liegt zentral im Herzen Afrikas und ist somit unverzichtbar als Frankreichs letzte große Militärbasis auf dem Kontinent. Außerdem ist das bitterarme Land in den letzten Jahren in die Reihe der Ölförderländer aufgestiegen. Déby hat es allen Warnungen zum Trotz geschafft, sich gegenüber der Europäischen Union und den USA als Garant für ein reibungsloses Ölgeschäft zu präsentieren. Die Vereinbarungen mit der Weltbank, die auch der Masse der Bevölkerung einen Anteil am Ölreichtum sichern sollten, hat Déby inzwischen völlig verwässert.

Nachbarhilfe im Sudan

Auch die Krise in der sudanesischen Provinz Darfur kam Déby zu Hilfe. Er selbst dürfte an der Eskalation dort nicht ganz unbeteiligt gewesen sein. Und nun wird der Tschad gebraucht für die Versorgung der zahllosen Flüchtlinge. Die unmittelbar bevorstehende Stationierung der EU-Truppe an der sudanesischen Grenze hätte Débys Macht sicher weiter stabilisiert. Deshalb kann es nicht überraschen, dass die mit großer Wahrscheinlichkeit vom Sudan unterstützen Rebellen ausgerechnet jetzt eine Entscheidung suchten.

Es ist sicher richtig, dass die Afrikanische Union und auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen deutlich gemacht haben, dass eine gewaltsame Machtübernahme inakzeptabel ist. Doch Paris und Brüssel müssen nun endlich erkennen, dass nur ehrliche Kompromisse und eine Machtbeteiligung aller wichtigen Gruppen den Tschad auf Dauer stabilisieren können. Sonst werden die Menschen dort weiter nur Zuschauer bleiben bei den wiederkehrenden Versuchen bewaffneter Gruppen, sich einen Platz in der Regierung freizuschießen.