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Reformen bei der Zuwanderung gefordert

1. Dezember 2011

Die Gesellschaft in Deutschland wird immer älter, gleichzeitig wird der Mangel an Fachkräften immer größer. Eine Kommission aus Politik, Industrie und Gewerkschaften fordert deshalb neue Regelungen bei der Zuwanderung.

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Deutsche und indische Angestellte in einem Labor (Foto: dpa)
Sie sollten bessere Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt erhaltenBild: dpa Zentralbild

Eine "umsichtig gesteuerte Zuwanderung" - das ist die zentrale Forderung, die die unabhängige und parteiübergreifende Kommission "Fachkräftebedarf und Zuwanderung" in ihren Aktionsplan geschrieben hat, den sie am Mittwoch (30.11.2011) in Berlin vorgestellt hat. Der Hintergrund: Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland sind in besonderem Maße auf gut ausgebildete und hochqualifizierte Fachkräfte angewiesen. Und schon heute leiden viele Branchen an einem Mangel an Fachkräften, der mit der Alterung der Gesellschaft noch deutlich zunehmen wird. Umfassende Reformen sind daher nach Ansicht der Kommissionsmitglieder aus Politik, Industrie und Gewerkschaften unverzichtbar.

Unter dem Vorsitz des ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck und des CDU-Politikers Armin Laschet wurde das Gremium im April 2011 von einer Gruppe großer deutscher Stiftungen ins Leben gerufen.

Mehr Anreize für Zuwanderung Hochqualifizierter

Bernhard Lorentz (Stiftung Mercator), Peter Struck (SPD) und Armin Laschet (CDU) (Foto: dpa) Foto: Tim Brakemeier (dpa)
Bernhard Lorentz (Stiftung Mercator), Peter Struck (SPD) und Armin Laschet (CDU)Bild: picture-alliance/dpa

Die Zahl der Arbeitnehmer in Deutschland wird nach Angaben von Struck und Laschet bis zum Jahr 2025 um 6,7 Millionen sinken. Deshalb müsse die Politik zum einen mit Bildungsangeboten und einer besseren Qualifikation von Arbeitslosen reagieren. Aber neben mehr Chancen für Frauen und Ältere auf dem Arbeitsmarkt müssten auch mehr Anreize für die Zuwanderung Hochqualifizierter geschaffen werden.

Das, was Deutschland an Arbeitskräften durch den demografischen Wandel verliere, sei nicht allein durch Arbeitskräfte aus Deutschland aufzufangen, sagt Peter Struck: "Wir wollen mit unseren Vorschlägen die politischen Parteien, die Fraktionen im Deutschen Bundestag überreden, eine gemeinsame Initiative mitzumachen. Auch die Bundesregierung, auch die zuständige Arbeitsministerin sollen sich engagieren."

Angesichts des bereits jetzt bestehenden Fachkräftemangels, steht für Armin Laschet, den früheren Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen, eines fest: "Wir müssen um die besten Köpfe der Welt werben. Wir müssen Abstand nehmen von dieser Idee des Anwerbestopps und klar definieren, wen wir brauchen und unter welchen Kriterien der nach Deutschland kommen kann."

Wegkommen vom Anwerbestopp

Geht es nach der Kommission, dann soll die Abkehr vom Anwerbestopp "Teil einer Einwanderungs- und Willkommenskultur" werden. Im Gesetz müsse deutlich werden, dass die Zuwanderung "explizit gewünscht und gefördert wird", betont Laschet.

Konkret schlagen die Experten zunächst den Abbau bürokratischer Hürden vor. Schon jetzt könnten Arbeitskräfte mit einem Arbeitsvertrag einreisen, müssten aber zum Teil wochenlange Prüfungen über sich ergehen lassen, kritisiert Laschet. Das müsse geändert werden.

Daneben soll ein "kriterienbasiertes System" eingeführt werden, nach dem bis zu 30.000 Fachkräfte pro Jahr einwandern dürfen. Kriterien dafür könnten unter anderem die Qualifikation in bestimmten Mangelberufen, deutsche Sprachkenntnisse und Ähnliches sein. Eine so genannte "Zuwanderung in die Sozialsysteme" soll allerdings verhindert werden.

