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Regionalwahlen in Schottland

Mareike Aden30. April 2007

Am 1. Mai 1707 wurde aus England und Schottland das Vereinigte Königreich. 300 Jahre später will die Schottische Nationalpartei Unabhängigkeit für ihr Land - und führt in den Umfragen zu den Regionalwahlen am Donnerstag.

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Porträt von Alex Salmond, dem Vorsitzenden der Schottischen National Partei (SNP). Quelle: dpa
Alex Salmond, Vorsitzender der Schottischen Nationalpartei, liegt in Wahlumfragen vornBild: picture-alliance/dpa

Vor 300 Jahren trat die Vernunftehe in Kraft: Die Parlamente von Schottland und England wurden durch den so genannten "Act of Union" vereint, das Vereinigte Königreich von Großbritannien entstand. Doch vor allem bei den Schotten war der neue Partner unbeliebt. Von einer "Hochzeit mit einer Laus", einem Parasiten also, soll damals die Rede gewesen sein.

Am Donnerstag (3.5.07), nur zwei Tage nach dem 300. Jahrestag, haben die fünf Millionen Schotten bei den Regionalwahlen die Chance darüber abzustimmen, ob sie schon bald die Scheidung einreichen wollen. Denn für die Schottische Nationalpartei (SNP) unter Führung von Alex Salmond steht die Unabhängigkeit seines Landes ganz oben auf der politischen Agenda.

Wenige Tage vor den Wahlen liegt die SNP so gut wie nie zuvor in den Umfragen: In der von drei schottischen Universitäten durchgeführten Umfrage "YouGov", der umfangreichsten Studie des Wahlkampfes, kam sie auf 38 Prozent. Die schottische Labour-Partei, die mit Jack McConnell ins Rennen geht, erreichte nur 33 Prozent. Dabei war der Labour-Partei in Schottland bei vergangenen Wahlen stets eine hohe Stimmenausbeute gewiss.

Hauptlast Tony Blair

Tony Blair-Porträt mit Fingerzeig. Quelle: dpa
Tony Blairs Schatten liegt über der Wahl in SchottlandBild: picture-alliance/dpa

"Die erwartet hohen Stimmenzuwächse bei der SNP sind eher ein Kreuz gegen Tony Blair und seine Irak-Politik als ein Votum für die schottische Unabhängigkeit", sagt der BBC-Korrespondent in Schottland, Brian Taylor. Zwar versuche McConell mit seiner schottischen Labour-Partei einen von Blair unabhängigen Wahlkampf zu führen - aus Wissen um dessen geringe Beliebtheit. Gleichzeitig betone er aber ständig, dass es Schottland innerhalb des Vereinigten Königreiches besser gehe und erinnere damit an Blair.

Auch der Politologe John Curtice von der Universität Strathclyde, Mitorganisator der Meinungsumfrage "YouGov", sieht in Blair das Hauptproblem von Labour. "Vor Jahren hat Blair gewarnt, dass die Schotten einen hohen Preis für ihre Unabhängigkeit zahlen müssten. Aber wer glaubt einem Mann, der sagte, dass Saddam Hussein innerhalb von 45 Minuten mit Massenvernichtungswaffen angreifen könnte?", so Curtice.

"Druck aus der Unabhängigkeitsdebatte ist raus"

Der deutsche Großbritannien-Experte Bernd Becker bezweifelt jedoch, dass die SNP den Vorsprung aus den Umfragen halten kann. "In der letzten Woche vor der Wahl tut sich in Großbritannien immer sehr viel", sagt Becker, der im Jahr 1997 im Wahlkampfteam des damaligen Außenministers Robin Cook mitarbeitete und derzeit für das Großbritannien-Zentrum der Humboldt Universität Berlin tätig ist. Der Druck aus der Unabhängigkeitsdebatte sei Ende der 90er-Jahre verschwunden, als Tony Blair im Zuge der so genannten "Devolutions" ein schottisches Parlament überhaupt erst einrichtete und ihm im Laufe der Zeit mehr Hoheitsrechte übertrug. "Die Schotten sorgen sich derzeit mehr um das Gesundheitssystem oder die Kinderbetreuung", sagt Becker.

"Die meisten Schotten wollen, dass sich ihr Nationalstolz und ihre Identität in den politischen Strukturen widerspiegelt", ist dagegen BBC-Journalist Taylor überzeugt. "Viele übersetzen das nun mal mit Unabhängigkeit". Doch selbst wenn es der Nationalpartei gelänge, ihren Vorsprung zu halten, eine baldige Unabhängigkeit Schottlands bedeutet das nicht automatisch. "Bis dahin ist es ein sehr langer Weg", sagt Politologe John Curtice von der Uni Strathclyde. Schließlich seien derzeit nur rund 30 Prozent der Schotten für eine Unabhängigkeit.

Referendum frühestens in drei Jahren

Panorama-Blick auf Edinburgh. Quelle: dpa
Blick vom Calton Hill nach Edinburgh,Bild: picture-alliance/dpa

Das ist auch SNP-Politikern um Alex Salmond bewusst. Sie versprechen zwar eine Abstimmung über die Unabhängigkeit, aber diese soll erst nach drei Jahren abgehalten werden. Damit wollen sie auch den politischen Gegnern, die "den Schotten bewusst Angst vor der Unabhängigkeit machen", die Argumente nehmen, sagt Taylor.

Während in der Bevölkerung - allem Nationalstolz zum Trotz - noch Sorge vor möglichen ökonomischen Folgen herrscht, sehen Mitte-Rechts-Kräfte einem Ende des "Union Acts" freudig entgegen. "Nach 300 Jahren Vereinigung zu beiderseitigem Vorteil sollte Schottland nun seinen eigenen Weg gehen - und ich glaube es wird geschehen", sagt Madsen Pirie, Präsident des Adam Smith Instituts in London. "Schottland könnte die Steuern für Unternehmen senken und dann, wie Irland nach der Unabhängigkeit, von, neuen Firmenansiedlungen profitieren."

Koalitionspartner verzweifelt gesucht

Unklar ist allerdings noch, mit welchem Koalitionspartner die SNP im Falle eines Wahlsieges regieren wird - oder ob sie überhaupt einen findet. "Die Labours und die Tories kommen nicht als Koalitionspartner in Frage, und die Liberalen haben deutlich gemacht, dass sie sich eine Koaltion zwar vorstellen können, aber dann ohne Referendum ", sagt Taylor. Dennoch wird am Donnerstag ein großer Teil des poltischen Großbritanniens auf die Ergebnisse der schottischen Regionalwahlen schauen. "Es ist die wichtigste Wahl in Schottland seit vielen Jahren", sagt Brian Taylor. "Schließlich könnte allen Unwägbarkeiten zum Trotz das Ende einer 300-jährigen Geschichte beginnen."