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Öffentlicher Dienst sucht Migranten

31. Januar 2012

Große messbare Erfolge hat es beim fünften deutschen Integrationsgipfel in Berlin nicht gegeben. Die sollen später kommen: mit dem verabschiedeten "Nationalen Aktionsplan".

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Integration bleibt ein großes Thema in Deutschland
Integration bleibt ein großes Thema in DeutschlandBild: dapd
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (Foto: dpa)
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria BöhmerBild: picture-alliance/dpa

471 Seiten dick ist der am Dienstag (31.01.2012) in Berlin vom 5. Integrationsgipfel verabschiedete "Nationale Aktionsplan Integration". Damit solle nun ein nächster Schritt in der Integrationspolitik erreicht werden, sagte Kanzlerin Angela Merkel am Ende der Veranstaltung mit 120 gesellschaftlichen Vertretern vor der Presse.

Merkel hatte im Jahr 2006 den ersten Integrationsgipfel ins Leben gerufen. "Damals haben wir freiwillige Selbstverpflichtungen auf den Weg gebracht, daran haben viele nicht geglaubt", sagte sie rückblickend, "aber sie wurden umgesetzt". Nun müssten aus den vielen Modellen dauerhafte Strukturen werden.

Wie auch bei der Bewältigung der Euro-Krise hat die Wissenschaftlerin und Verfechterin der kleinen Schritte, Angela Merkel, der deutschen Integrationspolitik einen eher langwierigen und systematischen Weg bei der Beseitigung von Integrationsproblemen verordnet. Kritiker sagen, es fehlten die schnellen, durchgreifenden Maßnahmen. Merkel dagegen erklärt den Überbau: "Wir Deutschen werden älter, weniger und mehr Menschen mit Migrationshintergrund, aber wir werden auch vielfältiger. Integration ist eine Bereicherung. Es lohnt sich weiterzumachen."

Vorbilder gesucht

Dennoch lebt ein Aktionsplan natürlich von konkreten Aktionen. Neben der weiteren Förderung von deutschen Sprachkenntnissen sollen nun vor allem im öffentlichen Dienst integrationspolitische Maßnahmen greifen. Migranten im öffentlichen Dienst hätten eine Vorbildfunktion, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer. Es müsse mehr Lehrer oder auch Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr mit Migrationshintergrund in Deutschland geben. Ali Ertan Toprak von der Alevitischen Gemeinde Deutschland wünschte sich auch mehr Migranten als Schulleiter oder Bürgermeister.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat ( Foto: dpa)
Ein Ziel des Gipfels: Miteinander und nicht übereinander redenBild: picture-alliance/dpa

Aber auch der Bundesfreiwilligendienst, die Sicherheitsorgane und die Medien sollen mehr Migranten anziehen, so will es die deutsche Bundesregierung. Nur jeder 50. Journalist habe einen Migrationshintergrund, so Böhmer. Da sei es auch schwierig, den Migranten eine angemessene Stellung in der öffentlichen Berichterstattung zu geben. In vielen Polizeiwachen kenne man Migranten nur als Drogendealer, bemängelte Toprak. Böhmer sprach von einem "Navigationssystem" und von "Messinstrumenten", die nun zur Verfügung stünden, um Fortschritte und Lücken in der Integration zu messen.

Neue Willkommenskultur gewünscht

Mit vielen Strukturen und klaren Vorgaben möchte Deutschland eine neue Willkommenskultur etablieren, sagte Böhmer. Integration gehe alle an, sagte Christine Lieberknecht, die Ministerpräsidentin von Thüringen, die als Vertreterin der Bundesländer am Gipfel teilnahm. Migranten würden auch eine wichtige Aufgabe bei der Internationalisierung Deutschlands leisten und das Land damit fitter machen für die Globalisierung. Die Mehrsprachigkeit vieler Migranten sei nun auch eine Aufgabe für die deutsche Mehrheitsgesellschaft.

120 Vertreter des öffentlichen Lebens nahmen am Gipfel teil (Foto: dpa)
120 Vertreter des öffentlichen Lebens nahmen am Gipfel teilBild: picture-alliance/dpa

Auf insgesamt elf Handlungsfeldern möchte die Bundesregierung Migranten besser integrieren. Dazu gehören auch Fragen der Gesundheit und Pflege älterer Migranten. Ali Ertan Toprak fragte in diesem Zusammenhang, ob das Wort "Migrant" eigentlich noch angemessen sei. Er wünscht sich, dass bald nur noch über "Deutsche" gesprochen werde. "Es muss zusammenwachsen, was schon so lange zusammenlebt, wir brauchen eine zweite deutsche Einheit", sagte Toprak mit Blick auf die in Ostdeutschland aufgewachsene Merkel. Insgesamt sei die Zusammenarbeit beim Integrationsgipfel sehr gut gewesen, endlich werde miteinander und nicht übereinander gesprochen. Nirgends in der Welt werde inzwischen so viel auf politischer Ebene für die Integration gemacht wie in Deutschland, so Toprak.

Auch Mijo Maric, Vorsitzender des Kroatischen Weltkongresses in Deutschland, zeigte sich zufrieden. Er sprach von erkennbaren Fortschritten. Deutschland habe viel nachgeholt, so Maric. Das sei wichtig, denn eine innovative Gesellschaft sei nur mit den Migranten möglich.

Warten auf Messergebnisse

Der 5. Integrationsgipfel fand zwischen dem EU-Gipfel zur Euro-Krise in Brüssel und einem China-Besuch der Kanzlerin statt. Merkel sah man an, wie anstrengend ihr Job derzeit ist. Sie bemühte sich, ihre Müdigkeit zu unterdrücken und schaffte es, einen heiteren Eindruck zu hinterlassen, wonach in der Integrationspolitik alle an einem Strang ziehen würden. Richtige Erfolge aber wurden nicht vermeldet. Bleibt nun abzuwarten, wie der Nationale Aktionsplan umgesetzt wird. Der nächste Integrationsgipfel dazu soll im ersten Halbjahr 2013 stattfinden.

Autor: Kay-Alexander Scholz
Redaktion: Thomas Latschan