1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Österreich: Vom Jodeln zum Dudeln

Gerald Schubert (Oktober 2007)

Spätestens seit der Verfilmung des Kultmusicals "The Sound of Music" gehört es zu den bekanntesten Kulturexporten Österreichs: Das Jodeln. Doch Hand aufs Herz: Wer hat schon einmal etwas vom Dudeln gehört?

https://p.dw.com/p/BsXF
In dieser Idylle geht es hoch her!
In dieser Idylle geht es hoch her!Bild: DW/Schubert

Nein, es handelt sich nicht um den übermäßigen Konsum von Wein, nach dem man – wie man in Wien sagt – angedudelt ist. Dudeln, das ist die Wienerische Variante des alpenländischen Jodelns. Ein Stück lebendig gebliebener Kulturgeschichte, das jedoch nicht nur im Ausland weitgehend unbekannt ist, sondern eigentlich auch schon vor den Toren der österreichischen Hauptstadt.

Ein Geschenk der Alpen

Agnes Palmisano gehört zur jüngeren Generation der Dudler
Agnes Palmisano gehört zur jüngeren Generation der DudlerBild: DW/Schubert

Untrennbar ist das Dudeln mit der Wiener Musik verbunden. So wie die Wiener Musik mit den Weinlokalen am Rande der Stadt – den Heurigen. Beim Heurigen treffen wir auch auf Agnes Palmisano, die mit Anfang dreißig zur jungen Generation der Wiener Dudlerinnen gehört. Vor etwa 200 Jahren, sagt sie, sei der Vorläufer des Dudelns, das alpenländische Jodeln, von den Bergen herunter in die Hauptstadt der Habsburgermonarchie gekommen. Fahrende Händler oder Glücksritter aller Art hätten es im Gepäck gehabt.

Einige der Händler, so Palmisano, fanden bald heraus, dass sie mit ihrer Musik mehr Geld verdienen konnten als mit den mitgebrachten Waren. "In Wien hat um diese Zeit, also Anfang des 19. Jahrhunderts, die Landlust geboomt", erklärt sie, "die Sehnsucht nach den Bergen, nach dem Landleben. Man hat sich gern ländlich gegeben, Trachten angezogen, und dadurch hat auch das Jodeln so stark reüssiert. In Wien ist es dann aber natürlich weiter entwickelt worden."

Aus Jodeln wird Dudeln

Ein Notenbuch
Dudeln nach NotenBild: DW/Schubert

Die Entwicklung vom Jodeln zum Dudeln verlief langsam. Lange Zeit wurden die Begriffe sogar synonym verwendet. Gemeinsam ist beidem vor allem der Wechsel zwischen Brust- und Kopfstimme. Aber Unterschiede gibt es natürlich auch. Ein klassischer alpiner Jodler sei a cappella, erläutert Palmisano, also ohne Instrumente. Es gehe dabei darum, über weite Distanzen möglichst laut zu schreien. Das mit den weiten Distanzen und dem lauten Schreien sei aber in den kleinen Gastgärten oder in den kleinen Wohnungen Wiens schon immer ein Problem gewesen. Daher sei die Art zu singen in Wien eine grundlegend andere.

Man sang verhaltener, dafür kamen Instrumente hinzu: ein Akkordeon, eine Gitarre, vielleicht eine Geige. In der großen Stadt Wien gab es gute Instrumente, und auch Leute, die eine gute musikalische Ausbildung genossen haben. Die Vorstellung, dass da jemand in einem verschneiten Bergdorf sitzt, sich eine Geige schnitzt und darauf Musik macht, diese Vorstellung passt nicht in das professionelle Umfeld der Donaumetropole. Das oft simple Strickmuster alpiner Jodler wurde in Wien nach und nach verfeinert, es entstanden Dreiklangsbrechungen und melodische Ausweichungen. Die menschliche Stimme versuchte, die Instrumente nachzuahmen – oder sie vielleicht sogar zu übertreffen.

Die Grande Dame des Wiener Dudelns

Wien auf der Karte
Bild: AP GraphicsBank/Wolf Broszies

Eine der Lehrmeisterinnen von Agnes Palmisano war Trude Maly. Mit fast 80 Jahren ist sie Grande Dame des Wiener Dudelns. "Die Trude ist mit dieser Musik wirklich aufgewachsen", sagt Palmisano. "Sie hat das Dudeln von ihrer Tante gelernt und war als kleines Kind schon so etwas wie ein Kinderstar. Schon als Kind hat sie Konzertreisen absolviert, auf denen sie gedudelt hat. Später hat sie ein Gasthaus übernommen und dort als Kellnerin gearbeitet. Für sie war die Musik und das Dudeln ihr Leben, ein Teil ihrer Kultur."

Trude Maly gilt heute als Urgestein des Dudelns, und damit auch als Urgestein der Wiener Gesangskunst. Der für das Dudeln so typische Kehlkopfschlag findet sich aber auch in Nordeuropa, in Amerika, in Afrika. Und sogar in Asien, erzählt Agnes Palmisano: "Ich war letzte Woche in China. Da habe ich festgestellt, dass bei den Chinesen, in der traditionellen Peking-Oper, diese Vorliebe, zwischen sehr gepresstem Falsett und ganz tiefen Tönen zu wechseln, auch sehr ausgeprägt ist. Ich glaube, die Lust, die ganze Bandbreite der Stimme auszunützen, die muss sich letztlich überall finden."

Das echte Dudeln aber bleibt doch eine Wienerische Tradition. Dudlerinnen wie Agnes Palmisano haben in den letzten Jahren wieder vermehrt ein junges Publikum begeistert. Gibt es gar einen neuen Dudel-Trend? Vielleicht. Aber Wein getrunken und gesungen und gedudelt haben die Wiener beim Heurigen eigentlich immer.