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EU erlaubt Einsatz von Körperscannern

7. Dezember 2011

Sie sollen Anschläge auf den Luftverkehr verhindern und den Sicherheitscheck am Flughafen beschleunigen. Doch Körperscanner sind umstritten. Nun dürfen die Geräte in der EU zum Einsatz kommen - unter strengen Auflagen.

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Sicherheits-Check mit einem Körper-Scanner am Amsterdamer Flughafen (Foto: AP)
Bild: AP

Die EU-Kommission hat entschieden: Von Mittwoch (07.12.2011) an dürfen auf Flughäfen der Europäischen Union die Passagiere ganz offiziell mit Körperscannern kontrolliert werden. Dem waren zahlreiche Tests vorausgegangen. Bei den aktuell auf dem Markt befindlichen Geräten müssen die Passagiere in eine etwa Telefonzellen-große Kabine treten, sich breitbeinig hinstellen und die Arme heben. Dabei werden sie von einem mit Sensoren bestückten Roboterarm umrundet, der sogenannte Terrahertz-Strahlen beziehungsweise Millimeterwellen empfängt.

Körperscanner am Flughafen Amsterdam (Foto: AP)
Hände hoch: Körperscanner am Flughafen AmsterdamBild: AP

"Das sind im Grunde kleine Radargeräte, bei denen ein Signal ausgesendet wird und dann der Reflex empfangen wird", sagt Helmut Essen vom Forschungsinstitut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik der Fraunhofer-Gesellschaft. Aus diesen Werten entsteht ein virtuelles Bild auf dem Monitor des Kontrollbeamten. Darauf ist dann zu sehen, ob die geprüfte Person gefährliche Gegenstände unter der Kleidung mit sich führt.

Der Vorteil der neuen Technik liegt auf der Hand: Im Gegensatz zu Metalldetektoren sind Körperscanner in der Lage, auch Flüssigkeiten, Pulver und Messer mit Keramikklingen zu entdecken - also potentiell gefährliche Gegenstände, die keinen Metallanteil haben.

Grund, den Einsatz der Geräte zu voranzutreiben, war ein vereitelter Anschlag vor zwei Jahren: Im Dezember 2009 hatte ein damals 23-jähriger Passagier aus Nigeria versucht, eine Maschine auf dem Flug von Amsterdam nach Detroit in die Luft zu sprengen. Der Mann hatte explosive Substanzen an Bord geschmuggelt. Als er versuchte, diese zu entzünden, wurde er von geistesgegenwärtigen Mitreisenden und der Crew überwältigt.

Monitorbild eines "Nacktscanners" auf dem Flughafen von Manchester (Foto: AP)
"Nacktscanner" auf dem Flughafen von ManchesterBild: AP

"Nacktscanner" zeigen intime Details

Die Tücken bei der neuen Technik liegen im Detail: Je nach Gerät ist das von Körperscannern erzeugte Bild unterschiedlich deutlich. Die Darstellungsweise reicht vom symbolischen Strichmännchen, bei dem farbige Punkte und Flächen möglicherweise gefährliche Gegenstände anzeigen, bis hin zur detailgetreuen Abbildung des nackten Körpers. Ein Umstand, der zu Protesten bei Passagieren und Politik führte. Die Geräte hatten deshalb auch schnell einen Spitznamen: "Nacktscanner".

Unter anderem deshalb hat die EU-Kommission den Einsatz von Körperscannern auf Flughäfen der Europäischen Union nur unter strengen Auflagen genehmigt: Demnach ist es untersagt, von den Geräten angefertigte Aufnahmen zu speichern. Die Analyse der Bilder muss in einem abgetrennten Raum stattfinden. Das dafür eingesetzte Sicherheitspersonal darf keinen direkten Kontakt zu den gescannten Personen haben. Außerdem haben Passagiere das Recht, eine Durchleuchtung per Körperscanner abzulehnen. Sie dürfen darauf bestehen, mit herkömmlichen Methoden kontrolliert zu werden. Die EU-Kommission hat zudem beschlossen, Scanner, die Röntgenstrahlung einsetzen, in der Europäischen Union komplett zu verbieten.

Bild eines Körperscanner-Kontrollmonitors (Foto: dpa)
Strichmännchen: Neutrale Darstellung auf einem KontrollmonitorBild: picture alliance/dpa/Fotografia

Weiterer Forschungsbedarf

Die EU-Kommission bestimmte, dass von den jetzt in "Sicherheitsscanner" umbenannten Geräten keine Gefahr für Leib oder Leben ausgehen dürfe. Die Wissenschaft ist in dieser Frage allerdings noch nicht zu einem abschließenden Ergebnis gekommen.

