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Vom Umgang mit dem Tod

18. November 2011

Andreas Dresen dreht Spiel- und Dokumentarfilme, inszeniert im Theater und an der Oper. Nun kommt mit "Halt auf freier Strecke" ein bewegender Film in die Kinos, bei dem das Sterben im Mittelpunkt steht.

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Das vom Filmfestival Cannes veröffentlichte Foto zeigt eine Szene aus dem Film «Halt auf freier Strecke» - Milan Peschel als Frank, Steffi Kühnert als seine Frau Simone (undatiertes Handout). Das Krebsdrama des deutschen Regisseurs Andreas Dresen hat beim Filmfestival in Cannes das Publikum zu Tränen gerührt. Das Drama ist der einzige deutsche Beitrag im offiziellen Programm des 64. Internationalen Festivals. Es läuft in der Nebenreihe «Un certain regard». Foto: Cannes/Rommel-Film
Bild: picture-alliance/dpa

Die Angst, langweilig zu sein

Frank, ein Familienvater Mitte 40, hat einen bösartigen Tumor, den man nicht mehr operieren kann. Er hat nur noch wenige Monate zu leben. Wie aber wird die Familie damit umgehen, wie sagt man es den Kindern? Frank beschließt mit seiner Frau, zu Hause zu sterben. Andreas Dresen hatte nur eine Befürchtung: den Zuschauer bei einem Film ohne überraschende Wendungen zu langweilen. Er versteht auch, dass sich viele vor dem Thema fürchten, versucht jedoch, den Zuschauern auch Mut zu machen: "Es ist zwar ein düsteres Thema, das man gerne verdrängt, aber irgendwie gehört es zu unserem Leben und zu unserem Alltag dazu. Und wenn es kein Schmerz gibt, kein Unglück gibt, dann gibt es auch kein Glück." Völlig zu Recht weißt der Filmemacher darauf hin, dass man sich am Ende auch nach dem "Unhappy End" doch befreit fühlt.

Wie schon in früheren Arbeiten, entwickelt Andreas Dresen den Stoff mit seinen Schauspielern, in diesem Fall mit Milan Peschel und Steffi Kühnert. Lange Zeit war nicht einmal klar, welcher der Protagonisten sterben würde. Andreas Dresen vermag es, den Zuschauer mit seinem traurigen Thema zu packen, weil er sich nicht scheut, die Banalität und Komplexität des Alltags mit einem Todkranken ehrlich zu filmen. Das funktioniert vor allem, weil die Schauspieler so überzeugend wirken. So sieht man auch Spannungen, Wut und Streit. Frank ist nicht nur der bedauernswerte Kranke.

Die Umschiffung der Sentimentalität

HALT AUF FREIER STRECKE by Andreas DRESEN Cannes Filmfestival 2011
HALT AUF FREIER STRECKEBild: Cannes Filmfestival 2011

Für den Regisseur war es wichtig, gefühlvoll zu sein ohne dabei kitschig zu werden. Er bedient nicht die tradierten Wendeplots einer Filmgeschichte und setzt auf die Tragikomik des Alltags. So in einer Szene, wo der neunjährige Sohn seinen Vater fragt: "Ist das wahr, dass du stirbst?" Aber Dresen begnügt sich nicht mit einer Großaufnahme auf ein trauriges Jungengesicht. Dann wäre es eine gefährlich-sentimentale Szene, meint er. Aber weil die Szene weiter läuft und der Kleine nur Sekunden später fragt: "Kann ich dann, dein I-Phone haben?", wird aus einer "potentiell sentimentalen Szene, fast eine komische", weiß der Regisseur.

Die Kunst vom Leben abgeschaut

Der deutsche Regisseur Andreas Dresen freut sich über den Gewinn des Hauptpreises des Festival-Sektion Un Certain Regard während des 64. Filmfestivals in Cannes am 21. Mai 2011. Dresens Film "Halt auf freier Strecke " teilt sich den Preis mit dem Film "Arirang" des südkoreanischen Regisseurs Kim Ki-Duk. Foto: Hubert Boesl
Andreas Dresen in CannesBild: picture-alliance/dpa

Kino mit Alltagsgeschichten zu verdichten, versteht Andreas Dresen wie derzeit kein anderer deutscher Regisseur. Auch in "Halt auf freier Strecke" hat der Filmemacher sowohl mit gestandenen Schauspielern als auch mit sogenannten Laien gearbeitet, wie mit dem Arzt in der ersten Szene des Films, der tatsächlich Arzt ist. So entsteht eine große Wahrhaftigkeit im Kinovon Andreas Dresen. Bei der Weltpremiere von "Halt auf freier Strecke" in Cannes gab es dann auch minutenlangen, herzlichen Beifall, und es blieb kaum ein Auge trocken. Und so ist Andreas Dresen ein Film gelungen, der schmerzt und dabei auch wieder gut tut. Es ist der beste und berührendste deutsche Film des Jahres!

Autor: Jörg Taszmann

Redaktion: Gudrun Stegen