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Brasilien Weltsozialforum

29. Januar 2012

Auf dem Weltsozialforum in Brasilien stand der UN-Gipfel zur Nachhaltigen Entwicklung Rio+20 im Mittelpunkt. Viel diskutiert wurde auch das brasilianische Waldschutzgesetz sowie der Bau des Wasserkraftwerks Belo Monte.

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Eröffnung des Weltsozialforums 2012 in Brasilien (Foto: AP/dapd)
Bild: AP

An die 200 brasilianische und internationale Gruppen versammelten sich am Samstag (28.01.2012) in der südbrasilianischen Stadt Porto Alegre zur Abschlussversammlung des diesjährigen Weltsozialforums. Etwa 2000 Teilnehmer bekräftigten dabei die Notwendigkeit, mit einer gemeinsamen Agenda weltweit gegen Ungerechtigkeit und Ungleichheit vorzugehen. Die Diskussionen dominierte dieses Mal das Thema Nachhaltigkeit. Eine nachhaltige Entwicklung stand als gemeinsame Forderung über allen anderen Themen der unterschiedlichen Gruppen. Das Weltsozialforum findet seit 2001 statt, und zwar als Gegenveranstaltung zu großen internationalen Wirtschaftsgipfeln wie das Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos.

Vorbereitung für den UN-Umweltgipfel

Das Motto in Porto Alegre lautete: "Kapitalistische Krise, soziale und ökologische Gerechtigkeit." Dieser Slogan diente gleichzeitig als Vorbereitung für die UN-Konferenz über Nachhaltige Entwicklung Rio+20, die im Juni 2012 in Rio de Janeiro stattfinden wird. Der Koordinator von Greenpeace Brasilien, Pedro Torres, beschrieb gegenüber DW-WORLD.DE das Ziel des diesjährigen Forums: "Das Weltsozialforum war eine Art Labor, damit sich die Zivilgesellschaft treffen konnte, um eine Alternativagenda zu dem offiziellen Rio+20 Gipfel im Juni zu entwickeln."

Weltsozialforum 2012 in Porto Alegre, Brasilien (Foto: Valter Campanato, Porto Alegre 2012)
"Kapitalistische Krise, soziale und ökologische Gerechtigkeit"Bild: ABr/Valter Campanato

Torres glaubt, dass die Aktivisten mit ihren Diskussionen beispielweise über Wasser, Energie und Landwirtschaft einen Weg für die Zivilgesellschaft finden wollten, um der Welt unter anderem zu zeigen, wie es momentan in Brasilien aussieht. Dem Greenpeace-Aktivisten zufolge versucht das Land nach außen ein Bild einer nachhaltigen Nation zu entwerfen, sieht sich aber momentan tatsächlich mit einer Reihe von großen Problemen konfrontiert.

Wasserkraftwerk Belo Monte sorgt immer noch für Streit

Die zwei kritischsten Fälle sind nach Bewertungen von Greenpeace Brasilien: die Änderung des brasilianischen Waldschutzgesetztes und der Bau des Wasserkraftwerks Belo Monte. Die Konstruktion des Staudamms im Fluss Xingú im nordbrasilianischen Bundesstaat Pará ist zwar eines der Lieblingsprojekte der brasilianischen Regierung, sorgt aber weiterhin für viel Streit. Einerseits betont die Regierung immer wieder, das Kraftwerk bringe Jobs und Entwicklung in die Region. Außerdem sei es weltweit das Wasserwerk mit der drittstärksten Kapazität. Andererseits kritisieren Umweltschützer, Gruppen zum Schutz der indigenen Rechte und die brasilianische Staatsanwaltschaft das Ausbleiben von vielen notwendigen Konsultationen auf verschiedenen Ebenen. Schließlich fehlen bisher Studien zu den sozio-ökologischen Auswirkungen des Kraftwerks.

Brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff beim Weltsozialforum in Porto Alegre am 26.01.2012. (Foto: Valter Campanato)
Brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff beim WeltsozialforumBild: Valter Campanato/Abr

Das brasilianische Bergbauunternehmen VALE ist für den Bau des Staudamms mitverantwortlich. Erst am Freitag (27.01.2012) erhielt der Konzern den Preis für das "übelste Unternehmen" der Welt 2012. Die sogenannten "Public Eye Awards" prämieren seit zwölf Jahren in einem öffentlichen Abstimmungsverfahren der Zivilgesellschaft Unternehmen, die sich besonders schlecht gegenüber Mensch und Umwelt verhalten. Der diesjährige Träger dieses Schmähpreises wurde während des Weltwirtschaftsforums in Davos verkündet. Auch auf dem Weltsozialforum fand die Preisvergabe diese Woche großen Widerhall. "Die Nachricht stieß hier auf ein großes Echo, weil VALE ein großes Interesse an einigen dramatischen Fragen hat, die in Verbindung mit der brasilianischen Umweltagenda stehen", so Pedro Torres.

Neues brasilianisches Waldschutzgesetz in der Kritik

Auch die Reform des Waldschutzgesetzes beschäftigte die Teilnehmer des Weltsozialforums. Der brasilianische Nationalkongress verhandelt momentan über das Thema. Für die Aktivisten gilt die Reform der Gesetzgebung rund um den Umweltschutz als Rückschritt. Die Hauptkritikpunkte sind: Verkleinerung der permanenten Umweltschutzzonen und Lockerung der Strafen für illegale Waldrodungen.

Pedro Torres mahnt, sein Land müsse sich entscheiden, welches Entwicklungsmodel es übernehmen wolle. "Ob Brasilien in der Gruppe der weltweit sechs größten Wirtschaften wirklich wachsen will und dabei nichtnachhaltige Methoden aus dem 19. und 20. Jahrhundert wiederholt, beziehungsweise in umweltschädigende Konzepte investiert und den Wald abholzt. Oder ob wir der Welt lieber zeigen wollen, dass eine veränderte Welt mit einer grünen und saubereren Entwicklung möglich ist."

Gipfel der Völker angekündigt

Der Präsident der zentralen Arbeitergewerkschaft des brasilianischen Bundesstaats Rio Grande do Sul, Celso Woyciechowski, lobte gegenüber DW-WORLD.DE die unterschiedlichen Ansichten und Stimmen der Teilnehmer als wichtigste Lektion des Forums. "Die verschiedenen Positionen sind extrem wichtig, um einen gemeinsamen Standpunkt für diese entscheidenden Fragen zu finden."

Aktivitsten auf dem Weltsozialforum in Brasilien, in Porto Alegre am 24. Januar 2012 (Foto: EFE/Neco Varella)
Aktivisten auf der Straße in Porto AlegreBild: picture-alliance/dpa

Zum Abschluss des Weltsozialforums wurde zu einem "Gipfel der Völker" aufgerufen, der im Sommer parallel zum UN-Umweltgipfel in Rio de Janeiro veranstaltet werden soll. Für den Gewerkschafter Woyciechowski ist es wichtig, die Konferenz Rio+20 Schritt für Schritt zu begleiten, dass es nötige Gegenentwürfe gebe.

Für Pedro Torres von Greenpeace steht im Vordergrund, dass die Konferenz über die Diskussionen hinaus konkrete Vorschläge für eine gerechtere Welt entwickelt. "Unabhängig davon, dass wir glauben, dass auf dem offiziellen Gipfel Rio+20 eine gute oder schlechte offizielle Erklärung entstehen wird, müssen wir als Zivilgesellschaft unsere eigene Erklärung entwerfen. Sie muss Alternativen aufzeigen, auf Fehler hinweisen und den Druck auf die Regierungen und Unternehmen ausüben, damit wir eine bessere Zukunft haben. Eine Zukunft, die grün und sauber ist", fordert Torres.

Autorin: Ericka de Sá / Anna Pellacini
Redaktion: Iveta Ondruskova / Marko Langer