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Der graue Lappen stirbt

Alexander Kudascheff22. November 2006

Insgesamt gibt es in der Europäischen Union 110 verschiedene Führerschein-Modelle und Führerscheinklassen. Das soll anders werden. Aber erst in 26 Jahren.

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Ältere Deutsche, die bis in die siebziger Jahres des letzten Jahrhunderts hinein ihren Führerschein erworben haben, nennen die graue Pappkarte wegen ihrer schlabbrigen Konsistenz gerne den "Lappen". Der graue Lappe wurde in den Achtzigern durch ein rosafarbenes Papp-Triptichon ersetzt. In den Neunzigern kam die scheckkarten-große Plastikkarte hinzu.

Nach zähen Beratungen haben sich Ministerrat und Parlament auf eine Richtlinie zur Lichtung des Führerscheindschungels in der Europäischen Union geeinigt. Der graue Lappen wird sterben, allerdings nicht so schnell. Der Zwangsumtausch in den neuen EU-Führerschein ist erst in 26 Jahren vorgesehen. Bis dahin dürften viele Besitzer der fettigen Pappkarten das Zeitliche gesegnet haben.

Führerschein muss erneuert werden

"Wir setzen auf die biologische Lösung", meinte Willi Piecyk, verkehrspolitischer Sprecher der Sozialisten im Europaparlament. Insgesamt sollen in der EU 200 Millionen alte Führerscheine gegen neue Plastikkarten mit EU-Logo eingetauscht werden. Registriert werden die Fahrerlaubnisse dann in einer zentralen Führerschein-Behörde, die auch Fahrverbote und Punkte verwaltet. Alkoholsünder ohne Führerschein im Heimatland können also nicht mehr mal eben im Nachbarland einen neuen Lappen erwerben.

Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber moserte, dadurch werde die Bürokratie unnötig aufgebläht. Vor allem wurmt den Konservativen die Tatsache, dass die neuen EU-Führerscheine nur noch zehn Jahre gültig sein werden, und nicht mehr lebenslänglich, wie das bislang in Deutschland üblich war. Dass die Fahrerlaubnis nur mit dem Tod des Autofahrers erlischt, ist allerdings nur noch in Deutschland, Frankreich, Belgien und Österreich so. In allen anderen EU-Staaten müssen die Führerscheine in unterschiedlichen zeitlichen Rhythmen erneuert werden, genau wie Pässe und Personalausweise, um Fotos und Adressen abzugleichen.

Ausnahmen und Übergangsfristen

In manchen Ländern sind auch medizinische Tests vorgesehen: Augen, Ohren, Reaktionsvermögen. Dagegen hat sich Deutschland in der EU mit Händen und Füßen gewehrt. Eine Diskriminierung von Alten, Brillenträgern und ertaubenden Discobesuchern wurde offenbar befürchtet. Um alle EU-Staaten glücklich zu machen, gibt es natürlich wieder zahlreiche Ausnahmeregelungen und Übergangsfristen.

Also, erst in 26 Jahren wird es wirklich ernst. Eine Meisterleistung europäischer Gesetzgebung, die die Boulevardzeitung BILD schon einmal zu der These verführte, die EU wolle uns Deutschen den Führerschein wegnehmen. Ganz so doll wird es dann doch nicht.