1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Eurorettung

24. Januar 2012

Europas Politiker tun alles, um die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen. Erst wird der dauerhafte Rettungsfonds ESM installiert. Dann soll die Fiskalunion folgen. Doch was ist, wenn alles nicht ausreicht?

https://p.dw.com/p/13p8P
Verschieden Euromünzen liegen auf der Fahne der Europäischen Union (Foto: dapd)
Bild: dapd

Historiker werden eines Tages herausfinden, wer sich diese unaussprechlichen Namen ausgedacht hatte. Erst war es die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), dann der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM). Wahrscheinlich hat man sich für diese monströsen Wörterzusammensetzungen entschieden, weil sie in allen wichtigen europäischen Sprachen ihre Entsprechungen haben und somit die Abkürzungen gleich lauten.

Der erste Rettungsschirm EFSF wurde im Mai 2010 aufgespannt, um die Eurozone vor einer Ansteckung durch das griechische Schuldenvirus zu schützen. Er sollte also wie eine Atombombe lediglich zur Abschreckung dienen. In Anspruch genommen würde er nicht werden, so war die optimistische Annahme der Politik, nachdem Griechenland zuvor mit einem Rettungspaket vor einer Staatspleite bewahrt werden konnte.

Kinder auf einer Wippe (Foto: scusi - Fotolia)
Hebelwirkung - kinderleichtBild: Fotolia/scusi

Alle, die an diese Vision geglaubt hatten, wurden eines Besseren belehrt, nachdem Irland noch im selben Jahr unter den Schirm schlüpfen musste.

Geburtsstunde des ESM

Als die EU-Spitze im März 2011 in Brüssel tagte, war abzusehen, dass auch Portugal Schutz beim EFSF suchen musste. Der Gipfel beschloss daraufhin, einen dauerhaften Rettungsschirm einzurichten. Das war die Geburtsstunde des ESM. Er sollte 2013 den EFSF nach dessen Ablauf ersetzen. Eine größere Feuerkraft soll er dadurch bekommen, dass Bareinzahlungen in Höhe von 80 Milliarden Euro als Sicherheit hinterlegt werden und nicht mehr bloße Garantien wie beim EFSF. Auch steigt der Kreditrahmen auf 500 Milliarden Euro.

Kurz nach jenem Gipfel hielt Portugal dem Druck der Finanzmärkte nicht mehr stand und wagte den Sprung unter den Rettungsschirm. Der Platz wurde eng und die Krise grassierte weiter. Spanien und Italien wurden immer skeptischer von den Investoren beäugt.

Von dem geplanten 440-Milliarden-Kreditvolumen des EFSF blieben noch 260 Milliarden Euro übrig. Die Vorstellung, dass allein Italien 2012 alte Schulden in Höhe von über 300 Milliarden Euro durch neue Anleihen ersetzen muss, ließ die Euro-Politiker schaudern.

Hebelidee ausgehebelt

Die Lösung hieß nach dem 16. Krisengipfel im Dezember letzten Jahres Hebelung. Durch die Teilabsicherung der Anleihe klammer Euro-Staaten soll sich die Schlagkraft des EFSF auf über eine Billion verfünffacht werden.

Leider haben die Politiker die Rechnung wieder mal ohne die Wirte gemacht. Inzwischen redet keiner mehr vom zauberhaften Hebel, da die potenziellen Investoren kaum Interesse zeigten.

Nun soll es also der ESM richten, der ein Jahr früher als geplant in Kraft treten soll, so der Beschluss der Euro-Finanzminister an diesem Montag (23.01.2012). Zusammen mit einem Fiskalpakt, der die Länder mittelfristig auf einen soliden Schuldenpfad bringen soll, wird eine Schutzmauer um die Eurozone aufgebaut. Sie soll die Währungsunion vor Attacken jeglicher Art beschützen.

ESM + EFSF: endlich groß genug?

Wird die Rechung der Politik diesmal aufgehen? Sind ESM plus EFSF wirklich groß genug, damit auch größere Länder wie Italien darunter Platz finden könnten? Die Antwort lautet wahrscheinlich nein. Daher fordert Mario Monti bereits, den ESM auf eine Billion Euro zu verdoppeln. Die Bundesregierung lehnt das ab.

Redbonds und Bluebonds: (Grafik: DW)
Bild: Anja Kaiser - Fotolia.com/DW

"Natürlich ist eine größere Summe auch eine größere Absicherung für die Finanzmärkte", sagt Martin Lück, Chefvolkswirt der UBS Deutschland. "Allerdings ist aus meiner Sicht, hier teile ich absolut die Position der Bundesregierung, zweitrangig, ob man jetzt mit noch größeren Rettungsschirmen ein potenziell eintretendes Risiko absichert", so Lück gegenüber DW-TV. Andere Instrumente wären sinnvoller, "da müsste man wahrscheinlich eher in Richtung gemeinschaftlicher Schuldenemission gehen", sagt der Chefvolkswirt.

Doch Eurobonds?

Das wären dann die berühmt-berüchtigten Eurobonds, die bisher für Kanzlerin Merkel nicht in Frage kommen. Doch der Druck auf sie wächst. Erst am Montag (23.01.2012) forderte die IWF-Chefin Christine Lagarde die Bundesregierung indirekt auf, einen größeren Beitrag zur Krisenbewältigung zu leisten.

Denn die Lage bleibt weiterhin gespannt. Eine Staatspleite Griechenlands könnte schnell einen Flächenbrand in der ganzen Eurozone entfachen. Da reichten Rettungsschirme und Strukturreformen nicht aus, sagt Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrats der Bundesregierung. Im Deutschlandfunk macht er sich abermals stark für die Idee des Schuldentilgungsfonds, die der Rat bei ihrem Herbstgutachten 2011 vorgestellt hat.

Schuldentilgungsfonds - mehr als eine charmante Idee?

Demnach werden alle Staatsschulden der Eurozone, die über die Grenze von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung hinausgehen, in einen Fonds ausgelagert und gemeinschaftlich garantiert. " Das Zinsniveau wird für die schwachen Länder auf ein erträgliches Niveau gesenkt. Dafür verpflichten sich die Länder auf eine Schuldenbremse und Strukturreformen. Jeder Staat zahle in den Fonds ein und tilge seine Schulden selber, sagt Malte Hübner, Ökonom beim Sachverständigenrat, und nennt Italien als Beispiel. Das nach Griechenland meistverschuldete Land in der Eurozone würde drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts an den Fonds abtreten müssen. Im ersten Jahr würden davon 0,6 Prozent auf die Tilgung und 2,4 Prozent auf die Refinanzierungskosten entfallen, rechnet Hübner vor. Im Laufe der Jahre steige der Anteil der Tilgung, sagt der Ökonom gegenüber DW-WORLD.DE.

Nach 25 Jahren wird die Schuldenquote bei allen Ländern unter die 60-Prozent-Grenze des Maastrichter Vertrages fallen und der Fonds schafft sich selber ab.

Ob Angela Merkel dem Rat ihrer Berater folgt, ist allerdings fraglich.

Autorin: Zhang Danhong
Redaktion: Henrik Böhme