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Portugal: Jüdische Traditionen in Belmonte

Juliette Laurent (September 2007)

"Konvertierung oder Exil" - vor diese Wahl stellte das katholische Königspaar 1492 die Juden in Spanien. Tausende verließen das Land, einige fanden gegen hohe Geldzahlungen in Portugal Zuflucht.

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Außenansicht der Synagoge Bet Eliahu in Belmonte
Die Synagoge Bet Eliahu in Belmonte wurde 1966 eingeweihtBild: DW

In der Beira, einer Grenzregion im Norden Portugals, fanden jene Juden Zuflucht, die aus Spanien geflüchtet waren, bis auch sie sich nach nur fünf Jahren zwischen Exil oder Konvertierung entscheiden mussten. Doch das hat viele portugiesische Juden, die sogenannten "Marannen", nicht daran hindern können, ihre Religion weiterhin auszuüben - jetzt im Verborgenen.

500 Jahre lebten die Marranen im Verborgenen

Eingeritztes Kreuz an einem steinernen Hauseingang
Kreuze an den Türen der Häuser sollten die Bekehrung zum Katholizismus beweisenBild: DW

Erst mit Beginn der 1980er Jahre traten die sogenannten "neuen Christen", jene vor Jahrhunderten konvertierten Juden, an die Öffentlichkeit und bekannten sich zu ihren traditionellen Wurzeln. 1996 schließlich stifteten reiche marokkanische und nordamerikanische Juden dem Ort Belmonte eine Synagoge.

Heute gibt es nur noch wenige portugiesische Juden und ihre geheimen Riten gehen langsam verloren. Doch einige Mitglieder halten noch an ihnen fest. "Früher gab es das Krypto-Judentum, also die versteckte jüdische Religion, innerhalb der christlichen, katholischen Welt", sagt der Geschichtsprofessor David Canelo. "Heute finden wir noch immer Spuren dieses Krypto-Judentums, aber diesmal innerhalb des Judentums. Beide Male ist es vor den Augen der beiden großen Religionen versteckt - einmal vor dem Christentum, einmal vor dem Judentum. Immer gaben die Eltern ihren Kindern die Botschaft weiter, wie wichtig es sei, eine solche Religion mit all ihren Bräuchen geheim zu praktizieren: das Passahfest, die Gebete und so weiter ..."

Heimlichkeiten und Angst

Koschere Lebensmittel
Koschere LebensmittelBild: DW

José Henrique liest heute noch auf Ladino, einer Mischung aus Hebräisch, Spanisch, Portugiesisch und ein wenig Französisch. Wenn er ein wenig Zutrauen gefasst hat, erzählt der freundliche Herr von den heimlichen Zusammenkünften aus seiner Kindheit und von den Fleischgerichten, die sie heimlich gegessen haben, als gerade kein Rabbi da war, um nicht vor Hunger zu sterben.

In Belmonte lobt man gerne die guten Beziehungen zwischen den Christen und den Marranen. José Henrique spricht dagegen von Angst: "Natürlich ist die Zeit der Inquisition vorbei, aber die Angst ist geblieben. Selbst in der Zeit danach haben sich noch viele grausame Dinge ereignet. Es gab den Krieg. Hier in Belmonte wurden wir zwar nicht unterdrückt. Aber es gab dieses Misstrauen ... Ja, die Angst rührt von weit, weit her."

Koschere Wurst

Das Schloss von Belmonte
Das Schloss von BelmonteBild: DW

Ein gutes Drittel der portugiesischen Bevölkerung würde heute zu den ursprünglich spanischen Juden zählen. Obwohl sie die Verbindung zu ihrem Ursprung längst verloren haben, pflegen viele Portugiesen - egal, ob konvertiert oder nicht - die kulinarischen Bräuche ihrer Vorfahren. Hier zeigt sich, mit welcher Kunst die Krypto-Juden ihre Religion im Geheimen praktizierten.

Etwa am Beispiel der "Alheira", einer ganz speziellen Wurstsorte: Frau Antonia kennt das Rezept genau: "Wir nehmen ein Kaninchen und ein Hähnchen, schneiden beides in kleine Stücke, nehmen ein wenig Fett und frittieren beides zur gleichen Zeit. Danach geben wir Salz hinzu, so wie es zu unserer Tradition gehört, aber auch Gewürze und Pfeffer. Man vermischt alles. Genau so, als ob es Schweinefleisch wäre." Die "Alheira" ist nichts anderes als eine koschere Wurst, die man im Norden Portugals überall bekommt.

Kampf gegen das Aussterben

Belmonte auf der Landkarte
Bild: AP Graphics/DW

Die jüdischen Gemeinschaften in Portugal leben heute im Licht der Öffentlichkeit. Seit etwa zwanzig Jahren kehren unter dem Einfluss der Rabbiner immer mehr portugiesische Juden nach Israel zurück. Der Filmemacher Jorge Neves, Gründer der Ladino-Vereinigung in Porto, zeichnet ein differenziertes Bild: "Aus Sicht der Christen waren wir Juden, aber für die Juden waren wir das lange nicht. Heute haben wir diese Barrieren glücklicherweise überwunden."

In weniger als einer Generation wird die Kultur der marranischen Portugiesen vermutlich ausgestorben sein. Doch es gibt bereits Versuche, sie wieder aufleben zu lassen. Die Arbeit der Historiker hat gerade erst begonnen. Die Ladino-Sprache ist wieder im Kommen. Die portugiesische Musikgruppe "Rosa negra" jedenfalls singt voller Nostalgie vom "fado ladino".