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Heiße Phase

9. April 2007

Knapp zwei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen in Frankreich steht die größte Partei fest - die der Unentschiedenen. Die Spitzenkandidaten verschaffen sich dagegen Profil durch Probleme - nicht durch Programme.

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Jacques Chirac (Quelle: AP)
Wer beerbt Jacques Chirac?Bild: AP

In Frankreich hat am Ostermontag (9.4.2007) offiziell die heiße Phase des Wahlkampfes um die Nachfolge von Präsident Jacques Chirac begonnen. Die zwölf Bewerber um das Präsidentenamt dürfen jetzt in einer ausgelosten Reihenfolge vor den etwa 65.000 Wahlbüros ihre Plakate anbringen. Fernsehen und Radios strahlen die kurzen Wahlkampfspots der Kandidaten in den kommenden beiden Wochen nach einem präzise festgelegten Schlüssel aus.

Zwei von fünf Franzosen unentschlossen

Doch auch kurz vor der Präsidentenwahl wissen 18 Millionen Wahlberechtigte noch nicht, welchem der 12 Kandidaten sie am 22. April ihre Stimme geben werden. Diesen sehr hohen Anteil von Unentschiedenen - rund 42 Prozent der Wahlberechtigten - ergaben zwei am Ostersonntag veröffentlichte Umfragen. "Das sind immerhin zehn Prozentpunkte mehr als im Jahr 2002 rund zwei Wochen vor der Wahl", erläuterte Frédéric Dabi von dem Meinungsforschungsinstitut Ifop.

Er wertete dies als "Unsicherheit, was das Angebot anbetrifft". Viele Wähler fragten sich offensichtlich, ob die Kandidaten "auf der Höhe seien, das Staatsamt auszufüllen". Die Millionen Unentschlossenen erhöhen die Spannung und die Möglichkeit überraschender Ergebnisse, so wie im Jahr 2002, als Le Pen in die Stichwahl gegen Chirac einzog. Dazu trägt bei, dass sich der Wahlkampf weniger an Themen als an der Person der Kandidaten festmacht. Die meisten Umfragen sehen noch immer den ehemaligen Innenminister Sarkozy vorn, gefolgt von der Sozialistin Royal und dem Kandidaten der Zentrumspartei, Bayrou. Profil haben sich die drei Favoriten zuletzt vermehrt durch diverse Fehltritte verschafft:

Nicolas Sarkozy

Nicolas Sarkozy (Quelle: AP)
Nicolas SarkozyBild: AP

Er renne Türen ein, um einen Raum zu betreten und verlasse diesen anschließend durch das Fenster oder den Kamin, beschrieb ein Biograf die hemdsärmelige Art von Nicolas Sarkozy. Obwohl der Spitzenkandidat der Konservativen (UMP) als Favorit für die Wahlen gilt, sind viele Franzosen bei der Vorstellung eines Präsidenten Sarkozy "unruhig", attestieren Umfragen. Dafür sorgen wohl nicht zuletzt die rhetorischen Ausrutscher des 52-Jährigen. Zuletzt hatte er das angebliche Schlachten von Schafen in den Wohnzimmern gläubiger Muslime kritisiert. Gegner sehen in Sarkozy einen kalten Neoliberalen und knallharten Law-and-Order-Verfechter - ein Ruf, den Sarkozy sich als Innenminister (er legte den Posten vor wenigen Wochen nieder) erarbeitete.

Ségolène Royal

Ségolène Royal (Quelle: AP)
Ségolène RoyalBild: AP

Sie habe manchmal eine zu hohe Meinung von sich, aber das wisse sie. Dies beschreibt die Kandidatin der Sozialisten in einem neuen Buch als ihren größten Fehler. Ihr größtes Problem sind gegenwärtig diverse politische Fehltritte und Streit in der eigenen Partei. Einige Sozialisten warfen Royal vor, ihre Partei nicht genug in den Wahlkampf einzubeziehen oder sich zu weit von den sozialistischen Ideen entfernt zu haben. Neben unterschiedlichen Posititionen eint sie einiges mit Sarkozy: Beide haben Kinder, denen jeweils ein Motorroller entwendet wurde und beide sollen bei den anschließenden Ermittlungen von der Polizei bevorzugt behandelt worden sein. Weniger überraschend, verbindet sie ebenfalls eine Abneigung gegen das Programm des dritten aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten.

François Bayrou

François Bayrou (Quelle: AP)
François BayrouBild: AP

Ursprünglich der krasse Außenseiter, hat Bayrou mit seinem Husarenritt für eine "neue Mehrheit" in der Mitte die Herzen vieler Franzosen gewonnen. Weil er sowohl im linken wie im rechten Lager Stimmen wildert, destabilisiert der Kandidat von der Zentrumspartei (UDF) beide "Favoriten". Sein Problem: Er darf nicht Dritter werden. Denn kommt er erst einmal in die Stichwahl, so prophezeien Prognosen, dann würde Bayrou sowohl gegen Sarkozy als auch Royal einen klaren Sieg davon tragen - und Präsident werden. Fast scheint er für den Fall vorzusorgen, und will sich die Anhänger aller großen Lager genehm stimmen, indem er sich ausgleichend in die zwischen Sarkozy und Royal tobende Schlammschlacht einschaltet. Auf der Suche nach seinen Fehlern sind die Medien fündig geworden: Bayrous Auto sei zwischen Wahlkampfterminen mit bis zu 50 km/h zu schnell unterwegs gewesen. Dies verschafft ihm allerdings nur einen dritten Rang. An er Spitze der wahlkämpfenden Verkehrssünder ist ein gewisser Nicolas Sarkozy. Sein Wagen sei mit 130 km/h durch eine Zone mit Tempolimit 70 gerast.

Jean-Marie Le Pen

Jean-Marie Le Pen (Quelle: AP)
Jean-Marie Le PenBild: AP

Ach ja, dann ist da noch der 78-jährige Rechtspopulist. 2002 schaffte er mit knapp über 16 Prozent der Stimmen völlig überraschend den Sprung in die Stichwahl. Seine extremen Positionen scheint er seit dem wenig geändert zu haben. Von einem absoluten Einwanderungsstopp ist er zwar abgerückt. In der vergangenen Woche machte er wieder mit Äußerungen über Rassenunterschiede von sich reden. Zuletzt brandmarkte er seinen ungarisch-griechischstämmigen Konkurrenten Sarkozy als Kandidaten "der Immigration" und behauptet, der größte Teil der Unschlüssigen würden seine Parte wählen - sie trauten sich lediglich nicht, es den Meinungsforschern zu sagen. Sein fragwürdiger Realitätssinn hält ihn immerhin auf Platz vier in den Umfragen. (rri)