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Ukraine: Kälteeinbruch in der Heizsaison

19. Oktober 2006

Die Heizsaison in der Ukraine läuft schleppend an. Grund dafür ist Experten zufolge der schlechte Zustand der kommunalen Leitungsnetze, aber auch der Populismus der Politiker, die mit niedrigen Tarifen punkten wollen.

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Die meisten Wohungen in der Ukraine bleiben vorerst kaltBild: AP

Am 15. Oktober, dem Tag, an dem in der Ukraine eigentlich die Heizsaison beginnt, kam es zu einem Kälteeinbruch. Aber allein in der Hauptstadt sind 90 Prozent der Wohnungen noch unbeheizt. Sogar Energieminister Jurij Bojko gestand, seine Wohnung sei kalt. Das größte Problem des vergangenen Jahres im Energiesektor, das der russischen Erdgaslieferungen, ist der Regierung zufolge inzwischen gelöst, wenn man ihren Worten glauben will. Bojko versicherte, im Winter werde Stabilität herrschen. Die Gesellschaft Kyjiwenergo kündigte unterdessen an, erst Ende Oktober die Heizungen anzuwerfen.

Suche nach dem Schuldigen

Premier Wiktor Janukowytsch macht für die derzeitigen Heizprobleme die Gouverneure der Gebiete verantwortlich, vor allem diejenigen, die dem Präsidenten nahenstehenden Bündnis Unsere Ukraine angehören - so im Gebiet Kiew, Riwne und Transkarpatien. Er warnte, dass sie persönlich für die Temperatur der Heizkörper in den Wohnungen der Menschen, in Schulen und Krankenhäusern verantwortlich gemacht würden. In Wirklichkeit muss aber Experten zufolge die zentrale Staatsmacht die Verantwortung für die Probleme teilweise mit übernehmen, denn das Parlament, der Präsident und das Ministerkabinett konnten sich nicht einigen, ob die Tarife für die kommunalen Dienstleistungen angehoben werden sollen.

Schuldenprobleme der Kommunen

Der Vorsitzende des parlamentarischen Unterausschusses für kommunale Wirtschaft, Oleksij Kutscherenko, erklärte, die Heizsaison in der Ukraine laufe nur schleppend an, aber nicht nur weil die kommunalen Leitungsnetze sanierungsbedürftig seien. Fast ein Drittel der kommunalen Dienstleistungsbetriebe sei verschuldet und habe mit der Gesellschaft Naftogas Ukrajiny keine Verträge über Erdgaslieferungen abgeschlossen. In den Regionen habe man sich mit Populismus vor den Wahlen befasst und auf eine Senkung der Tarife für kommunale Dienstleistungen gehofft. Kutscherenko zufolge könnte eine Restrukturierung der Schulden der kommunalen Dienstleitungsbetriebe ein Ausweg aus der heutigen Krise sein. Dem Abgeordneten zufolge ist vor allem der Premier nun daran interessiert, dass die Wohnungen der Ukrainer bald warm werden. Deswegen erwartet Kutscherenko, dass schon bald Verträge über Erdgaslieferungen unterzeichnet werden, möglicherweise sogar unter Einsatz von Druckmitteln seitens der Regierung.

Viel schwieriger ist es, den technischen Zustand der Leitungsnetze zu beurteilen. Der Vorsitzende des parlamentarischen Unterausschusses für kommunale Wirtschaft, Kutscherenko, sagte dazu: "Niemand kennt den technischen Zustand genau. Bei uns gibt es kein System, das eine objektive Überwachung gewährleistet. Aber aufgrund von Analysen kann man sagen, dass er schlechter ist, als im vergangenen Jahr. Und mit jedem Jahr wird er schlechter."

Tarife decken nicht die Kosten

Als "sehr schlecht" bezeichnet Ferdinand Pavel, Mitglied der deutschen Beratergruppe bei der ukrainischen Regierung, den Zustand der kommunalen Wirtschaft in der Ukraine: "Das Schlimme ist, dass es praktisch jedem bekannt ist, woran es liegt. Es liegt daran, dass die Tarife die Kosten nicht decken, demnach niemand den Anreiz hat, zu investieren. Die Gelder, die im Prinzip vorhanden sind, zum Beispiel von der Weltbank oder der Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London oder auch von EU-Staaten wie Deutschland, die bereit wären zu investieren, können nicht abgerufen werden, weil die regulativen Rahmenbedingungen dafür nicht geschaffen sind."

Außerdem kritisiert Pavel viele ukrainische Politiker, die jahrelang mit "billigem Populismus" dafür sorgen, dass die Preise so niedrig sind. Für die Bevölkerung sei dies nicht vorteilhaft, denn sie leide letztlich unter der schlechten Qualität des Services.

Sachar Butyrskyj, Olena Hmyrjanska, Lesya Yurchenko
DW-RADIO/Ukrainisch, 18.10.2006, Fokus Ost-Südost