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Politische Kahlrasur: Ägyptische Weblogger werden verhaftet

Mahmoud Tawfik10. Mai 2006

Alaa Abdel Fatah gibt seit zwei Jahren der ägyptischen Oppositionsbewegung ein Gesicht - ein Gesicht mit langen Locken. Seit vier Tagen sitzt er in Untersuchungshaft - seine Haare wurden ihm abrasiert.

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"Free Alaa" - Kampagnenfoto zur Befreiung des in ägyptischer Haft sitzenden Bloggers Alaa Abdel Fatah

Alaa betreibt gemeinsam mit seiner Frau Manal Hassan den Weblog "www.manalaa.net". Er gilt als der Samson unter den ägyptischen Cyberdissidenten. Immer auf Achse, seine feurigen Posts auf Arabisch und Englisch machten ihn weltweit bekannt und ein bißchen auch die Sache, für die er steht. So manche Presseartikel zierte er mit seiner lockigen Mähne; im vergangenen Jahr gewann er den Sonderpreis Reporter ohne Grenzen bei den Deutsche Welle Weblog Awards.

7. Mai – Alaa nimmt an einer Demonstration teil, bei der die drakonischen Notstandsgesetze der ägyptischen Regierung angeprangert werden. Und wird selbst Opfer dieser Gesetze. Salma Said war auch dabei: "Innerhalb von Sekunden waren mehrere Sicherheitsleute unter uns," berichtet Salma, "sie haben um sich geschlagen, mich haben sie an den Haaren gezogen, eine andere Frau haben sie mit den Füssen getreten!" Auch Alaas Frau Manal erinnert sich nur zu gut: "Einer der Polizeioffiziere zeigte auf Alaa. Den will ich, sagte er." Seitdem schmückt ein Banner zahlreiche Internetseiten: Free Alaa.

Den will ich!

Alaas Freunden und Blogger-Kollegen ist es jedoch wichtig, dass die Aufmerksamkeit nicht allein auf den wortstarken Medienstar gerichtet bleibt. "Insgesamt wurden in den letzten Wochen sechs Blogger festgenommen," sagt Amr Gharbeia. sechs Blogger von ungefähr 900, das sei schon eine ganze Menge - zumal bei weitem nicht alle Blogger politisch aktiv seien. "Außerdem," fügt Amr hinzu, "sind diese sechs Blogger wiederum nur ein Bruchteil der 48 Aktivisten aus allen Bereichen, die derzeit in Untersuchungshaft sitzen. Einige schon seit zwei Wochen!"

Beobachter sprechen von einem Kahlschlag, mit dem die ägyptische Regierung Schlüsselfiguren der Opposition kalt stellen möchte. Die Festnahmen finden immer am Rande von Protestaktionen statt, nach einem klaren Muster: Den will ich - und den - und den!

Wie sich die Lage weiterentwickelt, weiß bislang keiner so richtig einzuschätzen. Erfahrungsgemäß kommen vor allem junge Aktivisten mit einem Rüffel davon. Allerdings befinden sich auch einige "ausgewachsene" Politiker unter den Inhaftierten – wie der ehemalige Parlamentskandidat Kamal Khalil. Beobachter gehen davon aus, dass diese für längere Zeit hinter Gittern bleiben.

Warten auf Insulinspritzen

Eine Untersuchungshaft ist nach dem derzeitigen Rechtsstand beliebig verlängerbar. Die Haftbedingungen fallen für den einen mehr, für den anderen weniger schwerwiegend aus. Denn es bleibt nicht nur bei der obligatorischen Kahlrasur. Verwandte und Freunde der Inhaftierten berichten, dass die meisten mit ordinären Kriminellen in eine Zelle gesperrt werden.

Salma Saeed muss sich auch aus einem anderen Grund Sorgen um ihren Freund Ahmed machen. Auch Ahmed Al Droubi ist ein junger Aktivist und sitzt in Untersuchungshaft - schon seit zwei Wochen. Ahmed hat Diabetes. Mit seinen Insulinspritzen nehmen es die Gefängniswärter nicht so genau: "Sie wollen ihn schickanieren," regt sich Salma auf. "Wenn er nach dem Insulin verlangt, dann bekommt er es erst zwei Stunden später, dann ist sein Zuckerspiegel schon erheblich angestiegen!"

"He’s fine," erzählt hingegen Manal erleichtert, nachdem sie am 10. Mai Alaa das erste mal wieder sehen durfte. Ja, er habe keine Locken mehr. Seinem Engagement scheint dies nichts abzutun. "Er hat was geschrieben und es mir zugesteckt," erzählt Manal, "heute Abend wird man das in unserem Blog nachlesen können."