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Zehn Jahre Anti-Terror-Gesetze

10. Januar 2012

Als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 beschloss die Bundesregierung ein neues Anti-Terror-Gesetz. Zehn Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes ist die Kritik nicht verstummt.

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Ein Symboldbild zeigt das Wort Mithören auf dem Display eines Mobiltelefons Foto: Hans Wiedl (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

In dem Terrorismusbekämpfungsgesetz, welches am 14. Dezember 2001 im Bundestag verabschiedet wurde, waren 23 Gesetzesänderungen und zahlreiche Rechtsverordnungen enthalten. Betroffen von den Neuregelungen waren unter anderem der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst, das Bundeskriminalamt, der Bundesgrenzschutz und der Militärische Abschirmdienst.

Durch das neue Gesetz wurden die Befugnisse der Geheimdienste deutlich ausgeweitet. Die Geheimdienste konnten sich ab Januar 2002 Auskünfte über Terrorverdächtige bei Banken, Fluggesellschaften und Telekommunikationsunternehmen einholen und sie auch über ihre Handys orten lassen. Entsprechende Daten konnten bis zu 15 Jahre gespeichert werden.

Doch seit jeher ist das deutsche Anti-Terror-Gesetz auch begleitet von Kritik. So beklagten Oppositionsvertreter 2001 die parlamentarische Hast, mit der das Gesetz durch den Bundestag gebracht wurde - gerade einmal drei Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September. So sagte die spätere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) damals, der Gesetzentwurf sei "weder rechtspolitisch noch nach dem Verfassungsprinzip der Verhältnismäßigkeit zu rechtfertigen".

Gesetz entzweit die Koalition

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) unterhält sich im Bundestag mit Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) (Foto: dpa)
Nicht immer einer Meinung: Innenminister Friedrich (CSU) und Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)Bild: picture-alliance/dpa

Einige Änderungen des Gesetzes waren bis Januar 2007 befristet und wurden bereits im Juli 2006 mit einem "Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz" um vier Jahre verlängert. Ende Oktober 2011 wurde es wiederum von der schwarz-gelben Bundesregierung - mit den Stimmen der oppositionellen SPD-Fraktion - im Bundestag für weitere vier Jahre erneuert. Vorausgegangen war ein monatelanger Koalitionsstreit, bei dem Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) vehement für eine Verlängerung der Gesetze geworben hatte, Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger jedoch unter Verweis auf die Bürgerrechte auf der anderen Seite erbitterten Widerstand leistete.

Am Ende weigerte sich die FDP, für die von der Union gewünschte unbefristete Verlängerung der Gesetze zu stimmen. Die Liberalen verbuchten dies als Erfolg, genau wie der Fakt, dass keines der Gesetze verschärft worden sei.

In der Bundestagsdebatte im September 2011 über die Verlängerung der Gesetze hob Bundesinnenminister Friedrich den Erfolg der Anti-Terror-Gesetze heraus. "Man habe die Gesetze optimiert", betonte Friedrich. So müsse bei den Kreditinstituten nicht mehr "flächendeckend angefragt werden, sondern man kann jetzt auf die Stammdaten in den zentralen Buchungsstellen zugreifen".

An einen Server angeschlossene Datenkabel sind zu sehen (Foto: AP)
Überwachung um der "Sicherheit" willenBild: AP

"Die Anti-Terror-Gesetze haben dazu beigetragen, dass einige terroristische Anschläge im Vorfeld aufgeklärt und verhindert werden konnten", stellte Friedrich heraus. Gleichwohl wies er daraufhin, dass die zuständigen Behörden mit ihren Befugnissen "sehr sorgfältig" umgegangen seien. So habe es von Seiten der Behörden 2009 im Bereich der Flugdaten, der Finanzbranche und den Telekommunikationsunternehmen insgesamt nur 80 Anfragen gegeben. Allerdings sah der Innenminister auch keinen Grund zur Entwarnung. "Die Bedrohungslage hat sich seit 2001 verändert, und zwar dahin gehend, dass wir nicht mehr nur Rückzugsraum für Terroristen sind, wie es damals der Fall war, sondern inzwischen in Europa auch Ziel terroristischer Anschläge", betonte er.

"Bürgerrechtlich der totale Horror"

Der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Jan Korte (Foto: dpa)
Jan Korte: "Schwerwiegendste Eingriffe in den demokratischen Rechtsstaat"Bild: picture-alliance/ dpa

Das Gesetz sei 2001 in einer "historischen und weltpolitischen Situation, in einer Notsituation", erlassen worden, kritisierte hingegen der Abgeordnete der Linksparte Jan Korte in der Debatte im Bundestag. "Nun, zehn Jahre später, soll es weiter fortbestehen". Es sei nicht akzeptabel, dass der Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte zum Normalfall werde, betonte Korte. Geheimdienste bekämen weiter Auskünfte bei Banken, Fluggesellschaften und Telekommunikationsanbietern. Dies seien "schwerwiegendste Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte, in den Datenschutz und damit im Kern in den demokratischen Rechtsstaat", argumentierte Korte. Er sprach sogar davon, dass es "bürgerrechtlich der totale Horror" sei.

Ein Mann protestiert während einer Kundgebung zum Stopp der Vorratsdatenspeicherung in Magdeburg (Foto: dpa)
"Freiheit statt Angst" - Aufregerthema VorratsdatenspeicherungBild: picture-alliance/dpa

Das neue Gesetz tritt am Dienstag (10.01.2012) in Kraft und gilt damit bis Ende 2015. Neu eingeführt wird darin die Möglichkeit der zentralen Datenabfrage bei Computerreservierungen für Flüge durch die Bundesnachrichtendienste. Auch wird den Geheimdiensten die Abfrage von Kontostammdaten von Betroffenen ermöglicht, wodurch die Arbeit der Ermittler erleichtert werden soll. Abgeschafft wurden hingegen Möglichkeiten zur Überwachung des Postverkehrs, die ohnehin nicht genutzt wurde. Die bisherige Höchstspeicherfrist von 15 Jahren für personenbezogene Daten, die sogenannte Vorratsdatenspeicherung, reduziert sich hingegen auf zehn Jahre.

Die Vorratsdatenspeicherung stand seit Jahren in der Kritik, denn dem Gesetz nach mussten mindestens sechs Monate lang sämtliche Verbindungsdaten erfasst und gespeichert werden, die per Telefon, E-Mail und Internet zustande gekommen waren, egal ob die Personen als terrorverdächtig galten oder nicht. Gegen diese Vorratsdatenspeicherung von unbescholtenen Personen gab es im März 2010 die größte deutsche Massenklage gegen die Einschränkung von Bürger- und Freiheitsrechten. Das deutsche Bundesverfassungsgericht erklärte daraufhin am 2. März 2010 die Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig.

Autor: Arne Lichtenberg
Redaktion: Pia Gram