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Deutsche Geschäfte

24. Januar 2012

Die EU einigt sich auf ein Öl-Embargo gegen den Iran. Doch obwohl deutsche Exporteure auch beim Handel mit zunehmenden Schwierigkeiten konfrontiert werden – noch laufen die Geschäfte.

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Irans Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gemeinsam mit Verteidigungsminister Ahmad Wahidi (l.) hinter einer Rakete bei einer Parade zum Tag der Armee (Archivfoto von 2010: dpa)
Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad bei einer ParadeBild: picture-alliance/dpa

Bombe oder Wurst? Es sind Fragen wie diese, mit denen sich deutsche Unternehmer beschäftigen müssen, wenn sie Geschäfte im Iran machen wollen. Denn während vieles nach wie vor geliefert werden kann, sind Schlüsseltechnologien, die für Militär- und Atomprojekte oder die Öl- und Gaswirtschaft genutzt werden können, mit Embargos belegt. Im Einzelfall ist die Unterscheidung oft schwierig: So kann man mit einer Schneckenmixer genannten Maschine Würstchen produzieren. Man kann sie aber auch zur Sprengstoffherstellung verwenden.

Auf Nummer sicher

Hinzu kommt das so genannte Bereitstellungsverbot – mit bestimmten regierungsnahen Unternehmen darf überhaupt kein Handel betrieben werden. "Deutsche Firmen müssen prüfen, ob ihre Kunden davon betroffen sind", sagt Volker Anders, Sprecher des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Auch das gestaltet sich zuweilen schwierig, denn die von der EU aufgelisteten Unternehmen gründen teilweise einfach neue Firmen.

Außenansicht des Gebäudes des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn bei Frankfurt (Archvbild von 2009: dpa)
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn bei FrankfurtBild: picture-alliance/dpa

Die meisten deutschen Unternehmen gehen daher inzwischen auf Nummer sicher: Auch bei an sich unproblematischen Geschäften lassen sie sich vom BAFA die Unbedenklichkeit der Exporte bescheinigen. Wie lang die Bearbeitungszeiten angesichts der Antragsflut inzwischen sind, wird vom BAFA nicht erfasst. Branchenkenner sprechen von zwei bis drei Monaten Wartezeit, bei komplizierten Genehmigungsverfahren könne es auch mehr als ein Jahr dauern – so etwa bei dem besagten Schneckenmixer. Für jede neue Lieferung muss ein neuer Antrag gestellt werden.

Die Angst der Banken

"Viele Unternehmen sind deshalb aus dem Irangeschäft ausgestiegen", sagt Michael Tockuss, Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Handelskammer, die rund 130 deutsche Mitgliedsunternehmen vertritt. Für Firmen, die nur gelegentlich Aufträge aus dem Iran erhalten, lohne sich der Aufwand schlicht nicht mehr.

Bei einer Demonstration des Nationalen Widerstandsrates Iran halten iranische Demonstranten in München (Oberbayern) Schilder in den Händen. Die Teilnehmer demonstrieren anlässlich der Sicherheitskonferenz und fordern UN-Sanktionen gegen die iranische Regierung. (Archivbild von 2008: dpa)
Demonstration gegen das iranische Atomprogramm in München (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa

Auch die finanzielle Abwicklung von Geschäften ist ein Problem – denn die meisten Banken weigern sich inzwischen, dies zu übernehmen. In Zentraleuropa gibt es nach Auskunft der Handelskammer nur noch rund zehn Banken, die infrage kommen. "Wir geben die Namen noch nicht einmal an unsere Mitglieder heraus", sagt der Geschäftsführer Tockuss. "Denn das amerikanische Finanzministerium scheut keine Kosten, die Institute davon zu überzeugen, das zu unterlassen - da ist keine Bank zu klein."

Rückzug von Daimler

In diesem Umfeld bedarf es häufig keiner Verordnungen, um Unternehmen zum Rückzug zu bewegen. Der Daimler-Konzern etwa beendete alle Geschäfte und schloss im vergangenen März sein Büro in Teheran, obwohl lediglich dreiachsige Lkws von den Sanktionen betroffen sind. Ob die Angst um den weit lukrativeren US-Markt ein Motiv war, will das Unternehmen nicht kommentieren. "Der Grund für die Entscheidung waren die internationalen politischen Entwicklungen", sagt eine Sprecherin.

