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Serbien: Nationalrat der Deutschen gegründet

20. Dezember 2007

Die deutsche Minderheit in Serbien hat sich nach langwierigen Verhandlungen in einem Nationalrat organisiert. So will sie ihre Sprache und Kultur besser pflegen, aber auch politische Fragen ansprechen.

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Novi Sad Sitz des NationalratsBild: DW / Dinko Gruhonjic

In Novi Sad ist ein Nationalrat der deutschen Minderheit in Serbien gegründet worden. Als letzte unter den Minderheiten in Serbien hat damit auch die deutsche Minderheit nach jahrelangen Diskussionen einen Nationalrat gebildet. Zum Vorsitzenden wurde Andreas Bürgermayer gewählt. Er ist auch Vorsitzender der „Donau“, des ältesten Vereins der Deutschen, der 1992 in Novi Sad gegründet worden war. Bürgermayer sagte der Deutschen Welle, die Gründung des Nationalrates der Deutschen habe fünf Jahre intensiver Bemühungen gekostet. Die großen Unstimmigkeiten, die unter den zahlreichen Vereinen der Deutschen in der Vojvodina herrschten, seien nun endlich überwunden. Viele habe man davon überzeugen müssen, dass die Gemeinschaft die einzige Möglichkeit für das Überleben der nationalen Minderheit sei, erklärte Bürgermayer.

Er sagte weiter: „Wir bestätigen durch diesen Nationalrat, dass wir existieren und noch hier leben. Dadurch bekommen wir den Status einer nationalen Minderheit und alle gesetzlich und verfassungsrechtlich vorgesehenen Rechte.“ Künftig werde es einfacher sein, Sprache, Kultur und Brauchtum zu pflegen, weil der Staat den Rat unterstützen werde. Die Gründung des Nationalrates sei für die Deutschstämmigen in der Vojvodina von historischer Bedeutung, meint Bürgermayer.

Einsatz für deutsche Opfer

Vor dem Nationalrat lägen auch schwierige politische Aufgaben, „wie die Rehabilitierung aller unschuldigen so genannten Volksdeutschen, die in der Nachkriegszeit in jugoslawischen Lagern ums Leben kamen. Wir müssen uns für die unschuldigen Opfer einsetzen, auch wegen ihrer Enteignung und Restitution. Zu unseren wichtigsten Aufgaben gehört außerdem, das vorherrschende negative Stereotyp über Deutsche in Serbien zu ändern“, sagt Bürgermayer.

Schwierige Lage in 90er Jahren

Als er 1992 den ersten deutschen Verein in der Vojvodina gegründet habe, berichtet Bürgermayer weiter, sei er mit diversen Unannehmlichkeiten konfrontiert gewesen. Schließlich sei Krieg in der Region gewesen und Nationalismen seien in ganz Serbien hoch gekocht. In Srem, dessen Hauptstadt Novi Sad ist, habe der Radikalenchef Vojislav Seselj mit einer paramilitärischen Einheit sein Unwesen getrieben. Heute muss dieser sich vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantworten, u. a. auch wegen Verbrechen in der Vojvodina. Heute sei die Lage für die deutsche Minderheit um einiges einfacher. „Ich habe damals sogar meine Arbeit verloren. Aber es war, wie es war. Jetzt ist es vorbei. Und ich sage, jetzt lässt es sich einfacher leben“, erzählt Bürgermayer.

Nach der letzten Volkszählung im Jahr 2002 leben in Serbien 3.901 Deutsche. Schätzungen zufolge wurden nach dem Zweiten Weltkrieg mehr als 400.000 Deutsche aus der Vojvodina vertrieben. Sie wurden enteignet, ihnen wurde die Staatsbürgerschaft sowie alle Bürgerrechte entzogen. Zugleich wurden sie kollektiv schuldig erklärt für die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands im Zweiten Weltkrieg. Mindestens 20.000 Deutschstämmige aus der Vojvodina – überwiegend Frauen, Kinder und ältere Menschen – sind in den kommunistischen Lagern der Nachkriegszeit an Schwerstarbeit, Hunger und Krankheit gestorben.

Dinko Gruhonjic, DW-Serbisch