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Griechische Minderheit in Albanien: Vom Störfaktor zum Wegbereiter

8. Februar 2007

Zu den 3,1 Millionen Einwohnern Albaniens zählen auch 150.000 Griechen. Sie stellen die größte ethnische Minderheit und leben vor allem im Süden des Landes. Ein DW-Reporter hat die Region bereist und sich dort umgehört.

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Im Gespräch mit einer griechischen AlbanerinBild: DW

Im Dienstwagen des albanischen Arbeitsministers hört der albanische Fahrer griechische Musik. Der Minister heißt Kostas Barkas. Er ist griechischer Abstammung und kommt aus der „Partei für die Union der Menschenrechte", die in der Koalition unter Premier Sali Berisha mitregiert. Das ist ein Zeichen für die Umwandlung Berishas vom Saulus zum Paulus. In seiner ersten Regierungsperiode war er ein entschiedener Gegner der griechischen Minderheit. Heute ist er ihr größter Gönner.

Theorie und Praxis

Der Schutz der Minderheiten in Albanien ist heutzutage unumstritten; zumindest theoretisch. In der Realität sehe es anders aus, meint der Vorsitzende der „Partei für die Union der Menschenrechte", Vangelis Doules: "Es gibt eine unüberbrückbare Kluft zwischen dem Gesetz auf dem Papier einerseits und der Praxis im Alltag. Viele Aspekte der internationalen Konventionen werden nicht respektiert. Dafür gibt es zwei Hauptgründe: es fehlen die Mechanismen des Staates für die Umsetzung der Gesetze einerseits und andererseits fehlt sehr oft auch der politische Wille."

Kritik an Geschichtsbüchern

Das zeigen die Schulbücher für Geschichte und Heimatkunde. Der Vize-Direktor der Pädagogischen Akademie in Gjrokastra, Dimitris Kikis, bemängelt, dass diese Bücher das Bild Großalbaniens vom Kosovo bis Skopje und Nordgriechenland präsentieren. Solche Bücher gehören der Vergangenheit und nicht der Zukunft an, prangert der Journalist Orfeas Mpetsis an: „Sowohl in der EU als auch bei der UNESCO gibt es einen gemeinsamen Geist, was die Überwindung des nationalen Hasses in den Schulbüchern betrifft. Gegen diesen Geist verstoßen diese Bücher. Es ist eine doppelte Provokation, wenn diese Schulbücher auch für die griechische Minderheit übersetzt und in den Schulen benutzt werden.“ Diese Bücher unterminierten auch das freundschaftliche Verhältnis zu Griechenland, mit dem Albanien in der NATO und der EU zusammenarbeiten wolle. „Das ist kein geeigneter Lehrstoff für die Generation, die mit den Griechen in der europäischen Familie zusammenleben wird", gibt Mpetsis zu bedenken.

Fortschritt in Bildung und Politik

Seit letzten September gibt es im südalbanischen Himara eine griechische Schule, die erste seit 50 Jahren. Es ist eine Privatschule mit Modellcharakter. In mehreren Städten sollen weitere folgen. Auch für Kinder von Albanern, die nach Griechenland emigriert sind, eine attraktive Alternative. Im Süden des Landes ist die politische Organisation OMONOIA eine dominierende Kraft. Sie hatte bei den letzten Parlamentswahlen gut abgeschnitten und deshalb konnte sie den Präfekten von Gjrokastra und Tepelena stellen. So wurde Spyros Xeras der erste Grieche auf diesem Posten. Er scheut sich nicht, die Probleme der griechischen Minderheit offen anzusprechen. „Die Eigentumsfrage ist noch ungeklärt. Unsere Leute müssen vor Gericht gehen. Und wie Sie wissen, funktionieren die Gerichte, die Staatsanwaltschaften und die ganze Justiz nicht besonders gut. Das ist ein großes Problem für die gesamte albanische Gesellschaft und ein noch größeres Problem für die griechische Minderheit." Darunter leidet besonders die orthodoxe Kirche, die ihr Eigentum einklagt. Nun haben die staatlichen Behörden die Aufgabe, diesen letzten Störfaktor in der Beziehung zu der orthodoxen Kirche zu beseitigen.

Interesse an Informationen in Griechisch

Wer heute durch die Dörfer der griechischen Minderheit im Süden Albaniens fährt, sieht oft Ortstafel in zwei Sprachen - als Manifestierung des politischen Willens für die Zweisprachigkeit, selbst wenn Ortstafeln beschädigt werden. Die Griechen, die in Albanien leben, haben Zugang zu Informationen auch in ihrer Muttersprache. Eine Reihe von Zeitungen erscheint auf Griechisch - etwa die „Tachydromos" (Der Briefträger) oder die zweisprachige Zeitung "to Orama" (Die Vision). Das staatliche Fernsehen bietet im Raum Gjirokastra eine halbstündige Sendung in griechischer Sprache. Das Angebot müsse erweitert werden, das Interesse sei groß, sagt die Journalistin Elena Kaloudi. Die griechische Minderheit lebe zusammen mit den Albanern und nicht parallel zu ihnen, unterstreicht Vangelis Doules, dessen Partei eine entscheidende Rolle auf dem Weg Albaniens in die EU spielen soll: "Wir kämpfen in der erste Reihe für die Europäisierung des Landes und die Aufnahme in die euro-atlantischen Strukturen. Aus ganz praktischen Gründen: nur wenn unser Land die europäischen Prinzipien erfüllt, werden auch die Minderheitsrechte garantiert. Die griechische Minderheit hat immer für Fortschritt und Entwicklung gekämpft."

Bald werden sie auch dafür belohnt. Nach einer Vereinbarung zwischen den Regierungen in Athen und Tirana können demnächst die in Albanien lebenden Griechen auch die griechische Staatsangehörigkeit erwerben. Das wäre die Erfüllung eines Traumes für Georgios Vlachos und Jannis Butsos, emittierte Professoren in Tirana. „Wir werden als Griechen sterben. Für uns Rentner hat es keine praktische Bedeutung, aber wir können sagen: wir Griechen, wir sind Bürger Griechenlands." Somit werden sie die ersten EU-Bürger Albaniens werden, obwohl ihr Land noch lange auf die Aufnahme in die EU warten muss.

Georgios Pappas

DW-RADIO/Griechisch, 31.1.2007, Fokus Ost-Südost