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Studium im Osten

Michael Hartlep13. Juni 2012

Leere Hörsäle im Osten - überfüllte Unis im Westen. Eine staatlich finanzierte Kampagne sollte westdeutsche Studenten an die ostdeutschen Universitäten locken. Eine Bilanz.

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Hochschulen in Ostdeutschland
Hochschulen in OstdeutschlandBild: Hochschulinitiative Neue Bundesländer

Die Hochschulen in Westdeutschland sind voll. So voll, dass die Studenten um Seminarplätze kämpfen und zum Teil sogar in Kinosäle ausweichen. Was das Problem verschärft: Da die Schulzeit in Deutschland von 13 auf 12 Jahre verkürzt ist, drängen mit einem Mal doppelt so viele Abiturienten an die Universitäten.

Ganz anders die Situation im Osten Deutschlands. Hier kämpfen die Gemeinden mit dem demografischen Wandel: Die Geburten gehen zurück, die Jungen wandern in den Westen ab. An den ostdeutschen Hochschulen ist deshalb reichlich Platz. Für die Studenten heißt das niedrige Mieten und geringe Lebenshaltungskosten.

Katrin Kappenberger kann davon aus eigener Erfahrung berichten: "Ich habe sofort eine WG gefunden. Freunde, die in anderen Städten studieren, suchen wochenlang und freuen sich, wenn sie überhaupt etwas finden." Die 20-Jährige ist in der hessischen Kleinstadt Hochheim aufgewachsen und studiert nun Kulturwissenschaften an der Uni Leipzig. An der Stadt schätzt sie, dass hier alles irgendwie unfertig, dynamisch und jung ist. Zudem habe sie kulturell viel zu bieten und sei nah an der Natur. "Auch die Studienbedingungen sind sehr gut", sagt Katrin und bestätigt damit eine aktuelle DIW-Studie, nach der die Absolventen die ostdeutschen Unis in jeder Hinsicht besser bewerten, als die westdeutschen.

WG-Leben in einer ostdeutschen Studentenstadt - Inszeniert von der Kampagne "Studieren in Fernost"
WG-Leben in einer ostdeutschen Studentenstadt - Inszeniert von der Kampagne "Studieren in Fernost"Bild: Hochschulinitiative Neue Bundesländer

Vorurteile gegen den Osten

Trotzdem gibt es noch viele Vorurteile, die westdeutsche Abiturienten von einem Studium an ostdeutschen Universitäten abhalten. Für sie ist Deutschlands Osten ein grauer und langweiliger Landstrich, um das man besser einen Bogen macht. Mit diesem Image wollten die ostdeutschen Hochschulen brechen. Vor fünf Jahren starteten sie eine Kampagne mit dem provokanten Titel: "Studieren in Fernost". Mit guten Argumenten sollte die junge Generation von den Vorteilen eines Studiums im Osten überzeugt werden. Dabei zogen die Macher alle Register, warben auf SchülerVZ und Facebook, Twitter, Flickr und sogar über eine eigene App.

Den Auftakt der Kampagne machten die beiden Chinesen Gang und Dong, die mit Kamera und Klamauk durch die ostdeutschen Unis zogen. Als Vampire verkleidet trafen sie in Leipzig den honorigen Rektor Franz Häuser, um ihm zum 600-jährigen Jubiläum der Hochschule zu gratulieren. Die teilweise schrillen Auftritte stießen nicht immer auf Zustimmung. So kommentierte Rektor Häuser selbst den Film als "saublöd". Doch zumindest erregte die Kampagne Aufmerksamkeit und schaffte es sogar in die heute-Nachrichten des Zweiten Deutschen Fernsehens.

Gang und Dong auf einer bizarren Endeckungsreise durch Ostdeutschland
Gang und Dong auf einer bizarren Endeckungsreise durch OstdeutschlandBild: Hochschulinitiative Neue Bundesländer

Klamauk und Kneipenbummel

In jüngster Zeit fuhr die Hochschulinitiative einen eher seriöseren Kurs - ohne Chinesen. Stattdessen wurden junge Journalisten angeworben und auf Erkundungsreise durch die ostdeutsche Hochschullandschaft geschickt. Was sie dabei erlebten, konnten die Schüler auf allen sozialen Netzwerken mitverfolgen.

Insgesamt 16 Millionen Euro ließen sich die ostdeutschen Bundesländer den Werbefeldzug kosten. Auch Katrin bekam eine Einladung zur "Abenteuerreise Fernost" nach Leipzig, inklusive Kneipenbummel und Stadtführung. Die Stadt beeindruckte sie so sehr, dass sie sich – trotz anfänglicher Vorbehalte – für das Studium in Leipzig entschied.

Gut investiertes Geld, sagt deshalb Gerhard Wünscher vom Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt. Er koordiniert die so genannte Hochschulinitiative Neue Bundesländer: "Wir haben Aufmerksamkeit im Westen erlangt. Der Druck dort hat zugenommen, sodass die Hochschulen im Osten eine Resonanz gefunden haben. Der Anteil der Studierenden aus dem Westen ist enorm gestiegen in den letzten fünf Jahren."

Panorama der Universität Leipzig am Augustusplatz
Panorama der Universität Leipzig am AugustusplatzBild: Pressestelle der Universität Leipzig/Volkmar Heinz

Mehr westdeutsche Studenten im Osten

Tatsächlich kann sich das Ergebnis durchaus sehen lassen: Während vor drei Jahren nur ein Drittel der westdeutschen Schüler die Studienangebote im Osten attraktiv fanden, sind es mittlerweile fast die Hälfte. Für die Initiatoren der Kampagne steht damit fest: Die Maßnahmen zeigen Wirkung. Das schlägt sich auch in den Zulassungszahlen nieder. Stammten 2009 nur knapp zehn Prozent der Studienanfänger in Sachsen aus Westdeutschland, ist es jetzt fast jeder dritte. Und das, obwohl der Bildungsetat aktuell massiv gekürzt wird. Fast 1000 Stellen sollen die sächsichen Hochschulen bis 2020 abbauen. Auch in den benachbarten ostdeutschen Bundesländern stieg der Anteil der westdeutschen Studenten stark an.

Trotzdem wollen sich die ostdeutschen Bundesländer nicht auf diesen Erfolgen ausruhen. Wie Gerhard Wünscher von der Hochschulinitiative sagt, soll die Kampagne um drei Jahre verlängert werden. Noch einmal sechs Millionen werden investiert, um mehr westdeutsche Abiturienten für ein Studium im Osten zu begeistern.

An der Hochschule Anhalt lässt es sich gut studieren - sagt die Hochschulinitiative
An der Hochschule Anhalt lässt es sich gut studieren - sagt die HochschulinitiativeBild: Hochschulinitiative Neue Bundesländer

Zudem will man die klugen Köpfe über das Studium hinaus an sich binden. Denn wem nützt es, wenn die jungen Leute zum Studium in den Osten ziehen, aber zum Arbeiten wieder in den Westen zurückkehren? Auch Katrin Kappenberger könnte sich vorstellen, in Leipzig zu bleiben: "Natürlich hängt das davon ab, ob ich einen Job bekomme. Die Arbeitsmarktlage ist hier nicht gerade rosig." Um die zu verbessern, wird man allerdings mehr brauchen, als eine staatliche Image-Kampagne.

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