Rolf Michel, Vorsitzender der Strahlenschutzkommission (Foto: DW-Archiv)
Rolf Michel, Vorsitzender der StrahlenschutzkommissionBild: Rolf Michel

"Wir sind bei den möglichen biologischen Wirkungen von Terrahertz-Strahlung immer noch nicht so weit, wie wir gerne sein möchten", sagt der Vorsitzende der deutschen Strahlenschutzkommission (SSK), Rolf Michel. Die vorliegenden Forschungsdaten dazu seien noch nicht ausreichend. Immerhin würde inzwischen das Ergebnis einer europäischen Studie vorliegen. Demnach seien keine Biologischen Effekte durch Terrahertz-Strahlung zu beobachten, die bei den Körperscannern zum Einsatz kommt. Hingegen seien bei zwei anderen Studien Auswirkungen auf Körperzellen und Genveränderungen beobachtet worden. Allerdings, so Michel, wurden diese Ergebnisse noch nicht abschließend bestätigt. Außerdem habe man bei diesen Versuchen mit sehr hohen Bestrahlungsstärken gearbeitet. "Da hat man zwei Stunden draufgehalten," sagt der SSK-Vorsitzende. Bei einer Abtastung im Körperscanner wären es nur wenige Mikrosekunden. Von Seiten der Gerätehersteller werde zudem zugesichert, dass sie die Terrahertz-Strahlung nur im Mikrowatt-Bereich einsetzen würden.

Helmut Essen (Foto: DW-Archiv)
Helmut Essen vom Fraunhofer-InstitutBild: privat

Bei einem Mikrowellen-Ofen, der in der Regel nie perfekt abgeschirmt ist, würde 200.000 Mal mehr Energie nach außen dringen, ergänzt Helmut Essen vom Forschungsinstitut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik der Fraunhofer-Gesellschaft. Und er nennt ein weiteres Beispiel: "Also, mein Handy sollte ich direkt wegwerfen, denn da bekomme ich viel mehr Schäden potenzieller Art zugeführt, als wenn ich hundert Mal durch so einen Scanner gehe!"

Fehlgeschlagener Test in Hamburg

Flughafen Hamburg (Foto: dpa)
Feldversuch: Flughafen HamburgBild: picture-alliance/dpa

In Deutschland wurden Körperscanner am Flughafen Hamburg getestet. Freiwillig beteiligten sich rund 800.000 Passagiere an dem zehnmonatigen Feldversuch, der angeblich 1,1 Millionen Euro kostete. Das Testergebnis war niederschmetternd: In knapp der Hälfte aller Fälle wurde Fehlalarm ausgelöst und die betroffenen Passagiere mussten sich zusätzlich noch per Handsonde vom Flughafenpersonal untersuchen lassen. Die Geräte waren offensichtlich noch nicht ausgereift, sie schlugen auch bei Schweißflecken, Falten oder Knöpfen an der Kleidung Alarm.

Das Problem: "Jegliche Strahlung wird immer an irgendwelchen Kanten gebündelt und zurückgeworfen, zum Beispiel wenn am Hemd eine Falte ist ", sagt Fraunhofer-Forscher Essen. Außerdem seien die Empfangssensoren extrem empfindlich. Der Computer, der die Daten aufbereitet, kann dabei kaum unterscheiden zwischen dem Echo, das eine Stoff-Falte zurückwirft, und dem Signal, das ein potentiell gefährlicher Gegenstand erzeugt.

Noch kein europaweiter Einsatz

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (Foto: AP)
Bundesinnenminister Hans-Peter FriedrichBild: dapd

Deutschland verzichtet wegen der zahlreichen Pannen beim Hamburger Testbetrieb vorerst auf die bundesweite Einführung der Geräte. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kündigte aber an, möglichst bald weiterentwickelte Geräte einsetzen zu wollen. Nach Angaben der EU-Kommission nutzen derzeit nur Großbritannien und die Niederlande auf ihren Flughäfen Körperscanner. Italien und Frankreich haben Interesse daran bekundet.

Die Europäische Union ist noch weit von einem flächendeckenden Einsatz entfernt. Das Europa-Parlament hat allerdings die Regierungen der EU-Staaten aufgerufen, die Technologie bis Ende April 2013 einzuführen. Dann könnte nämlich auch das Verbot fallen, Flüssigkeiten im Flug-Handgepäck mitzunehmen.

Autor: Arnd Riekmann
Redaktion: Klaus Jansen