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Zwiespalt der Blauhelme

28. Januar 2007

Seitdem die Blauhelme in ihrem Einsatzgebiet verstärkt Gefahren ausgesetzt sind, wurde das "robuste" Mandat geschaffen. Doch die Gradwanderung zwischen Vermittlerrolle und Parteiergreifung ist nach wie vor schwer.

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Ein brasilianischer Blauhelmsoldat hält aus einem Gebäude heraus im Slum von Cite-Soleil in Port-au-Price Ausschau. Im Vordergrund steht sein Gewehr. Quelle:AP
Blauhelmsoldat in HaitiBild: AP

"Friedenseinsätze brauchen ein robusteres Mandat und eine verbesserte personelle und materielle Ausstattung." Das sagte Joschka Fischer in seiner Rede vor der Generalversammlung der United Nations (UN) im Jahre 2000. Seine Forderung wird noch heute von vielen Politikern vertreten, auch wenn sie nicht neu ist.

Inmitten von skrupellosen Milizen und Warlords Frieden zu stiften, war den Blauhelmen mit ihrer bisherigen "weichen" Strategie nicht möglich. Die Unterstützung der demokratischen Entwicklung, die Entwaffnung von Bürgerkriegsarmeen oder die Rückführung der Flüchtlinge erweiterten deshalb seit den 1990er-Jahren das Aufgabenspektrum der Truppen.

Dennoch mussten sich die Friedenstruppen etwa im Jugoslawien-Konflikt zunehmend Gefahren aussetzen, denen sie mit ihrer mangelnden Ausrüstung, Ausbildung und ihren Befugnissen hilflos gegenüberstanden. Die Konfliktbeilegung sollte immer noch nach dem Vorbild der traditionellen Friedensmissionen im Konsens erfolgen; die Waffen sollten nur zur Selbstverteidigung genutzt werden. Als die Blauhelme im Laufe der Jahre zunehmend zwischen die Fronten gerieten, wurde das "robuste" Mandat geschaffen: ebenfalls konsensorientiert - aber mit der Erlaubnis, in Einzelfällen Waffengewalt einzusetzen.

Das Risiko, die Vermittlerrolle einzubüßen

Vorrangig dient die robuste Option aber der Abschreckung. Falls die Abschreckung versagt, geraten die Blauhelme schnell in Gefahr, in die Kampfhandlungen hineingezogen zu werden und ihre Rolle als Vermittler einzubüßen. Leopold von Carlowitz, Gastforscher bei der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung und von 1999-2001 Leiter des Referats für Eigentumsfragen bei der Zivilverwaltung der UNO im Kosovo (UNMIK), hält eine ausreichende Bewaffnung der Blauhelme für dringend notwendig. "Natürlich muss eine Legitimation für den Eingriff vorliegen. Unter Druck können zwei Streitparteien allerdings manchmal besser zusammenkommen, als wenn eine Partei oder mehrere ständig nach einem Konsens suchen, der nicht gefunden werden kann oder will", erklärt von Carlowitz.

Bevor man die Ursachen von Konflikten mit zivilen Mitteln beseitigen kann, ist in manchen Fällen - wie Bosnien-Herzegowina oder Ost-Timor gezeigt haben - tatsächlich vorerst militärisches Personal notwendig, um eine stabile Ausgangssituation zu schaffen.

Doch die Bereitschaft der Länder, dieses Personal zur Verfügung zu stellen, ist in Anbetracht der Risiken nicht so groß wie die Bereitschaft, Truppen für weitgehend gefahrloses Peacekeeping zu entsenden. Leopold von Carlowitz sieht dies als ein Problem und weist darauf hin, dass dem UN-Generalsekretär laut der UN-Charta ursprünglich eine eigene schnelle Einsatztruppe zugedacht war. Dieses Vorhaben wurde jedoch bis heute nicht umgesetzt.

Der Report der Brahimi-Kommission von August 2000 im Auftrag des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan verdeutlicht, dass es den Blauhelmen zukünftig möglich sein müsse, bei Angriffen auf Zivilpersonen einschreiten zu können. Durch den Sicherheitsrat bestätigt können robustere Mandate dies vielleicht bewältigen. Letzten Endes muss für jedes Land ein individueller Ansatz gefunden werden.

Sina Lauer, Studiengang Online-Journalismus, Hochschule Darmstadt