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Interview mit Margreth Lünenborg

17. Dezember 2011

Bedrohliche Männer, verhüllte Frauen – in der Berichterstattung über Ausländer finden sich noch immer Klischees, kritisiert die Kommunikationswissenschaftlerin Margreth Lünenborg. Doch sie sieht auch Fortschritte.

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Margreth Lünenborg (Foto: Bastienne Schulz)
Margreth LünenborgBild: Bastienne Schulz

DW-WORLD: Die Internationale Organisation für Migration beklagt, dass in den Zielländern von Migranten überwiegend negativ über das Thema Einwanderung berichtet wird. Stimmt dieser Befund für Deutschland?

Margreth Lünenborg: Wir wissen aus Medienanalysen, dass dort, wo über Migration oder Migranten berichtet wird, dies schwerpunktmäßig in Problemzusammenhängen geschieht – es also um Integrationsprobleme, Bildungsdefizite und ähnliche Kontexte geht.

Gilt das nicht für alle Gruppen? Jugendliche zum Beispiel tauchen in der Berichterstattung meist nicht als Musterschüler auf, sondern als Gewalttäter oder Komasäufer …

Natürlich ist Negativität ein klassischer Nachrichtenfaktor. Deswegen schauen wir uns in der Forschung nicht nur die Berichterstattung über Migrationsthemen an, sondern versuchen weiter zu blicken: Wo tauchen Migrantinnen und Migranten eigentlich auf? Das tun sie ja nicht nur, wenn über das Thema Ausländer berichtet wird, sondern auch als Nachrichtensprecherin, in Soap-Operas oder im Reality-TV. In solchen eher alltagsweltlicheren Kontexten finden wir ein etwas breiteres Repertoire an Bildern.

Diese Präsenz von Einwanderern scheint auch anderswo zuzunehmen; einige Behörden, Unternehmen und andere Institutionen stellen stärker als früher Menschen mit Migrationshintergrund ein. Hat das Einfluss auf die Berichterstattung?

Das eine ist die gesellschaftliche Feststellung: Ja, wir sind ein Einwanderungsland und das muss sich auch in den Berufsgruppen ausdrücken - im Journalismus genauso wie bei Lehrern oder Polizisten. Das andere sind Medienbilder, die Wirklichkeit niemals abbilden, sondern uns immer Erzählungen von Wirklichkeit liefern, die sie nach bestimmten Regeln und Mustern herstellen. Die Debatte über Bildungsdefizite wird zum Beispiel ganz eng entlang von ethnischer Differenz geführt, obwohl alle Bildungsforscher sagen, dass soziale Unterschiede eine viel größere Rolle spielen als ethnische. Aus früheren Analysen wissen wir, dass lange Zeit "der bedrohliche Ausländer" ein Stereotyp war, das sich nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zu dem des Schläfers und Terroristen entwickelt hat. Ein anderes, geradezu schlüsselbildhaftes Stereotyp, ist die muslimische Migrantin mit Kopftuch und bodenlangem Mantel, die als anonyme, nicht wirklich kenntliche Gestalt klischeehaft dargestellt wird. Das finden wir in dem Themenkontext Migration ganz schwerpunktmäßig.

Erzeugen die Medien solche Stereotype oder spiegeln sie nur existierende Klischees?

Spekulation über Medienwirkung, losgelöst von Lebens- und Alltagskontexten der Rezipienten, halte ich für problematisch, insofern bin ich da sehr zurückhaltend. Aber unser Bild von der Gesellschaft, von der Welt insgesamt wird maßgeblich durch Medien hergestellt. Dass Ressentiments gegen Migranten dort am größten sind, wo die lebensweltlichen Kontakte am geringsten sind, in Ostdeutschland also, kann durchaus auch mit einer Verstärkerfunktion von Medien zusammenhängen.

Welche Ursache hat die negative Darstellung?

Die Medienprominenz, auf die beispielsweise in Talkshows zurückgegriffen wird, rekrutiert sich fast ausschließlich aus Deutschen, bei bestimmten Themen ergänzt um den "Quoten-Ausländer". Wünschenswert wäre, dass Migranten in den unterschiedlichen Feldern gesellschaftlichen Handelns gleichermaßen zu Wort kommen. Dazu kommt die grundlegende politische Frage: Wird Migration in Deutschland als Problem oder als Potenzial gesehen? Die Stimmen derer, die Einwanderung als ein Potenzial von kultureller Vielfalt und positiver demografischer Entwicklung begreifen, sind im politischen Diskurs in der Minderheit.

Wie ließe sich dieser Diskurs verändern?

Dafür braucht es nicht zuletzt auch Journalistinnen und Journalisten mit Migrationshintergrund, die in den verschiedenen Sprach- und Kulturräumen zuhause sind - und die dadurch einen anderen Blick auf Themen haben. In Deutschland machen sie heute weniger als 5 Prozent der Profession aus.

Margreth Lünenborg ist Professorin für Journalistik an der Freien Universität Berlin. Sie ist Mitautorin des Buches "Migrantinnen in den Medien - Darstellungen in der Presse und ihre Rezeption".

lnterview: Dennis Stute
Redaktion: Nils Naumann