Werbung von Daimler-Benz in Teheran (Archivbild: dpa)
Werbung von Daimler-Benz in Teheran gehört der Vergangenheit an (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa

Auch wenn für 2011 ein Rückgang der deutschen Ausfuhren in den Iran von rund 20 Prozent erwartet wird, ist das Exportvolumen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in den fünf Jahren davor lediglich von 4,4 auf 3,8 Milliarden Euro gesunken. Nach Einschätzung eines Branchenvertreters wäre es ohne die Sanktionen jedoch stark gestiegen: "In der Infrastruktur und der verarbeitenden Industrie gibt es einen enormen Investitionsbedarf, bei dem die deutsche Wirtschaft ihr Know-how anbieten könnte."

Laxe Kontrollen?

Noch immer ist Deutschland der wichtigste westliche Handelspartner des Iran, weltweit liefern nur die Vereinigten Arabischen Emirate, China und Südkorea mehr Waren. "Ein großer Teil der Technologie, die geliefert wird, kommt aus Deutschland", sagt Jonathan Weckerle, Sprecher der Initiative "Stop the Bomb", die sich für eine harte Linie gegenüber Teheran einsetzt. "Nachdem sich große Unternehmen wie Siemens zurückgezogen haben, ist es vor allem der Mittelstand, der noch entscheidende Verbindungen unterhält."

Die Kontrollen durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle seien zu lax, sagt Weckerle. Er verweist auf einen Fall, in dem das BAFA die Ausfuhr von Technik zur Erschließung eines Gasfeldes genehmigte, obwohl auf iranischer Seite zunächst eine gesperrte, von den Revolutionsgarden kontrollierte Firma stand, für die dann ein neu gegründetes Partnerunternehmen einsprang. Die Genehmigung erfolgte, obwohl er das BAFA auf den Zusammenhang hingewiesen habe, sagt Weckerle. Das BAFA konnte zu den Vorwürfen zunächst nicht Stellung nehmen.

Weckerle vermutet, dass es beim BAFA noch immer keine Spezialisten für den Iran gebe. Dem widerspricht auch das Bundeswirtschaftsministerium nicht. "Das BAFA nimmt unter anderem Aufgaben im Bereich der Exportkontrolle wahr und verfügt über die dafür erforderliche Expertise", heißt es in einer Stellungnahme. Bei Fragen von grundsätzlicher Bedeutung werde das Wirtschaftsministerium eingeschaltet.

Exporte auf Umwegen

Viele Waren gelangen zudem nicht direkt, sondern über Drittstaaten in den Iran. Hauptdrehscheibe war lange Zeit vor allem Dubai, wo zahlreiche iranische Handelsfirmen registriert sind. Dieser Weg ist zunehmend versperrt, doch Länder wie Malaysia schließen die Lücke. "Die Iraner sind sehr talentiert, was solche Dinge angeht", sagt Michael Tockuss von der Deutsch-Iranischen Handelskammer. "Sie finden in Teheran alles an amerikanischer Hochtechnologie, was Sie haben wollen, ob das nun Apple-Computer, Caterpillar-Baumaschinen oder Hochleistungssteuerungen von Novell sind." Tockuss hält die Handelsbeschränkungen deshalb auch für wirkungslos. "Durch die Sanktionen werden in erster Linie deutsche Unternehmen sanktioniert und nicht iranische." Denn die kauften ihre Waren nun eben anderswo.

Die EU-Außenminister posieren beim Treffen der EU-Außenminister in Zoppot, Polen, für das Familienfoto (Archivbild von 2011: dpa)
Die EU-Außenminister wollen über neue Sanktionen entscheidenBild: picture-alliance/dpa

Die Schlussfolgerung, die der Aktivist Weckerle daraus zieht, ist, dass die Sanktionen ausgeweitet werden müssten. Genau dies hat die EU getan: Am Montag (23.01.2012) haben die Außenminister einen Importstopp für iranisches Öl beschlossen. Weckerles Forderungen gehen jedoch weit darüber hinaus: "Das Ziel, das Regime vom Bau der Atombombe abzuhalten, ist inzwischen nur noch mit drastischen Mitteln, also einem vollständigen Handelsboykott zu erreichen."

Michael Brzoska, Direktor des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik sieht darin keine Lösung. Denn Studien zufolge sind Wirtschaftssanktionen nur in 20 bis 30 Prozent der Fälle erfolgreich – und dies vor allem dann, wenn der betroffene Staat – anders als der Iran - sehr abhängig von den sanktionierenden Ländern ist und wenn das Sanktionsziel keine essentielle Frage betrifft. Als solche werde die Urananreichung im Iran aber betrachtet. "Es gibt im Iran keine Fraktion, die gegen das Atomprogramm ist", sagt Brzoska. "Selbst die Opposition hält das Vorgehen des Westens für ungerecht." Sein Fazit deshalb: "Das Sanktionsziel ist unrealistisch."

Autor: Dennis Stute
Redaktion: Andrea Grunau