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Nationalparks im Wandel

Torsten Schäfer20. Dezember 2011

Volker Homes, Artenschutzleiter beim WWF Deutschland, erklärt im Gespräch mit Global Ideas, wie sich Afrikas Nationalparks dem Klimawandel anpassen müssen, um Menschenaffen besser zu schützen.

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Volker Homes (Foto: WWF)
Volker Homes leitet den Bereich Artenschutz beim WWF DeutschlandBild: WWF

Global Ideas: Herr Homes, gleich einmal die große Frage: Wie steht es um die Fauna Afrikas?

Volker Homes: Die jüngste Rote Liste der IUCN ("International Union for the Conservation of Nature", A.d.R.) zeigt, dass es wieder mehr bedrohte Arten gibt, auch in Afrika. Der Artenschwund hält also weiter an – weshalb das UN-Ziel, ihn bis 2010 deutlich zu reduzieren, ja grandios verfehlt worden ist. Wir müssen überall daran arbeiten, dass wir dieses Ziel erreichen. Und Afrika ist sicher eine der am meisten bedrohten Regionen.

An welches Land denken Sie zuerst?

Nehmen Sie Madagaskar, wo es viele nur dort vor Ort lebende Arten gibt. Und Tiere, über die wir kaum etwas wissen, die aber massiv bedroht sind. Gerade bei den Reptilien haben wir dort, aber auch in ganz Afrika, Arten, die erst seit kurzem bekannt sind, aber direkt in den Roten Listen auftauchen. Seien es Warane, Chamäleons oder Geckos. Starke Rückgänge haben wir auch in West- und Zentralafrika, wo Elefanten und Nashörner derzeit massiv gewildert werden. Wir haben eine Wildereikrise, weil die illegalen Märkte in China und Vietnam eine hohe Nachfrage schaffen, etwa nach Nashorn-Material. Ein vietnamesischer Politiker betonte, dass Horn habe seinen Krebs geheilt. Das ist absoluter Unsinn und medizinisch nicht nachweisbar. So etwas schürt aber das Interesse gewaltig. Es wird derzeit ein illegaler Markt wieder angeheizt, den wir schon für fast tot gehalten haben.

Das überrascht doch etwas. Denn gerade dem Nashorn ging es doch besser.

Ja, die Bestandszahlen des Spitzmaul-, und Breitmaulsnashorns in Afrika haben sich in den vergangenen 30 Jahren sehr gut entwickelt. Jetzt brechen sie ein. In Südafrika gibt es 2011 einen Wildereirekord: Bis November wurden in dem Land 330 Nashörner gewildert. Da ist eine Mafia aktiv, die hoch technisiert mit automatischen Waffen, Geländefahrzeugen und gar Hubschraubern wildert.

Was kann man dagegen tun? Es stehen ja Artenschutzerfolge der letzten Jahrzehnte auf dem Spiel.

Man muss Einheiten aufbauen, die genauso ausgerüstet sind und schnell vor Ort wie die Wilderer. Vor allem müssen sie direkt in den Nashorn-Gebieten stationiert sein. Und wenn jemand gefasst wird, sprechen die Gerichte oft sehr geringe Strafen aus. Das muss sich ändern: höhere Strafen, echte Abschreckung – das brauchen wir.



Alte Gefahren wie die Wilderei ziehen wieder auf. Das macht es schwerer, neue Probleme wie den Klimawandel anzugehen. Inwieweit bedroht dieser die afrikanische Fauna?

Die Bedrohungen sind immens. Allerdings liegen noch wenige wissenschaftliche Erkenntnisse zur Auswirkung des Klimawandels vor. Selbst für die Megafauna, also die großen Arten Afrikas, gibt es kaum Studien, was auch an fehlenden Ressourcen vor Ort liegt. Europa und Amerika etwa sind da viel besser erforscht.

Was lässt sich dennoch sagen? Sicher gibt es Prognosen.

Dürreperioden werden zunehmen, wie auch starke Regenfälle – die Niederschläge insgesamt werden sich wohl stark verändern. Die Erwärmung selbst wird nicht so drastisch ausfallen wie in der Arktis oder Antarktis, die ja am stärksten betroffen sind. Trotzdem gibt es auch hier Veränderungen: In den Bergregionen um den Kilimandscharo und den Mount Kenia taut das Eis schneller als an vielen anderen Orten der Welt. Die Fauna muss sich anpassen, das heißt höher ziehen. Unter der Voraussetzung, dass die Arten wandern können – ein oft unterschätzter Punkt in der Klimadebatte.

Welche Hindernisse stellen sich den Tieren in den Weg?

