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Afrika-Rat warnt vor Ostdeutschland

7. Juni 2006

Kurz vor WM-Beginn hat der Afrika-Rat vor einem Besuch der neuen Bundesländer gewarnt. Dunkelhäutige Menschen seien dort der Gefahr rechter Übergriffe ausgesetzt.

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Springerstiefel bei einer Neonazi-DemonstrationBild: AP
Pressekonferenz zu No-Go-Areas WM Afrikarat Judy Gummich
Yonas Endrias (l.) von der ILMR und Judy Gummich vom Afrika-RatBild: picture-alliance/ dpa

Mit der Warnung "zu besonderer Vorsicht beim Aufenthalt in Ostdeutschland und Teilen Ostberlins" haben der Afrika-Rat Berlin-Brandenburg und die Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR) am Mittwoch (7.6.2006) ihre lang angekündigten Ratschläge für farbige WM-Gäste offiziell vorgestellt. Laut Verfassungsschutzbericht und Polizei sei die Wahrscheinlichkeit, in den neuen Bundesländern Opfer rassistischer Gewalt zu werden, um ein Vielfaches höher als in Westdeutschland, sagte Judy Gummich vom Afrika-Rat am Mittwoch vor Journalisten in Berlin.

"Keine Stigmatisierung"

"Es geht nicht um eine Stigmatisierung Ostdeutschlands, sondern darum, die Wahrheit zu benennen, um darauf auch reagieren zu können", sagte Judy Gummich, Sprecherin des Afrika-Rates. Grund für die Warnung seien Erfahrungen der afrikanischen Gemeinde mit rechter Gewalt vorwiegend in Ostdeutschland. Yonas Endrias von der ILMR sieht beispielsweise Leipzig als "kritischen Ort", wenn dort Angola auf Iran (21. Juni) trifft. "Das heißt aber nicht, dass es in Westdeutschland keine rechte Gewalt gibt", sagte Gummich.

Die "Ratschläge zum Verhalten bei rassistischen Übergriffen" sind im Internet (siehe unten) in Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch einsehbar und orientierten sich an allgemeinen Verhaltensregeln bei Gewalttaten. Ausdrücklich weisen die Autoren darauf hin, dass Schwarze oder anders Aussehende auch in Westdeutschland Opfer rassistischer Übergriffe werden können.

"Gruppen bilden"

Zudem verzichten sie auf die Benennung der im Vorfeld umstrittenen Bezeichnung als "No-go-Areas" - "um niemanden in falscher Sicherheit zu wiegen", betonte der Endrias von der Internationalen Liga für Menschenrechte. "In Gruppen genießt man einen relativen Schutz und es macht außerdem mehr Spaß", so Gummich. Wer konkrete Gebiete benannt haben wolle, könne sich an der Karte des Landes- oder des Bundesverfassungsschutzes zu rechtsextremistischer Gewalt orientieren, die ebenfalls auf der Website einsehbar sind, sagte Gummich. "Die Bagatellisierung von rechter Gewalt muss aufhören", forderte Endrias.

Die Debatte um die so genannten No-Go-Areas, vor deren Besuch der Afrika-Rat Dunkelhäutige im April dieses Jahres öffentlich gewarnt hatte, wurde durch Äußerungen des ehemaligen Regierungssprechers Uwe-Karsten Heye angeheizt. Heye warnte vor Orten "in Brandenburg und anderswo", die Menschen mit einer anderen Hautfarbe "möglicherweise lebend nicht mehr verlassen". Über die Debatte äußerten sich Endrias und Gummich "sehr zufrieden". Sie sei in allen Ebenen von der Politik über Talkshows bis hin zur Comedy geführt worden. "Wir wollten damit endlich das Schweigen brechen über rassistischen Terror, der in jüngster Zeit ein wirklich unerträgliches Ausmaß erreicht hat", sagte Endrias. Jetzt könne niemand mehr sagen, er habe es nicht gewusst.

Bemühungen in Brandenburg

Nachdrücklich begrüßte Gummich auch die "ernst zu nehmenden Bemühungen" von Politikern aus Berlin und Brandenburg, sich mit dem Thema zu befassen. Nachdem Afrika-Rat und Liga zunächst Panikmache und Imageschädigung vorgeworfen worden seien, hätten in Gesprächen mit Berlins Innensenator Ehrhart Körting und Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (beide SPD) die Ängste und Sorgen der betroffenen Minderheiten sichtbar gemacht werden können.

Lösungen für das Problem zu finden, ist nach Ansicht Gummichs aber Sache der Mehrheitsgesellschaft, beispielsweise durch die überfällige Verabschiedung eines Antidiskriminierungsgesetzes. "Solange ich ungestraft als Negerin beschimpft werden darf, werden auch die Gewalttaten nicht zurückgehen", betonte die in Deutschland geborene Farbige. (stu)