Die in den letzten Wochen aufgedeckten rechstextremistischen Morde an Migranten bezeichneten Struck und Laschet als "schweren Rückschlag für die Bemühungen, ausländische Fachkräfte nach Deutschland zu holen". Sie bedürfen schnellster Aufklärung. Für CDU-Politiker Laschet stellen sie einen "Anschlag auf Deutschland als Ganzes" dar.

BlueCard für ausländische Fachkräfte in Kürze

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) spricht in Berlin im Bundestag. dpa - Bildfunk+++
Arbeitsministerin von der LeyenBild: picture alliance / dpa

Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen sagte, Deutschland müsse sich dem Gedanken öffnen, dass Fachkräfte aus dem Ausland benötigt würden. Über die Ausgestaltung der sogenannten BlueCard für ausländische Fachkräfte soll in Kürze das Kabinett beraten. So soll künftig für Fachkräfte aus Branchen mit vielen offenen Stellen die Einkommensgrenze für eine Niederlassungserlaubnis auf 33.000 Euro pro Jahr gesenkt werden. Für andere Berufsgruppen soll diese Grenze von derzeit 66.000 Euro auf 44.000 beziehungsweise 48.000 Euro sinken.

Internationale Studierende als "Ideal-Zuwanderer"

Gunilla Fincke, Direktorin des Forschungsbereichs des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) GmbH (Foto: Ausserhofer / SVR)
Gunilla Fincke sieht viele verkannte IdealzuwandererBild: SVR/Ausserhofer

Laut einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration entgeht Deutschland jedes Jahr ein großes Potential an hochqualifizierten Fachkräften, weil viele ausländische Studierende hierzulande sich nach ihrem Hochschulabschluss in Deutschland nicht willkommen fühlten. Dabei seien sie "verkannte Idealzuwanderer", sagt die Direktorin des Forschungsbereichs des Sachverständigenrates, Gunilla Fincke. Potentielle Migranten, "die eigentlich schon im Land sind, aber als solche gar nicht wahrgenommen werden, weil man immer glaubt, sie sind nur temporär hier, für das Studium."

Doch diese jungen Leute seien gut ausgebildet und sprechen in der Regel Deutsch, kennen durch ihr Studium Land und Leute. Sie sind auch mit den Gepflogenheiten auf dem deutschen Arbeitsmarkt vertraut. Allerdings bleibe nur ein reichliches Viertel von ihnen nach Abschluss ihres Studiums in Deutschland. Das sei auch im internationalen Vergleich nur das untere Mittelfeld, sagte Fincke bei der Präsentation der Studie.

Zahl internationaler Studierender verdoppelt

Gruppe von Studenten lernt gemeinsam in einer Bibliothek Foto: DW-Archiv
Studenten aus aller Welt in DeutschlandBild: Fotolia/Robert Kneschke

Die Zahl der Studierenden aus Nicht-EU-Staaten ist in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland beinahe um das Doppelte gewachsen, auf derzeit fast 200.000. Von diesen Studierenden machen jedes Jahr zwischen 15.000 und 20.000 ihren Abschluss in Deutschland. Die größte Gruppe bilden dabei Studierende aus China, gefolgt von denen aus Russland, der Ukraine, der Türkei und Indien.

Untersucht wurde in der Studie, wie die ausländischen Studierenden die Rahmenbedingungen in Deutschland erleben, was wichtig für sie ist, um nach Abschluss des Studiums in Deutschland zu bleiben. Dafür wurden 2.600 Studierende an zehn deutschen Universitäten befragt, die alle in Master- oder Promotionsstudiengängen sind. Direkt nach Studienende könnten sie in den deutschen Arbeitsmarkt einsteigen. Jedoch fühlte sich laut Studie rund die Hälfte der Befragten schlecht informiert über die Möglichkeiten zum Verbleib und zur Arbeitsaufnahme.

Autorin: Sabine Ripperger
Redaktion: Arnd Riekmann/Sabine Faber