Es gibt Arten, die wandern können wie etwa Nashorn und Elefant. Sie haben mehr Chancen, sich dem Klimawandel anzupassen. Schwieriger ist es für Arten wie Amphibien, die in speziellen Ökosystemen leben, sich ihnen stark angepasst haben und daher nicht so leicht ausweichen können. In Tansania lebt eine endemische Gischtkröte an den Wasserfällen der Kihansi-Schlucht, die durch einen Staudamm zum Rinnsaal geworden sind. Die Kröte wäre ausgestorben, wenn Biologen die Population nicht gerettet hätten. 2010 wurden die Kröten wieder in ihrer Heimat ausgewildert. Eigens installierte Sprinkleranlagen sollen sicherstellen, dass sie überleben können. Das ist ein extremes Beispiel, zeigt aber, welcher Aufwand insgesamt nötig wäre. Es wird ein stilles Aussterben geben, gerade bei solch spezialisierten Arten.

Und wie steht es um die wandernden Allrounder, vom Zebra bis zum Löwen?

Sie werden in Afrika durch die Bevölkerungszunahme leiden. Dort wird es weltweit, relativ gesehen, das größte Wachstum geben. Mehr Menschen brauchen mehr Raum, weshalb bestehende Naturschutzgebiete unter Druck geraten - und es schwieriger wird, neue Schutzzonen auszuweisen. Wir werden also die existierenden Gebiete besser sichern und ausbauen müssen! Es geht um neues Management.

Wird es auch ein Klima-Management geben?

Wir müssten eigentlich wandernde Schutzgebiete haben, Nationalparks, die Elefanten und Nashörnern folgen. Doch solche Gebiete gibt es nicht. Deshalb brauchen wir flexible Konzepte: neue Wild-Korridore, die die Schutzzonen verbinden. Und ganze Regionen: In Botswana etwa gibt es sehr viele Elefanten, in Angola und Mosambik sehr wenige. Es wäre gut, da einen Austausch zu schaffen. Das kann bedeuten, dass vielfach ganze Dörfer umgesiedelt werden müssten. Der Klimawandel wird diese Entwicklungen forcieren und die Frage nach Land neu stellen.



Kennen Sie die Antworten?

Wichtig sind Pufferzonen, in denen eine kontrollierte Nutzung des Waldes stattfinden kann. Im größeren Rahmen muss man das Bevölkerungswachstum eindämmen, am besten durch umfangreiche Bildungsprogramme. Denn ein höherer Bildungsgrad der Frauen senkt die Geburtenrate, wie Studien zeigen. Da gehen Entwicklungszusammenarbeit und Naturschutz ineinander über. Und die Menschen brauchen Einkommensalternativen außerhalb des Parks, also Arbeitsplätze, die Wilderei und Rodungen unattraktiv machen.

Gibt es denn positive Ansätze?

Die Demokratische Republik Kongo will mehr als zehn Prozent der Landesfläche als Schutzgebiete ausweisen. Der WWF und die Bundesregierung leisten mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit da aktuell Aufbauhilfe. Es macht auch Sinn gerade für die Primaten, denn noch immer leben die meisten in Afrika außerhalb von Schutzgebieten. Ein amerikanischer Forscher hat im Nordkongo kürzlich eine der größten Schimpansen-Populationen der ganzen Region gefunden. Das Vorkommen war völlig unbekannt! Solche unentdeckten Schätze gibt es noch. Ihre Entdeckung fasziniert – und fordert uns auf, neue Schutzgebiete auszuweisen.

Volker Homes, vielen Dank für das Interview.

Gorilla in einer Wiese (Foto: CC/sentouno)
Bedroht durch Bevölkerungswachstum, Wilderei und Abholzung: Berggorillas, die im Kongo, Ruanda und Uganda lebenBild: CC/sentouno
Elefant läuft durch die Savanne (Foto: CC/Noreen Hirschfeld)
Wandernde Arten wie Elefanten brauchen Korridore, um zwischen Schutzgebieten zu pendelnBild: CC/Noreen Hirschfeld
Landschaft mit dem Kilimanjaro im Hintergrund (Foto: CC/Gary Craig)
Auf afrikanischen Bergen wie dem Kilimandscharo schmelzen die Eismassen rasant. Tier- und Pflanzenarten verlieren ihren LebensraumBild: CC/Gary Craig
Nashörner laufen durch hohes Gras (Foto: CC/Sabi Sabi Private Game Reserve)
Einst Vorzeigetier des Artenschutzes, jetzt wieder durch Wilderei bedroht: Afrikas Nashörner stehen auf der AbschusslisteBild: CC/Sabi Sabi Private Game Reserve