1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Warum die Islamisten in Somalia erfolgreich sind

23. April 2009

Nach der verlorenen Schlacht gegen die Warlords Mitte der 1990-er Jahre wollten die USA jetzt den Siegeszug einer islamistischen Union von Milizen in Somalia verhindern. Vergebens.

https://p.dw.com/p/9BGv
Islamische Milizen in der Hauptstadt Mogadishu. Mittlerweile haben sie weite Teile des Landes erobertBild: AP

Mogadishu im Dezember 1992. Tausende US-Soldaten besetzen die Hauptstadt Somalias. Ihr Ziel: Zum einen könnte das durch den Golfkrieg etwas ramponierte US-Image durch eine humanitäre Aktion aufgebessert werden. Zum anderen hat Somalia einen Nachbarn, den Sudan, der schon damals als Schurkenstaat galt und als - vorübergehende - Heimat eines Mannes, dessen Name später weltberüchtigt werden sollte: Osama Bin Laden. Somalia sollte kein weiterer Rückzugsraum für Terroristen werden und der Sieg der hochgerüsteten US-Armee im Krieg gegen die undisziplinierten Truppen der Warlords gilt als sicher.

Black Hawk Hubschrauber
Ein Black Hawk HubschrauberBild: AP

Doch die Reaktion der Bevölkerung fällt anders aus, als erwartet. Statt Erleichterung und Freude zu zeigen, lehnen die meisten Somalis die Präsenz der US-Soldaten als Invasoren und ungläubige Besetzer ab. Vor allem der Warlord Mohammed Aidid schafft es, die Somalis aufzuwiegeln. Die amerikanischen Soldaten sehen sich ständiger militärischer Attacken ausgesetzt, vertrauen schon bald nur noch auf Einsätze in der Luft, mit den als sicher geltenden Hubschraubern vom Typ Black Hawk.

Planer bin Laden

Am 3. Oktober 1993 sollen Eliteeinheiten enge Vertraute des Warlords Aidid gefangen nehmen. Die Soldaten werden mit Black Hawks zum Einsatz geflogen, doch sie erreichen ihr Ziel erst gar nicht. Kämpfern von Aidids Truppe gelingt es, gleich zwei der Helikopter abzuschießen. Das Bild eines toten Soldaten, der halbnackt von einem tobenden Mob durch die Strassen Mogadischus geschleift wird geht um die Welt. Und das Pentagon fragt sich: Wie konnte das geschehen?

"Zu selben Zeit sitzt Osama Bin Laden in Khartum, der Hauptstadt des Sudan. Und plant von dort mit Hilfe seines Chefstrategen Mohammed Attef, der vor Ort in Mogadischu war, den Kampf gegen die US-Truppen in Somalia." Das sagt Ralph Sina, langjähriger Afrika-Korrespondent und Fachmann für die Entwicklung des Terrors in Afrika. Das Ziel der Aktion, laut Sina: "Wir zeigen, dass die Amerikaner verwundbar sind. Attef und seine Verbindungsleute der radikal-islamischen Terrorgruppe Al Ittihad Al Islamiya (Einheit des Islam) sind es, die den Aidid-Männern zeigen, wie man einen Hubschrauber abschießt."

Sich selbst überlassen

Einkaufen in Somalia
Bis zum Einmarsch der islamischen Milizen trauten sich viele Somalis nur bewaffnet außer HausBild: AP

Aus dem humanitären Einsatz mit der vermeintlichen Garantie für den militärischen Erfolg wird ein Desaster. Fünf Monate nach dem Angriff verlässt der letzte amerikanische Soldat Somalia. Das Land wird sich selbst überlassen.

Jahrelang geht der Bürgerkrieg weiter. Die Klans teilen Mogadischu auf, innerhalb des vom eigenen Klan beherrschten Stadtteils ist es einigermaßen sicher, wer diese Grenzen überschreitet, der muss auch um sein Leben fürchten. Die Infrastruktur bricht total zusammen, Hafen und Flughafen sind geschlossen, Unterstützung für Zivilisten bieten nur noch die wenigen im Land verbliebenen Hilfsorganisationen. 2002 präsentiert die Internationale Gemeinschaft eine Übergangsregierung für Somalia.

Neuer Machtfaktor

Doch der Übergangs-Präsident und ehemalige Warlord Abdullah Jussuf will nicht in Mogadischu residieren, dort ist es ihm zu unsicher. Erst 2005 einigen sich die Regierungsmitglieder darauf, in der Provinzstadt Baido zu tagen. Und auf diesen Ort bleibt ihr Einfluss auch begrenzt, auch deshalb, weil die Regierung als Marionette des verhassten Nachbarn Äthiopien gilt

Gegen Videokasetten und Musik
Unterlegene Miliz-Kämpfer warten darauf, ihre Waffen an die Islamischen Gerichte abzugebenBild: AP

Stattdessen entwickelt sich ein neuer Machtfaktor. Ähnlich wie die Taliban in Afghanistan eilt eine Truppe radikaler Islamisten - die sich Union der islamischen Gerichte nennt - von Sieg zu Sieg, beherrscht bald weite Teile des Landes. Angeblich wird sie von der El Kaida unterstützt, Beweise dafür gibt es aber nicht. Von Teilen der Bevölkerung, vor allem der Mittelschicht, werden die Islamischen Gerichte durchaus begrüßt. Sie sorgen für Sicherheit und weniger Korruption. Die USA sehen aber die Gefahr eines radikal-islamistischen Somalia, unterstützen deshalb eine Gruppe von Warlords, die sich "Koalition gegen den Terror" nennt, im Kampf gegen die Islamischen Gerichte mit Waffen und Geld. "Das ist eine Art Stellvertreter-Krieg zwischen den USA und der El Kaida", bezeichnet der Journalist Wim Dohrenbusch die Situation im Sommer 2006. "Und wenn jetzt noch Mogadischu fällt, dann haben die USA zum zweiten Mal einen Krieg in Somalia verloren."

Vormarsch der Islamisten

Der Kampf um die Hauptstadt führt zu den schwersten Gefechten seit Jahren, nach wenigen Wochen ist Mogadischu in der Hand der Islamischen Gerichte. Die setzen ihre Siegesserie fort, erobern auch andere größere Städte und schließlich unterzeichnet die machtlose Übergangsregierung ein Waffenstillstandsabkommen mit ihnen. Im Herbst 2006 haben die Islamisten fast das gesamte Land unter Kontrolle, nur im nördlichen Gebiet können sich noch Klanchefs halten. In Mogadischu leisten die Islamischen Gerichte sogar Aufbau-Arbeit, Hafen und Flughafen werden wieder betriebsbereit gemacht und geöffnet. Aus Sicht der Nachbarländer und der USA ist die Gefahr groß, dass Somalia vor allem zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Zudem könnten die weitgehend unkontrollierten Grenzen zu Kenia und Äthiopien als Einfallstore für terroristische Aktionen genutzt werden.

Im September 2006 beschließt deshalb die Afrikanische Union, dass sie Friedens-Truppen nach Somalia entsenden will. Sie sollen die Übergangsregierung stützen. Doch die Islamischen Gerichte haben schon angekündigt die Soldaten der Afrikanischen Union als Invasoren zu betrachten - und zu bekämpfen.

Autor: Dirk Bathe / Redaktion: Christine Harjes